Auktion:60.000 Euro für Beethovens Einkaufszettel

Mäusefalle, Waschseife, Barbiermesser: Mit brauner Tinte schrieb Ludwig van Beethoven einst seine Besorgungen auf ein Büttenpapier. Jetzt wurde das Stück versteigert - für viel Geld.

Alina Fichter

Ob es am Alter lag oder am Wein? Verdammt vergesslich war er geworden. Jeden Gedanken musste er aufschreiben, bevor er ihm wieder entwischte. Selbst den Ärger mit dieser elenden Maus, die nachts am Brotlaib knabberte, vergaß er sonst. Genau wie die Rasur, die dringend anstand. So konnte es nicht weitergehen. Also holte Ludwig van Beethoven, 47 Jahre alt, einen Bogen Büttenpapier hervor und schrieb mit Federkiel und brauner Tinte: "+ MäuseFall, + 3 BarbierMeßer, + Waschseife an der Bognergaße -". Er würde die neue Haushälterin losschicken, in der Innenstadt Wiens einkaufen zu gehen. Die alte war nach seinem letzten Wutanfall davon gelaufen.

Ludwig van Beethoven

Auch das Genius Ludwig van Beethoven plagte sich, wie andere Erdenbewohner auch, mit der eigenen Vergesslichkeit, mit lästigen Erledigungen und mit Ungeziefer im Haus.

(Foto: dpa)

Ob die arme Frau lesen konnte, was der Komponist da aufs Papier geschmiert hatte? Ob der Jähzornige sie diesmal mit genügend Geld ausstattete, damit sie beim Uhrmacher auch das soeben erfundene und entsprechend teure Metronom besorgen konnte, das auf dem Zettel stand, und die "ZündMaschin", also einen Feuerzeug-Vorläufer?

Egal, heute, ziemlich genau 200 Jahre später, interessiert nur noch eins. Die Einkaufsliste ist ein echter Beethoven, das Gekrakel seine Handschrift. Sie zeigt: Das Genius plagte sich, wie andere Erdenbewohner auch, mit der eigenen Vergesslichkeit, mit lästigen Erledigungen und mit Ungeziefer im Haus.

So überraschend ist es für viele, dass offensichtlich auch dem Schöpfer göttlicher Symphonien zuweilen Banales in die Quere kam, dass das Geschmiere dieser Tage ein Vermögen wert ist. Das Kölner Graphik-Auktionshaus Venator & Hanstein versteigerte Beethovens Einkaufszettel am Freitag für den Preis einer Limousine. 60.000 Euro ließ sich ein Käufer die Liste kosten.

60.000 Euro! Hätte Ludwig van Beethoven damals, mit 47, gewusst, was sein Schmierzettel einmal bringen würde, er hätte es wohl zynisch gefunden. Prägte doch ein leidvoller Kampf ums Geld sein ganzes Leben. Zwar verdiente er schon früh sein eigenes Geld. Mit sieben trat er zum ersten Mal als Pianist auf, bereits mit 14 bekam er eine Festanstellung als Organist und Cembalist an der Hofkapelle in Bonn, wo auch sein Vater arbeitete.

Gänzlich abhängig vom Wiener Adel

Das sollte aber auch seine letzter fester Posten sein. Mit 22 Jahren zog es Beethoven nach Wien, in die Stadt der Musik. Dort schlug er sich von nun an als freier Komponist durch. Das ging gut, bis er irgendwann sein Gehör verlor und sich nicht mehr ein paar zusätzliche Gulden als Pianist dazu verdienen konnte; das war um 1817 - das Jahr, aus dem der Einkaufszettel stammt.

Als freier Komponist jedenfalls war er nun gänzlich abhängig vom Wiener Adel, der ihn, seine Symphonien und Klaviersonaten zwar verehrte, an dessen mieser Zahlungsmoral Beethoven aber beinahe verzweifelte. Einmal zeterte er solange, bis ein paar Fürsten ihm vertraglich ein festes jährliches Gehalt zusicherten. Aber als die Inflation an ihren Vermögen zu zehren begann, stellten sie die Zahlung plötzlich ein, diese Banditen: Fürst Kinsky, Fürst Lobkowitz und wie sie alle hießen. Beethoven wütete, schimpfte. Und verklagte seine Mäzene.

Er brauchte ihr Geld, denn ja, das muss man sagen, er verprasste es auch gern. Da war der Wein. Und da waren die Frauen. Er liebte sie, die Bettinas und Antonies und Thereses, auch die Gräfinnen hatten es ihm angetan: Guiliana Guicciardi widmete er seine Mondscheinsonate. Er gab das Geld aus, für sie, für sich, er wusste nie, wie viel er besaß und lebte in der ständigen Furcht, zu wenig zu haben.

Rechenschwäche

Als es einmal etwas besser lief, im Jahr 1816, kaufte der Komponist dann sogar Aktien. Die österreichische Nationalbank war die erste Aktiengesellschaft im deutschen Raum überhaupt, Beethoven schlug zu - und schrieb dem Oberbuchhalter alsbald: "Ich bitte Sie, was die allerliebste Dividende anbelangt, doch zu sorgen, dass ich es heute oder Morgen erhalten kann, denn unser einer bedarf immer Geld. Und alle Noten, die ich mache, bringen mich nicht aus den Nöthen!!"

Vielleicht wäre alles ein wenig einfacher gewesen, wenn Beethoven sich nicht so schwer getan hätte mit den Zahlen. Er konnte nicht rechnen. Einmal mühte er sich ab, elf Halbe zusammenzuzählen, reihte elfmal 1/2 untereinander und kam zum Ergebnis: 10,5. Ach, Beethoven.

Eigentlich hätte er sein Vermögen also wohl überschätzen müssen, aber er unterschätzte es chronisch, lebte in der ständigen Angst vor bitterer Armut. Jedenfalls hinterließ er, als er im Jahr 1827 mit 57 Jahren starb, mit 1000 Gulden, das sind 145.000 Euro, ein kleines Vermögen. Darüber wäre er selbst wohl am meisten überrascht gewesen.

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