Aufstocken statt anbauen:Eine Frage der Statik

Baugrundstücke in der Stadt sind teuer. Mancher Hausbesitzer spielt deshalb mit dem Gedanken, das Dach als Baugrund zu nutzen.

"Aufstocken macht vor allem Sinn bei Gebäuden in Innenstadtlagen", sagt der Architekt und Fachbuchautor Thomas Drexel aus Augsburg. Aber auch viele Einfamilienhäuser aus den sechziger Jahren und Walmdachbungalows, deren Dächer nicht ausbaubar sind, seien geeignet.

"Wer mit dem Gedanken spielt, ein Haus aufzustocken, sollte zuerst einen Architekten verpflichten", rät Drexel, der ein Buch über Umbauen, Erweitern und Renovieren geschrieben hat. Ein wichtiges Kriterium bei der Architektenwahl: Die Chemie zwischen Bauherr und Planer sollte stimmen.

Im ersten Schritt kann der Architekt klären, ob eine Aufstockung überhaupt möglich ist. Alternativen wie Anbauten oder Dachausbauten sind in manchen Fällen die bessere Lösung.

Vor einer Aufstockung muss eine präzise Kosten-Nutzen-Kalkulation gemacht werden. Dabei müsse geklärt werden, ob sich der Aufwand wirtschaftlich rechnet, erklärt Ulrich Zink, Architekt und Geschäftsführer des Bundesarbeitskreises Altbauerneuerung in Berlin. Aufstockungen seien ein erheblicher Eingriff in die Bausubstanz. In der Praxis bedeute dies, dass die bautechnischen Vorausetzungen durch teure Baumaßnahmen erst geschaffen werden müssen. In Extremfällen kann zum Beispiel das Fundament zu schwach sein. Damit die Statik trotzdem stimmt, muss es aufwendig verstärkt werden.

"Bei einer Aufstockung hat auch die Baubehörde mitzureden, die das Projekt genehmigen muss", sagt der Architekt Holger Reiners aus Hamburg. Die Baubehörde überprüft, ob das Bauvorhaben mit dem örtlichen Bebauungsplan vereinbar ist. Sie entscheidet auch, ob das Grundstück durch die Erweiterung nicht überbaut wird und ob das erweiterte Gebäude noch ins Stadtbild passt.

Wenn die architektonischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen und die Behörden grünes Licht geben, stellt sich die Frage nach der Bauweise der Aufstockung: "Aus Gründen der Statik ist eine Aufstockung oft nur in Leichtbauweise mit vorgefertigten Holzbauelementen zu realisieren", erklärt Drexel. Deren Vorteil im Vergleich zu Stein oder Beton sei das geringe Gewicht.

"Alte Flachdachbungalows, deren Dachdichtung im Laufe der Zeit gelitten hat und die nicht mehr dicht sind, werden gern mit einem Schrägdach aufgestockt", sagt Reiners. Der dadurch gewonnene Raum kann zu Wohnzwecken ausgebaut werden. Nach Abtrag der Kiesschichten könne ein Flachdach meist als Geschossdecke dienen. Dies müsse allerdings ein Statiker berechnen.

"Um eine bessere Wohnqualität unterm Dach zu erzielen, kann statt eines klassischen Daches mit Holzkonstruktion und Ziegeln ein so genanntes Massivdach geplant werden", erklärt Diethelm Bosold von der Beton Marketing Süd GmbH in Ostfildern (Baden-Württemberg). Unter diesem Dachtyp komme es selbst bei heißem Sommerwetter auf Grund der Speicherkapazität der massiven Materialien nicht zu dem oft unerträglichen "Barackenklima".

Fachbuchautor Drexel sieht Massivdächer jedoch kritisch: "Vom Kostenaufwand sind Massivdächer gegenüber Holzkonstruktionen oft teurer." Zudem lasse die Statik des vorhandenen Gebäudes ein Dach in massiver Bauweise nicht zu. Auch bautechnisch hätten Holzkonstruktionen gegenüber Betonkonstruktionen Vorteile, da sie luftdurchlässiger konstruiert werden könnten als Beton.

Bei einer Aufstockung muss auch über den Stil des Neubaus nachgedacht werden. "Bei Häusern im neutralen Stil kann der Neubau so gewählt werden, dass sich die Wohnerweiterung bewusst vom vorhanden Baukörper absetzt", sagt Drexel. Die Aufstockung sei dann auch ein Blickfang. Alternativ könne auch der Stil des ursprünglichen Gebäudes wieder aufgenommen werden, so dass Alt- und Neubau miteinander verschmelzen. Beide Varianten seien reizvoll.

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