Aufruhr in Italien:Jagd auf Steuersünder

Sommeroffensive im Sonnenland: Die Regierung in Rom will Steuerhinterzieher dingfest machen. Vor allem die Besitzer von Yachten und Luxusautos geraten ins Visier der Behörden. Und auch der Fiat-Clan.

Ulrike Sauer

Es grenzt an Majestätsbeleidigung. Entsprechend vorsichtig hantiert man in Turin mit der Affäre. Steuerfahnder schnüffeln im Erbe des 2003 verstorbenen Fiat-Patriarchen Gianni Agnelli herum. Im August setzte der italienische Fiskus die Finanzspione darauf an, einen im Ausland versteckten Milliardenschatz des Industrie-Idols zu heben.

Yacht, dpa

Die italienische Regierung hatte auch Yachten und teure Autos im Visier, um Steuerhinterzieher zu finden

(Foto: Foto: dpa)

Bisher ist das angeblich in Steueroasen geparkte Schwarzgeld nicht aufgetaucht. Die plötzliche Aufregung ist für Italiens berühmteste Dynastie sehr unangenehm. Neu ist der Verdacht keineswegs. Er steht seit Jahren im Mittelpunkt des Erbstreits zwischen der Tochter des Advokaten, Margherita Agnelli de Pahlen, und ihrer Mutter Marella Caracciolo. Seit 2007 wird der Zwist vor Gericht ausgetragen. Nun überprüfen die Steuerfahnder auch den Schweizer Wohnsitz der Agnelli-Witwe.

Die schlagzeilenträchtige Schatzsuche ist kein Produkt des Sommerlochs. Am 15. September eröffnet der italienische Finanzminister Giulio Tremonti seinen Ablasshandel mit Steuerflüchtlingen. Er kündigte zum dritten Mal seit 2001 eine Amnestie für Schwarzgeld-Anleger an, die sich mit der Repatriierung ihres Fluchtkapitals und der Zahlung eines Obolus die Weste weiß waschen wollen. Wieder nennt Tremonti das Rückholangebot "Steuerschirm". Doch damit dieser nicht floppt, verlegte sich der Minister diesmal aufs Bangemachen. Wenn selbst Italiens ungekrönte Monarchenfamilie Agnelli bei der Jagd auf hinterzogene Steuern nicht geschont wird, kommt der eine oder andere Nummernkontenbesitzer vielleicht doch ins Grübeln.

Die Angst der Steuerhinterzieher

Überhaupt wurde in diesen Wochen eine Angstkulisse aufgebaut, die von der römischen Regierung niemand erwartet hatte. "Yachten, Superautos und Tourismus im Visier", "Die Sommeroffensive des Fiskus", titelten die Zeitungen.

Eine ruhige Saison für Steuerhinterzieher ist der Sommer 2009 nicht. Die Erfolgsmeldungen der Fahnder überschlagen sich. Zwischen dem 1. Juli und dem 15. August machte die Finanzpolizei 14.632 Kontrollen von 959 Bootsbesitzern sowie 13.673 Überprüfungen von Eigentümern PS-starker Limousinen. Das Ergebnis: In 60 Prozent der Fälle waren die 22 Meter lange Motoryacht oder der flotte Ferrari unter dem Namen von Geringverdienern oder Rentnern gemeldet. Eine Überraschung ist das nicht, denn zu den Merkmalen Italiens gehört, dass es dort mehr Luxusboote als Großverdiener gibt. Nur 0,2 Prozent der Italiener verdienen offiziell mehr als 200.000 Euro im Jahr.

Dann kam der 13. August. Es war der Tag, an dem sich Attilio Befera vor das Mikrofon der Hauptnachrichtensendung Tg1 stellte: "Ach was, Agnelli. Wir haben eine Liste mit 170.000 Namen von Kapitalflüchtlingen", verkündete der Chef der Finanzbehörden über den Staatssender RAI. 24 Stunden später erfuhr man von den Ermittlungen gegen den Sänger Tiziano Ferro mit Wohnsitz in London.

Und dann auch noch das: Die Mini-Republik San Marino steht vor der Kapitulation. Der Felsen oberhalb des Adria-Badeortes Rimini galt mit seinen zwölf Banken bislang als sicherer Hafen für italienische Fluchtmillionen und als Festung des Bankgeheimnisses. Nun presste Tremonti seinem Amtskollegen aus San Marino ein Abkommen ab. Gabriele Gatti, Finanzminister der Enklave, rechnet mit der Unterschrift bis Mitte September.

Gerechtfertigte Steuerhinterziehung

Derweil meldete Italiens Finanzpolizei, sie habe im Kampf gegen die Kapitalflucht im ersten Halbjahr 3,3 Milliarden Euro hinterzogene Einkommen aufgedeckt. Was ist los im El Dorado für Steuerschwindler? Regiert dort nicht Medienmagnat Silvio Berlusconi, der im Wahlkampf gern sagt, dass Steuerhinterziehung in bestimmten Fällen "durchaus gerechtfertigt" sei? Notwehr, sozusagen. Dem Staat gehen mindestens 100 Milliarden Euro durch die Lappen, sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Boston Consulting Group schätzte 2008, dass weltweit ein Zehntel der in Steuerparadiesen geparkten Gelder aus Italien stammt: 550 Milliarden Euro. Italiens Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung beträgt drei Prozent.

Der frühere Steueranwalt Tremonti, exzellenter Kenner der Schwarzgeld-Paradiese, braucht jedoch dringend Geld. Der Finanzminister muss riesige Löcher stopfen, die von der Krise in den Staatshaushalt gerissen wurden. So wirbt das Nachrichtenmagazin Panorama aus Berlusconis Mondadori-Verlag für die Vorteile der Amnestie. Mit einer Teilnahme sichere man sich "Straffreiheit und Anonymität" und es reiche "die einmalige Zahlung einer Fünf-Prozent-Abgabe", lockt die Zeitschrift Reuige.

Steueramnestien lassen Gelder zurückfließen

Dass die Amnestie zum Renner wird, ist aber nicht gesagt. Bisher verlangte Tremonti nur einen Satz von 2,5 Prozent, mit dem das Schwarzgeld bei der Rückkehr nach Italien besteuert wurde. Bei den ersten beiden Steueramnestien flossen 43,2 Milliarden Euro zurück. Sie nährten im Wesentlichen die Immobilienblase. Als Wachstumsstütze taugten sie nicht. Der Finanzminister kassierte zwei Milliarden Euro. Nun hält sich das Ministerium mit Prognosen zurück. Banken rechnen mit bis zu 100 Milliarden Euro. Die Einnahmen für den Staat taxieren sie auf 2,5 bis fünf Milliarden Euro.

Tremonti tut sich beim dritten Straferlass in weniger als einem Jahrzehnt nicht leicht, sich als strenger Zuchtmeister zu gerieren. Bei seiner Rückkehr ins Amt vor 16 Monaten hatte er sogleich die von seinem Vorgänger angezogenen Daumenschrauben gelockert. Maßnahmen zur besseren Kontrolle des Zahlungsverkehrs etwa machte er rückgängig. So sind die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in der ersten Jahreshälfte um elf Prozent gesunken. Der Konsum ging aber nur um 2,6 Prozent zurück.

Das internationale Klima für eine Kapitalrückkehr ist aber günstig. Die G-20-Länder verständigten sich im April auf eine Offensive gegen Steueroasen. "Unser Schild steht perfekt in Einklang mit der amerikanischen Politik", so Tremonti. Auffällig sind eher die Unterschiede. Programme in den USA, Frankreich und Großbritannien böten "keine Anonymität" für Steuerflüchtlinge und verlangten "die Zahlung der Steuerschuld, inklusive der Zinsen", so der römische Zentralbankchef Mario Draghi.

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