Architektur:Residenzen der Diktatoren

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Geld oder Geschmack spielen für Macht keine Rolle. Bauvorschriften auch nicht. Denn kritische Fragen lassen sich schnell und brutal unterdrücken. Ein Blick in Räume von Größen ohne jedes Maß.

Von Ulrike Heidenreich und Joachim Käppner

Nero

Schöner Wohnen für Tyrannen: Als Roms soziopathischer Kaiser Nero (54 - 68) den Palast Domus Aurea, das goldene Haus, einweihte, sprach er zu seinen Schranzen, "er wohne jetzt endlich in einem Haus, das eines Menschen würdig sei". So berichtet es Sueton. Außer üppigen Wandmalereien gab es drehbare Decken aus Elfenbein, durch die "Blumen herabgeworfen und Parfüm versprengt" wurden. Im Eingang stand eine 120 Fuß hohe Statue Neros - das hat nicht mal Stalin geschafft.

Gaddafi

Was für ein Auftritt: Zu Staatsbesuchen ins Ausland pflegte Muammar al-Gaddafi mit einem geräumigen Beduinenzelt anzureisen. Auf wertvollen Teppichen empfing er in Fantasie-Uniform Gäste. Eine Gruppe von Leibwächterinnen, die sogenannte Amazonen-Garde, wachte über ihn. Die Villen seines Clans in Libyen strotzten nur so von Gold und geschmacklosem Luxus. Knapp 42 Jahre herrschte der Diktator mit eiserner Hand über das Land. Der Arabische Frühling 2011 kostete Gaddafi Macht und Leben.

Stalin

Er ließ viele Millionen Menschen ermorden und ruinierte die Idee des Kommunismus für immer; dass Hitlers Vernichtungskrieg an der Roten Armee scheiterte, ist gewiss nicht sein Verdienst. Der im Vergleich mit anderen Potentaten eher unprotzigen Datscha des Sowjetdiktators Stalin (1927 - 1954) in Sotschi sah man den Geist des Schreckens nicht an. Der Hofstaat aber fürchtete Einladungen: So mancher verließ das Diner als Dead Man Walking.

Mao

"Als Heimat der weißen Wolken und gelben Kraniche" bezeichnete Mao Zedong (1893 - 1976) seine Sommervilla in Wuhan. Hier lebte er mit seiner zweiten Frau Yang Kaihui, bevor diese 1930 ermordet wurde. Der frühe Einrichtungsstil der Nummer eins der Kommunistischen Partei Chinas hielt sich durchaus in bescheidenem Rahmen. Später, als er sich mit monströsem Personenkult beweihräuchern ließ, kamen andere Villen, mehr Schwimmbäder, Luxusautos dazu. Ob unter dem Kopfkissen die Mao-Bibel lag, ist nicht bekannt.

Hitler

Ein Drittel seiner Regierungszeit von 1933 bis 1945 verbrachte Adolf Hitler auf dem Berghof am Obersalzberg in Berchtesgaden. Wo einst sein Feriendomizil, eine einfache Hütte, stand, ließ er einen Hochsicherheitskomplex erbauen, eine brutale Demonstration von Nazimacht inmitten der Alpenidylle. Wuchtiges Mobiliar, dunkles Holz, einige Aquarelle von Hitler selbst an den Wänden, Hakenkreuzkissen auf der Eckbank - das war sein privates Reich. Zerbombt von den Alliierten, 1952 gesprengt.

Hussein

Teile der Dekoration sind heute unsentimental in den Gängen des Pentagon ausgestellt, so eine vergoldete AK 47 Kalashnikow. Die Paläste des irakischen Tyrannen Saddam Hussein (er regierte von 1979 bis 2003) gleichen Albtraumversionen der Schlösser von Versailles, wie Orgien des üblen Geschmacks: Wandbilder mit Porno-Fantasy, seelenloser Goldkitsch, Protz - ein Sinnbild seiner grausamen Herrschaft. Lieber als hier hauste der argwöhnische Saddam aber in Geheimverstecken.

Marcos

Der Palast, den sich die einstige philippinische Schönheitskönigin Imelda Marcos in ihrer Heimatstadt Tacloban erbauen ließ, zeugt vom öbszönen, exzessiven Geschmack des Diktatorenpaares. Ferdinand Marcos (1917 - 1989) und seine Frau rafften zusammen, was ging. Manche Wände sollen hier aus Goldbarren gebaut worden sein. Das Schlafzimmer ist so hergerichtet, wie es sich Hollywood-Dekorateure bei Königs vorstellen. Gigantische Badezimmer, ganz zu schweigen von den Ankleideräumen mit 4000 Schuhen.

Ceauşescu

In einer Hinsicht darf man Nicolae Ceauşescu, 1965 bis zu seiner Hinrichtung 1989 Anführer Rumäniens, dankbar sein: Anfangs sogar populär und gegenüber Moskau aufmüpfig, demonstrierte sein wachsender Größenwahn, wie wenig sich die Führer kommunistischer Staaten in Wahrheit um das Volk scherten. Er und Gemahlin Elena horteten Reichtümer; es gab Fliesen aus Gold, Keller voll Schampus, Tausende Anzüge und Pelzmäntel. Seine Paläste bleiben Triumphe des Kitschs.

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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