Apotheker unter Betrugsverdacht:Billig kaufen, teuer verkaufen

Abrechnungsbetrug im großen Stil: Apotheker sollen sich Wirkstoffe für Krebsmedikamente günstig im Ausland beschafft, dann jedoch die höheren deutschen Sätze berechnet haben. Der Schaden geht in die Millionenhöhe.

Wenn Apotheker individuell Medikamente zusammenmischen, brauchen sie dafür die entsprechenden Wirkstoffe. Die sind im Ausland oft günstiger zu haben als in Deutschland. Etliche Apotheker sollen sich diese Wirkstoffe daher außerhalb Deutschlands besorgt haben, dann jedoch bei den Krankenkassen den in Deutschland üblichen - deutlich höheren - Preis abgerechnet haben.

Es war ein lukratives Geschäft - doch es ist illegal. Inzwischen ermitteln die Staatsanwaltschaften. 60 Apotheker sollen in die Machenschaften verwickelt sein, berichtet der Sender NDR-Info. Das ist eine hohe Quote, denn nur 300 Apotheken haben in Deutschland eine Lizenz für die individuelle Zubereitung von Zytostatika.

Mittlerweile gebe es bei Staatsanwaltschaften mehrere Anklagen oder sie seien in Vorbereitung, so NDR-Info: Von Augsburg über Mannheim bis ins niedersächsische Verden. Verfahren liefen auch in Braunschweig, Celle, Kiel, Mainz, Münster und Wuppertal. In Oldenburg und Hamburg seien Geldstrafen verhängt worden. Allerdings liege bislang nur ein Beweis dafür vor, dass versucht worden sei, wirkungslose Medikamente zu verkaufen.

Es geht vor allem um Zellwachstums-Hemmer für Krebspatienten, die von den Apothekern selbst gemischt werden müssen, sogenannte Zytostatika. Die Masche der Apotheker sorgte somit dafür, dass weder Ärzte noch Patienten nachvollziehen konnten, woher das Medikament stammte.

Bei den Krankenkassen hätten die Apotheker laut Anklage den in Deutschland üblichen Satz abgerechnet und so einen erheblich höheren Gewinn erzielt.

Schaden in Millionenhöhe

Aufgeflogen war die Masche laut NDR-Info, weil einem Pharma-Großhändler ein Krebsmittel aus dem Ausland zu auffällig günstigen Konditionen angeboten wurde. Bei der Überprüfung der Substanzen stellte sich heraus, dass das über die Schweiz und Dubai gelieferte Präparat völlig wirkungslos war. Der Großhändler benachrichtigte daraufhin die Krankenkassen, die Nachforschungen anstellten.

Alleine die AOK Niedersachsen beziffert den Schaden nach den Angaben auf mehr zwei Millionen Euro. Auch die Techniker Krankenkasse bestätigte NDR Info entsprechende Erkenntnisse. Die Ersatzkassen rechneten mit einer Schadenssumme von mindestens zehn Millionen Euro. Bundesweit haben etwa 300 Apotheken eine Zulassung für die Zytostatika-Zubereitung.

Patienten nicht richtig versorgt

Der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske von der Universität Bremen bezeichnete Abrechnungsbetrug bei NDR-Info als inakzeptabel. Noch bedenklicher sei es aber, dass möglicherweise wirkungslose Präparate vertrieben worden seien: "Wenn etwas ausgegeben wird, was nicht die richtige Dosierung hat, was nicht den richtigen Wirkstoff hat, dann ist das natürlich ein Problem für die Patientinnen und Patienten, weil sie nicht richtig versorgt werden. Und das von einem Apotheker solche Mittel in den Markt gebracht werden, das halte ich nicht nur für betrügerisch, sondern das halte ich für eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit", sagte Glaeske dem Sender. Glaeske setzte sich deshalb für stärkere Sanktionen ein - etwa den Entzug der Apotheken-Zulassung.

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