Anwalt im Kerviel-Prozess:Der Vielbeschäftigte

Er raucht Zigarre und ist Frankreichs bester Anwalt: Olivier Metzner könnte den Prozess gegen Ex-Banker Kerviel umkehren - zum Leidwesen der klagenden Bank.

Michael Kläsgen, Paris

In Frankreich nennt man einen wie ihn einen Tenor, und Olivier Metzner ist der größte unter diesen Tenören der Strafverteidiger. Das ist natürlich nicht wörtlich zu verstehen, und schon gleich gar nicht in Bezug auf Metzner.

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Ein Meister seines Fachs: Olivier Metzner gilt als der beste Anwalt Frankreichs und verteidigt Jérôme Kerviel gegen die Großbank Société Générale.

(Foto: afp)

Der gedrungene, grauhaarige Mann mit der schmalen Lesebrille auf der Nasenspitze ist zwar unbestritten der Staranwalt in Frankreich, vor allem wenn es um Wirtschaftsstrafsachen geht, aber ein Tenor, ein wohlklingender, ausdrucksstarker Virtuose ist er nicht. Metzner krächzt , lispelt, bisweilen hustet er höchst vernehmlich - eine Folge seines intensiven Zigarrenkonsums. Auch das spricht gegen den Tenor-Vergleich.

Besucht man ihn in seiner Kanzlei, und Metzner empfängt gern Journalisten, hat er meist eine Havanna im Mundwinkel. "Das stört Sie doch nicht?", fragt er dann, um sofort erklärend nachzuschieben: "Das ist das beste Mittel, mich zu konzentrieren und zu entspannen." Im Prozess um den Börsenhändler Kerviel, den er vertritt, sorgt diese Sucht immer wieder für spitze Bemerkungen, wenn Metzner nach einer Pause auf sich warten lässt.

Mindestens sechs Zigarren braucht der Verteidiger pro Tag, und zwar in der immer gleichen Reihenfolge: morgens eine Magnum 46, vormittags eine Magnum 50, mittags eine Cohiba Siglo VI. Und so geht das weiter, bis zum Abend setzt er immer noch ein Kaliber drauf.

Das mag vielleicht seiner Entspannung dienen. Es ist aber vor allem auch Teil einer grandiosen Inszenierung. Wenn Metzner seine Stimme erhebt, steigt die Spannung im Gerichtssaal. Im Kerviel-Prozess ist er der Einzige, der kein Mikrofon braucht, um sich Gehör zu verschaffen.

Arbeitstier und Taktiker

Dabei besticht Metzner keineswegs durch überragende Eloquenz. Ganz im Gegenteil, seine Redekunst ist sogar recht lausig, was bei seiner Reputation doch erstaunlich ist. Metzners Kreuzverhöre sind dennoch gefürchtet. "Ah, eine Hypothese!", "Ah!", "Ah!", bricht es regelmäßig aus ihm heraus, wenn er Zeugen in die Mangel nimmt, diese aber nicht in die Richtung steuern, in die er sie gern treiben möchte. Schlägt der Zeuge dann doch den gewünschten Parcours ein, rutscht ihm ein lapidares "d'accord" heraus, einverstanden. Das klingt manchmal fast unbeholfen.

Doch Metzner ist ein Aktenfresser, ein unermüdlicher Arbeiter. Er scannt, wie Kollegen bewundernd anerkennen, hunderte Seiten Protokolle in Rekordgeschwindigkeit und kann diese Informationen jederzeit abrufen. Mit Zeugen spielt er manchmal regelrecht Pingpong.

Metzner ist zugleich ein glänzender Taktiker. Er nutzt den kleinsten Verfahrensfehler oder erfindet zur Not einen, wenn er ihn nicht findet. Im Prozess um den Börsenhändler Jérôme Kerviel, der seinem Arbeitgeber, der Großbank Société Générale, mit unerlaubten Spekulationen einen Verlust von 4,9 Milliarden Euro eingebracht haben soll, hat er in den vergangenen zwei Wochen so viele Zeugen vorsprechen lassen, dass die von der Bank erhobene Einzeltäter-These inzwischen erheblich wankt.

Anwalt der Großen

Am Ende könnte es ihm vielleicht gelingen, aus dem Kerviel-Prozess einen Société-Générale-Prozess zu machen. Das wäre zweifellos der größte Erfolg in seiner langen Anwaltskarriere.

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700 Euro pro Stunde: Jérôme Kerviel kann sich den Staranwalt eigentlich nicht leisten.

(Foto: afp)

Von sich reden machte Metzner erstmals in den 80er Jahren, als in Frankreich mehrere Politaffären publik wurden und er als Verteidiger mitmischte. Inzwischen ist er international geachtet. Ein amerikanisches Fachmagazin kürte ihn jüngst zum besten Strafverteidiger Frankreichs. Die Mandanten stehen Schlange.

Sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Metzner vertrat ein Dutzend Konzernlenker, aber auch den ehemaligen Diktator Panamas, Manuel Noriega, vor Gericht. Er verteidigte Scientologen ebenso wie den früheren französischen Premierminister Dominique de Villepin, Schlagerstars, die Daimler AG im EADS-Insiderverfahren oder die Fluggesellschaft Continental Airlines nach dem Concorde-Absturz.

Stundenlohn: 700 Euro

In wenigen Wochen wird er im Fall der milliardenschweren L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, die einem Freund eine Milliarde Euro schenkte, die Interessen der Tochter vertreten. Metzner ist der Genscher der Anwälte: Er ist so beschäftigt, dass er sich beim Kommen und Gehen im Justizpalast eigentlich selber begegnen müsste.

Im Moment sitzt Metzner aber für den Nobody Jérôme Kerviel im Gerichtssaal. Warum tut er das? Metzner sagt: "Wenn einer gegen ein System kämpft, dann reizt mich das." Das hört sich nach innerer Unabhängigkeit an. Aber natürlich gefällt es ihm auch, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Bezahlen kann ihn der 33-jährige Kerviel nicht.

Metzner nimmt die höchsten Honorare von Paris, die Rede ist von 700 Euro pro Stunde. Doch in dem Fall ist ihm die Aufmerksamkeit der Medien gewiss, was wiederum den Preis hoch hält und für Nachfrage sorgt. Selbstlos agiert Metzner nicht.

Dennoch spürt man auf der Pressetribüne im Gerichtssaal schnell, dass eher ihm die Sympathien gelten, als dem ebenfalls bekannten Anwalt der Bank, Jean Veil, Sohn der Politikerin und KZ-Überlebenden Simone Veil. Das mag an dem Fall liegen, aber auch an Metzners Persönlichkeit. Vor Gericht ist er in seinem Element, gibt sich voll der Sache hin und fuchtelt in der schwarzen Robe mit den Armen, dass die Lesebrille manchmal verrutscht.

Vom Bauernhof ins Stadtpalais

Er wirkt wie eine Mischung aus Columbo und Churchill, wenn er mit einfachen Worten komplexe Zusammenhänge erläutert und eine mächtige Bank an den Pranger stellt. Dieses Nicht-Konforme macht ihn vielen sympathisch. Er ist dann einer aus dem Volk, dem die Karriere nicht in die Wiege gelegt wurde.

Metzner wurde vor gut 60 Jahren als Sohn eines Bauern in der Normandie geboren, und nichts deutete damals auf seinen steilen sozialen Aufstieg hin. Das Abitur schaffte er nur mit Ach und Krach, und zwar erst im Alter von 21 Jahren. "Ich war die Schande meiner Familie", gestand er einmal einem Buchautoren. Dann klappte es immerhin mit dem Jura-Studium, woraufhin er 1975, geradezu tollkühn, seine eigene Kanzlei in Paris eröffnete und nicht bei einer etablierten Adresse in die Lehre ging.

Heute residiert er selbst an der noblen rue de l'Université, in einem Stadtpalais im Stil Louis XV. In der Kanzlei geht es sehr international zu, man parliert Englisch, junge Herren in teuren Anzügen huschen vorbei und das Dekor verbreitet eine antiquiert-mondäne Atmosphäre. Metzner fährt im schwarzen Smart vor.

Er hat vier Partner und fünf Mitarbeiter, die insgesamt knapp 500 Fälle bearbeiten. Er selbst gönnt sich auch am Wochenende keine Ruhe und nimmt Akten mit in sein Landhaus in der Nähe von Rambouillet, westlich von Paris. "Wenn ich drei Tage lang aufhöre zu arbeiten, langweile ich mich", sagt er, grinst und zieht, wen wundert's, an seiner Havanna. Kerviel könnte von seiner Arbeitswut profitieren.

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