Anwälte prüfen Sammelklage:Letzte Chance für Lehman-Opfer

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Hoffnung für deutsche Anleger, die von der Lehman-Brothers-Pleite 2008 betroffen waren: Ein Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Bank die Bilanzen an mehreren Stellen geschönt hat. Nun könnten die Wirtschaftsprüfer möglicherweise haftbar gemacht werden. Rechtsanwälte überlegen, eine Sammelklage nach amerikanischem Recht anzustoßen.

Hannah Wilhelm

Nun gibt es vielleicht doch noch ein Hintertürchen für die vielen Deutschen, die Geld mit Lehman-Papieren verloren haben. Im September 2008, als das so fern geglaubte US-Institut überraschend pleiteging und plötzlich so viele Zertifikate wertlos waren. Zwar sind die Ansprüche gegen die deutschen Banken, welche die Papiere damals verkauft haben, in der Regel mittlerweile verjährt. Aber eventuell können betroffene Anleger nun in den USA auf Geld hoffen.

Die Zentrale von Lehman Brothers in New York: Vier Jahre nach der Pleite gibt es Hoffnung für betroffene deutsche Anleger. (Foto: dpa)

Ansatzpunkt ist eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung in Amerika gegen eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Staatsanwaltschaft New York hatte nach der Insolvenz der Investmentbank von einer großen Kanzlei in Chicago ein Gutachten über die Bilanzierungspraktiken der Bank erstellen lassen. Es ging der Staatsanwaltschaft darum, die Gründe für die Insolvenz zu finden.

Auf umfangreichen 2200 Seiten durchleuchteten die Gutachter die Bilanzen (nachzulesen auf der Website der Rechtsanwaltskanzlei Jenner & Block). Das Ergebnis: Die Bank habe die Bilanzen an mehreren Stellen geschönt, unter anderem um nicht von den Rating-Agenturen herabgestuft zu werden. Und in der Tat hatte Lehman Brothers bis kurz vor der Pleite im September 2008 ein hervorragendes Ranking.

Mit dem Gutachten sieht der Münchner Anwalt Peter Mattil nun die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Haftung, die damals die Bilanzen von Lehman Brothers testiert hatte. Laut Peter Mattil und des in den USA ansässigen Rechtsanwalts Helge Naber ermittelt deshalb auch die New Yorker Staatsanwaltschaft gegen die Wirtschaftsprüfer. Nun überlegen Mattil und Naber gemeinsam, eine Sammelklage von deutschen Anlegern nach amerikanischem Recht anzustoßen.

"Ja, in Deutschland müssten wir damit erst gar nicht ankommen"

Eine solche Sammelklage ist in Deutschland nicht möglich. In Deutschland muss jeder Geschädigte im Einzelnen seinen Schaden - und wie es zu dem Schaden kam - vor Gericht nachweisen. In den USA dagegen kann zum Beispiel ein institutioneller Investor mit einer Anwaltskanzlei stellvertretend für alle Betroffenen einen Prozess führen. Ist die Klage dann gewonnen, müssen die einzelnen Personen nur noch nachweisen, dass sie zu den Betroffenen gehören. Das geht relativ unbürokratisch, schriftlich, günstig und schnell. Dann bekommen sie einen Anteil des erstrittenen Geldes.

Dabei arbeiten die Kanzleien üblicherweise für eine Erfolgsbeteiligung. Sie werden also nicht von den Anlegern direkt bezahlt, sondern bekommen im Fall eines Erfolges einen Teil des erstrittenen Geldes ab. Und zwar keinen kleinen. In den USA ist dies für große Kanzleien ein sehr lukratives Geschäft. Unter anderem haben schon große Konzerne wie Tyco, Enron oder AOL im Zuge solcher Sammelklage Milliardenbeträge an ihre Aktionäre gezahlt - unter anderem auch an ihre deutschen Anleger.

Auch der deutschstämmige Rechtsanwalt Helge Naber möchte wohl vorwiegend auf Erfolgshonorarbasis arbeiten. Beide Anwälte prüfen nun die Klagemöglichkeit. Was Anleger wissen müssen: In Deutschland ist es für sie fast unmöglich, Wirtschaftsprüfergesellschaften erfolgreich zu verklagen, wenn sich die von ihnen testierten Bilanzen oder Wertpapierprospekte im Nachhinein als unkorrekt herausstellen. "Ja, in Deutschland müssten wir damit erst gar nicht ankommen", räumt auch Peter Mattil ein. Aber in den USA sieht er dagegen gute Chancen: "Gerade weil dort die Staatsanwaltschaft ermittelt und wegen des Gutachtens."

© SZ vom 19.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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