Anleger flüchten in Gold:Metall der Angst

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Griechenland, Italien, USA: Jede noch so skurrile Wendung in den Schuldenkrisen der Welt wird als Argument benutzt, in Gold zu investieren - der Preis pro Feinunze durchbricht erstmals die 1600-Dollar-Marke. Und die Propagandisten des Edelmetalls schüren zusätzlich Weltuntergangsstimmung. Warum der neue Goldrausch an den Finanzmärkten so gefährlich ist.

Nikolaus Piper

Zu Beginn dieser Woche kostete eine Feinunze Gold, also 31 Gramm, erstmals in der Geschichte mehr als 1600 Dollar. Der Rekord wurde eher beiläufig wahrgenommen - kein Wunder, denn an den Finanzmärkten wird Gold seit Wochen fast täglich teurer, und derzeit kann sich niemand vorstellen, wo das alles enden soll. Vor einem Jahr kostete Gold noch um ein gutes Drittel weniger als heute.

Alle wollen Gold - wie einst der legendäre Bösewicht Goldfinger im gleichnamigen James-Bond-Film. Doch der Edelmetall-Rausch ist kein gutes Zeichen. (Foto: REUTERS)

Was das Edelmetall so teuer macht, ist klar. Es ist die Angst der Anleger um ihr Geld, mehr noch: ein abgrundtiefes Misstrauen gegen die Politik ganz allgemein. Manche glauben ganz einfach nicht mehr, dass die Regierungen das Problem der Staatsverschuldung in den Industrieländern je in den Griff bekommen werden.

Jede schlechte Nachricht aus Griechenland oder Italien, jede Skurrilität aus den Verhandlungen um eine Schuldenobergrenze im amerikanischen Kongress liefert Argumente dafür, Gold zu kaufen, egal, wo der Preis gerade liegt. Wenn schon die einst verehrten US-Staatsanleihen nicht mehr sicher sind, wenn die Vereinigten Staaten erstmals in ihrer Geschichte die Bestnote AAA für ihre Bonität verlieren könnten, was bleibt dann noch übrig als Gold? Weil die Schuldenprobleme Europa ebenso plagen wie Amerika, ist auch der Euro-Dollar-Kurs kein relevanter Maßstab mehr für die Qualität der Währungen.

Gold ist also, anders gewendet, ein Barometer der Angst auf der Welt und insofern von volkswirtschaftlichem Nutzen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass all jene, die jetzt massenhaft ins Gold fliehen, rational handeln, ganz im Gegenteil. Sie wollen sich und ihr Vermögen schützen, jedenfalls soweit es sich um Kleinanleger handelt. Aber vor was eigentlich? Bei der letzten großen Gold-Hausse Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten die Vereinigten Staaten zweistellige Teuerungsraten. Gold diente dazu, Vermögen vor Inflation zu schützen, und es erfüllte diese Funktion sehr gut, ähnlich wie Immobilien. Aber heute? Heute gibt es keine Inflation, allenfalls die vage Angst davor.

Die Zukunftsangst der Anleger

Zumindest in Amerika ist das Risiko einer Deflation, also eines anhaltend sinkenden Preisniveaus, immer noch akuter. Wenn die Preise fallen, ist Gold nur eine Last. Es hat fast keinen Gebrauchswert (sieht man vom Bedarf der Goldschmiede und Zahnärzte ab), es wirft keine Rendite ab, sondern verursacht nur Kosten. Wer will, kann allenfalls darauf bauen, dass das Sicherheitsbedürfnis der Anleger weiter wächst, dass die Notenbanken der Schwellenländer Gold kaufen und die Produktion aus geologischen Gründen begrenzt ist. All das addiert sich, theoretisch, zu steigenden Preisen.

In Wirklichkeit hat die Gold-Hausse nur am Rande mit solchen rationalen Argumenten zu tun. Die Zukunftsangst der Anleger ist seit Ausbruch der Finanzkrise umfassend. Und es betrifft nicht nur die Anleger. Die Furcht, alles könnte irgendwie zusammenbrechen, ist besonders unter jungen Menschen erschreckend ausgeprägt. Viele Propagandisten des Goldes schüren zusätzlich die Weltuntergangsstimmung.

Die einen sind überzeugt, dass unser Geldsystem vor dem Zusammenbruch steht, wenn die Welt nicht zum Goldstandard zurückkehrt, wie er vor dem Ersten Weltkrieg herrschte. Dazu wird es nicht kommen, aber das Thema bewegt die Phantasie unzähliger Experten, Laien und Ideologen. Andere wollen nur möglichst viel Gold mit möglichst hohen Margen verkaufen und machen sich die Träume und Albträume der Goldfanatiker zunutze.

Weltuntergangsstimmung kann ansteckend sein - und dann ist sie gefährlich. Politik wird irgendwann machtlos, wenn sich zum Beispiel der Glaube festsetzt, Europa sei in Sachen Griechenland hoffnungslos paralysiert, oder der Kongress in Washington werde nur noch von inkompetenten Zynikern beherrscht.

Nüchtern betrachtet hat die Gold-Hausse alle Anzeichen einer Spekulationsblase. Sie wird irgendwann platzen und viele Menschen werden viel Geld dabei verlieren. Wohl wahr, auf dieses Platzen warten die Experten schon lange, und bislang ist gut gefahren, wer sich auf die Irrationalität des Marktes einstellte und bei der Hausse mitmachte. Mittlerweise gibt es jedoch auch sehr gute politische und gesellschaftliche Gründe, auf das Ende der Goldspekulation zu hoffen.

© SZ vom 20.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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