Anlagebetrug: Suizid des Sohnes:Der Fluch des Namens Madoff

Einst informierte Mark Madoff die Polizei über die Betrügereien seines Vaters Bernard - nun beging er Suizid. Die Last, ein Mitglied dieses Familienclans zu sein, war zu schwer geworden.

Moritz Koch, New York

Das Weihnachtsgeschenk kam früher als gewöhnlich. 400 Dollar und eine Pinguin-Karte überreichte Mark Madoff noch am Freitag den Parkwächtern, bei denen er seit Jahren seinen Wagen abstellte. Am nächsten Morgen, genau zwei Jahre nachdem sein Vater Bernard wegen seines Jahrhundertbetrugs verhaftet worden war, hing der 46-Jährige leblos im Wohnzimmer seines New Yorker Appartements, eine Hundeleine um den Hals.

Anlagebetrug: Suizid des Sohnes: Vor zwei Jahren wurde Bernard Madoff verhaftet. An diesem Wochenende brachte sich einer seiner Söhne um.

Vor zwei Jahren wurde Bernard Madoff verhaftet. An diesem Wochenende brachte sich einer seiner Söhne um.

(Foto: AFP)

Nichts spricht derzeit dafür, dass Mark einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Es waren offenbar die Kapital-Vergehen seines Vaters, die ihn in den Selbstmord trieben. Die Last, ein Madoff zu sein, war zu schwer geworden. Scham, Wut und Furcht hatten das Leben unerträglich werden lassen.

Eine der größten Tragödien der Geschichte der Wall Street ist um einen Akt reicher. Mark war es, der mit seinem jüngeren Bruder Andrew am 10. Dezember 2008 die Polizei verständigte. Einen Tag zuvor hatte ihnen ihr Vater gestanden, dass seine milliardenschwere Vermögensverwaltung nichts anderes als "eine große Lüge" war.

Das Band des Vertrauens, das die Familie zusammenhielt, zerriss in diesem Moment. Mark und Andrew weigerten sich sogar, ein Dokument zu unterschreiben, das es ihm erleichtert hätte, bis zu seinem Gerichtsverfahren auf Kaution freizukommen. Auch den Kontakt zu ihrer Mutter Ruth stellten die beiden Söhne ein.

Bis heute gibt es keinen Beweis dafür, dass Mark und Andrew von den Betrügereien ihres Vaters wussten. Sie arbeiteten in der legitimen Brokerabteilung von Bernard Madoffs Firma Bernard L. Madoff Investment Securities. Doch immer kursierten Gerüchte an der Wall Street, die Staatsanwaltschaft wolle Anklage gegen sie erheben.

Die Verunsicherung über ein mögliches Strafverfahren setzte Mark stark zu, genau wie die nicht enden wollenden Madoff-Schlagzeilen in der Presse. Mark suchte einen neuen Job an der Wall Street, bewarb sich monatelang bei Banken. Vergebens. Als er schließlich erkannte, dass sein Nachname zum Schandfleck geworden war, beschäftigte er sich mit der Programmierung von Anwendungen für das iPad.

Der Treuhänder klagte gegen die Söhne

Freunde hatte er kaum noch. Auch sie hatten ihre Ersparnisse bei Bernard Madoff investiert - und zusammen mit tausenden anderen Investoren so gut wie alles verloren. Mark fühlte sich zu Unrecht angefeindet, verfolgt und verdammt. "Keiner will die Wahrheit hören", schrieb er noch kurz vor seinem Tod in einer E-Mail. Für seinen Anwalt Martin Flumenbaum steht fest, dass "Mark Madoff ein unschuldiges Opfer des monströsen Verbrechens seines Vaters" war, "das unter dem Druck der seit zwei Jahren gegen ihn erhobenen falschen Vorwürfe zusammengebrochen ist".

Doch selbst wenn man dem folgt, lässt sich nicht bestreiten, dass Mark und Andrew ihr Leben lang davon profitiert hatten, dass Bernard Madoff sich in den Kreis der angesehensten Finanziers der USA hinaufgaunerte. Ihr großspuriger Lebensstil war mit Scheingewinnen finanziert, die das Schneeballsystem ihres Vaters vorgetäuscht hatte.

Das jedenfalls behauptet der Treuhänder Irving Picard, der die Milliarden der geprellten Investoren eintreiben will und der Mark und Andrew vor wenigen Tagen verklagte. Auch gegen Ruth Madoff, die sich zu ihrer Schwester nach Florida zurückgezogen hat, erhebt er Forderungen, genau wie gegen Peter Madoff, Bernards Bruder und das bisher einzige Familienmitglied, gegen das wegen möglicher Verwicklungen in den Milliardenbetrug zudem strafrechtliche Ermittlungen laufen.

Besonders empört reagierte Mark offenbar darauf, dass Picard nicht davor zurückschreckte, auch seine minderjährigen Kinder zu verklagen. Ohnehin neigte Mark zu depressiven Gefühlsschwankungen. Am Ende war er zu zermürbt, um ihnen zu widerstehen.

Marks Tod ist nicht der erste Selbstmord, der auf Bernard Madoffs Verhaftung folgte. So hatte sich schon Ende Dezember 2008 der Investor Rene-Thierry Magon de la Villehuchet das Leben genommen. Doch der jüngste Akt der Tragödie ist eine brutale Erinnerung daran, dass die Wunden, die Madoffs eingestürztes Lügengerüst gerissen hat, noch lange nicht verheilt sind.

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