Anlageberatung:Die zwei Gesichter des Finanzberaters

Die Politik drängt Makler und Banker immer stärker, versteckte Provisionen offenzulegen. Die Branche ist empört.

C. Hoffmann und A. Mühlauer

Spekulanten sehen anders aus. Sparer, die Zertifikate der US-Bank Lehman gekauft haben und heute mit leeren Händen dastehen, sind keine Zocker. Im Gegenteil: Die meisten sind Rentner, die ihr Vermögen nicht aufs Spiel setzen wollten. Die Geldhäuser sollten ihre Ersparnisse sicher anlegen. Jetzt sind die Rentner Opfer der Finanzkrise geworden - und der schlechten Beratung durch ihre Bank. Die Bundesregierung drängt deshalb die Finanzbranche immer stärker, ihre teils versteckten Provisionen offenzulegen.

Finanzberater, dpa

Zum Wohl des Kunden oder der eigenen Tasche? Die versteckten Provisionen der Bankberater stehen in der Kritik.

(Foto: Foto: dpa)

Beim Buhlen der Berater um die Milliarden der Anleger haben die Kunden oft das Nachsehen; egal ob Wertpapiere oder Versicherungen verkauft werden, unabhängig davon, ob ein Großinstitut oder ein freier Makler am Werk war. "Allzu oft dient die Beratung nicht den Interessen des Anlegers", sagt Martin Weber, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Mannheim.

Kern des Problems ist die Entlohnung auf Provisionsbasis. Immer noch denken die meisten Anleger, dass Finanzberatung kostenlos ist. Das stimmt aber nicht, auch wenn der Berater keine Rechnung stellt. Geld verdient er erst, wenn der Kunde einen Fonds kauft oder eine Versicherung abschließt. Doch welcher Anleger weiß schon, dass ein Berater beim Kauf eines Fonds nicht nur den Ausgabeaufschlag, sondern jährlich noch rund die Hälfte der Managementgebühr erhält? Welcher Sparer hat sich jemals die versteckten Kosten auf Euro und Cent vorrechnen lassen, wenn er eine private Rentenversicherung abschließt?

Für Anleger bleibt zu wenig übrig

Die üblichen Provisionen gehen in die Tausende. "Ein Berater müsste fast ein Heiliger sein, um ausschließlich die Ziele des Anlegers zu verfolgen, statt Produkte zu verkaufen, an denen er selbst am meisten verdient", urteilt Weber. Es sei der schlechten Beratung anzulasten, dass die Finanzindustrie zu viel verdiene und für die Anleger zu wenig übrig bleibe. Denn die riskantesten Produkte bringen dem Vermittler das meiste Geld.

In der Finanzkrise haben nun auch Politiker erkannt, dass hier vieles falsch läuft. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) legte schon im vergangenen Herbst eine Studie vor, die sich mit der Qualität freier Finanzvermittler befasst. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Mehr als die Hälfte aller langfristigen Geldanlagen werden vorzeitig abgebrochen - meist mit hohen Vermögensverlusten.

"Schlechte Finanzberatung kostet die Deutschen im Jahr rund 30 Milliarden Euro", sagt Marco Habschick von der Beratungsfirma Evers und Jung, die das 200-Seiten-Werk erstellt hat. Das Vergütungssystem der Branche führe dazu, dass die Berater mehr am Verkauf von Produkten interessiert seien als an einer Beratung zum Wohle des Kunden. Sein Fazit: "Fehlleistungen sind eher die Regel als die Ausnahme."

2. Teil: Mögliche Konsequenzen

Um die Misere zu beenden, hat Aigner Konsequenzen gezogen. So gibt es jetzt eine Gesetzesvorlage, die vorsieht, die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche aus Falschberatung von drei auf zehn Jahre zu verlängern. Auch wird über eine Umkehr der Beweislast vor Gericht nachgedacht: Künftig soll der Bankberater beweisen, dass er den Kunden gut beraten und über alle Risiken aufgeklärt hat - und nicht umgekehrt.

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Verbraucherschützer gehen mit ihren Forderungen noch weiter. Die einfachste Lösung sehen sie in einer Beratung gegen Honorar - statt auf Basis meist versteckter Provisionen. Im Idealfall verzichten Makler komplett auf die oft üppigen Vertriebsprovisionen. Stattdessen zahlt der Kunde ein Honorar für die Dienstleistung. Üblich sind derzeit zwischen 100 oder 200 Euro je Stunde oder etwa 2000 Euro für eine Anfangsberatung. "Honorarberatung ist etwas für elitäre Kreise und elitäre Produkte", hält Norman Wirth vom AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen dagegen, einer Vereinigung unabhängiger Makler.

Trainiert im Umgang mit Widersprüchen

"Fragen Sie mal eine Aldi-Verkäuferin, ob sie 500 Euro für Anlageberatung ausgeben will!" Wirth ist dagegen, dass Honorarberatung verpflichtend wird. Ein solches Ansinnen hätte politisch auch keine Chance. In einer Umfrage des AfW unter allen Parteien im Bundestag wollte sich jedenfalls niemand für eine Abschaffung des Provisionsvertriebs starkmachen. Die Forderung, dass Berater und Makler alle Provisionen offenlegen müssen, findet dagegen breite Zustimmung.

Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fürchtet allerdings, dass eine Information über die Höhe der Provision nicht allen Anlegern helfen wird. "Berater werden trainiert, wie sie mit Widerspruch umgehen. Dann heißt es: Sie erhalten von uns auch ein Top-Produkt, das ist sein Geld wert."

"Populistische Studie"

Nauhauser fordert deshalb: "Schlechte Beratung muss dem Vermittler weh tun. Weh tut es, wenn er verklagt werden kann oder seine Lizenz verliert." Der Verbraucherschützer plädiert deshalb für eine Umkehr der Beweislast. Außerdem fordert er eine Zulassungspflicht für Finanzprodukte. Und schließlich solle der Staat dort, wo es um die Altersvorsorge geht, Maximalgebühren festsetzen, "damit die Abzockerei bei der Riester-Rente und anderem endlich ein Ende findet".

Die Makler laufen Sturm gegen solche Vorschläge. Die Aigner-Studie sei populistisch und führe zu einer undifferenzierten Diskreditierung aller Finanzvermittler, heißt es beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute. Auch Rolf-Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, warnt die Politik vor "Übereifer" aus falsch verstandenem Verbraucherschutz. Die Menschen würden keine Stundenhonorare von 100 Euro oder mehr zahlen. Von einer Umkehr der Beweislast hält Makler-Vertreter Wirth jedenfalls nichts: "Das kriminalisiert die ganze Branche."

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