Angst um den Euro:Trichet und das böse Omen Lehman

Der Euro taumelt - und nun? Mehr sparen, sagt Kanzlerin Merkel. Mehr Überwachung, sagt EZB-Präsident Trichet. Finanzminister Schäuble macht derweil konkrete Vorschläge.

Europas Finanzmärkte sind ins Wanken geraten, die Gemeinschaftswährung Euro steckt mittendrin in ihrer schärfsten Existenzkrise - und Schuld daran sind allzu ausgabefreudige Regierungen. Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank fordert nun mit drastischen Worten ein Ende der Schulden-Exzesse und einen "Quantensprung" in der Überwachung der Finanzpolitik.

Jean-Claude Trichet, Foto: dpa

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet fordert einen "Quantensprung" in der Überwachung der Finanzpolitik.

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Notwendig seien "wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt", sagte Trichet dem Magazin Spiegel. "Zweifelsohne" befinde man sich immer noch "in der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten", sagte er. "Wir erlebten und erleben wirklich dramatische Zeiten." Im Markt bestehe immer die Gefahr einer Ansteckung, sagte er dem Magazin. "Und es kann extrem schnell gehen, manchmal innerhalb weniger Stunden."

Für den EZB-Präsidenten ist die aktuelle Lage vergleichbar mit der Zeit kurz nach dem Beginn der Finanzkrise: "Die Märkte funktionierten nicht mehr, es war fast wie nach der Lehman- Pleite im September 2008." Daher müssten die Euroländer künftig ihre Haushalte in den Griff bekommen. Die EU-Regierungschefs hätten umfangreiche Sparprogramme zugesagt. "Sie haben sich verpflichtet, die Konsolidierung der Haushalte zu beschleunigen. Sie wissen, was auf dem Spiel steht", sagte Trichet.

Ex-Bundesbankchef Karl Otto Pöhl kritisierte indes das gewaltige Rettungspaket für schwache Euro-Länder als "Verstoß gegen alle Regeln". Es stehe "ausdrücklich im Vertrag über die Arbeitsweise der EU, dass kein Staat für die Schulden eines anderen haftet", sagte Pöhl dem Spiegel. "Was wir jetzt tun, ist genau das." Die EU hatte einen 750 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirm für schwache Euro-Länder beschlossen.

Außerdem sei die Europäische Zentralbank (EZB) "entgegen allen Schwüren und gegen das ausdrückliche Verbot in ihrer Satzung nun auch noch in die Staatsfinanzierung eingestiegen", sagte Pöhl.

Damit habe die Euro-Zone gewissermaßen "eine Garantie abgegeben für eine ganze Reihe von Schwachwährungen, die nie im Euro hätten aufgehen dürfen". Damit sei der Euro selbst in Gefahr, eine Schwachwährung zu werden.

Maßnahmen für mehr Haushalts-Disziplin

Um den Euro nachhaltig zu stabilisieren, arbeitet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) offenbar an einem umfassenden Konzept für die EU-Staaten. Es soll eine Schuldenbremse und einen Sachverständigenrat nach deutschem Vorbild enthalten. Bereits am kommenden Freitag wolle Schäuble in Brüssel entsprechende Maßnahmen in die dafür einberufene EU-Ratsarbeitsgruppe zur Reform der Währungsunion einbringen, die bis zum Herbst Ergebnisse liefern solle, berichtete die Wirtschaftswoche.

In diesem Zwölf-Punkte-Programm, das als Arbeitspapier von Experten des Finanzministeriums erstellt worden sein, verlangt Schäuble den Angaben zufolge unter anderem die Einrichtung eines festen Krisenbewältigungsrahmens für die Eurozone und eine objektive Überwachung der Nationalstaaten durch einen "Kreis unabhängiger Forschungsinstitute, bis hin zur Einrichtung eines Europäischen Sachverständigenrates".

Zur Disziplinierung schlägt der Bundesfinanzminister den Entzug des Stimmrechts eines Eurostaates "für mindestens ein Jahr" und Bußgelder vor, wenn dieses vorsätzlich gegen das europäische Wirtschafts- und Währungsrecht verstößt. Für den Notfall soll es künftig auch ein geordnetes Insolvenzverfahren für überschuldete Euro-Staaten geben.

Märkte in Aufruhr

Die Zeit drängt. Denn das Anfang Mai beschlossene 750-Milliarden-Euro-Rettungspaket kann die Märkte nicht beruhigen: Der Euro fiel am Freitag auf 1,2385 Dollar und damit den tiefsten Stand seit November 2008. Auslöser waren neben Zweifeln am Erfolg der rigiden Sparmaßnahmen in Europa neue Sorgen um den Zustand der spanischen Wirtschaft. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero räumte ein, die für 2011 angepeilte Wachstumsrate von 1,8 Prozent werde nicht erreicht.

Staatsschulden, Grafik: sueddeutsche.de
(Foto: Grafik: sueddeutsche.de)

Um die Gemeinschaftwährung zu stabilisieren, wird die EZB erstmals Anleihen bedrängter EU-Staaten aufkaufen. Dafür wird die Notenbank von zahlreichen Ökonomen und Politikern scharf kritisiert. EZB-Präsident Trichet verteidigte das Vorhaben. "Mitnichten haben wir den Staats- und Regierungschefs nachgegeben. Bei unserer Entscheidungsfindung fließt allein unsere eigene Beurteilung der Situation ein", sagte er dem Spiegel. "Wir hören nicht auf die "Empfehlungen" der Regierungen, Märkte und Tarifparteien." Auch die Sorge vor einer stark inflationären Wirkung wies er zurück: "Wir schöpfen die zusätzliche Liquidität wieder vollständig ab, jeden einzelnen Euro."

"Scheitert der Euro, scheitert mehr"

Auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann der Rettungsschirm nur eine vorläufige Lösung sein. "Das eigentliche Problem sind insbesondere die hohen Haushaltsdefizite in den Euro-Ländern", sagte Merkel der Süddeutschen Zeitung. Deutschland bestehe darauf, dass das "Problem bei der Wurzel angepackt werden muss, das heißt, dass die Länder die Staatsfinanzen in Ordnung bringen und sich um eine bessere Wettbewerbsfähigkeit bemühen müssen", sagte Merkel.

Zudem gehe es nicht nur um den Euro, betonte die Kanzlerin. "Es geht bei der Stärkung der gemeinsamen Währung darum, ob mit der Währungsunion die ganze europäische Idee ins Wanken gerät. Denn wir wissen: Scheitert der Euro, dann scheitert mehr." Die Kanzlerin forderte eine stärkere Verzahnung der Haushalts- und Wirtschaftspolitik in Europa. Dabei "dürfen nicht die Schwächsten die Entschiedenheit bestimmen, sondern die Stärksten, damit es gelingen kann", sagte die deutsche Regierungschefin.

Wegen der drohenden Ausweitung der Griechenlandkrise auf andere Länder hatten die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Rettungsschirm für in Not geratene Euro-Staaten beschlossen. Er sieht Kredite über bis zu 750 Milliarden Euro als mögliche Hilfen für angeschlagene Länder vor, Deutschland beteiligt sich mit 123 Milliarden Euro.

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