Süddeutsche Zeitung

Altersvorsorge:Die Riester-Räuber

Eine Studie belegt, dass Riester-Anbieter teils sehr hohe Gebühren berechnen. Die Kinderzulage geht schon für die Provision an den Verkäufer drauf.

Markus Zydra

Deutsche Sparer haben den Charme der Riester-Rente entdeckt. Rund zwei Millionen Verträge sind bis 31.März abgeschlossen worden. Das entspricht einer Verdoppelung binnen 18 Monaten, zeigen Daten des Fondsanbieter-Verbandes BVI.

Hoffentlich haben sich die Kunden vor ihrer Unterschrift gut informiert über die Vertragsdetails, denn die Qualitätsunterschiede der Angebote sind riesig. Das belegt eine aktuelle Studie der Frankfurt School of Finance&Management. Zudem mangelt es an Transparenz. "Es ist fast aussichtslos für Kunden, sich in den Vertragsunterlagen einen Überblick über die Gebühren zu verschaffen. Es ist zu komplex", sagt Uwe Wystup, Vorstand des Analysehauses Mathfinance und Professor für Quantitative Finance an der Frankfurt School.

Gebührenstruktur wichtig für Anlageerfolg

Er hat zusammen mit seinem Kollegen Andreas Weber vier repräsentative Beispiele von Riester-Rentenverträgen analysiert: "DWS Riester-Rente Premium", "Axa TwinStar Rente Invest", "Nürnberger Fondsgebundene Zulagen-Rente Doppel-Invest" und "Allianz Riester-Rente mit Fonds und Garantie". Die Untersuchung wurde von der DWS und der Axa in Auftrag gegeben und bezahlt. "Auf dem Markt gibt es noch bessere und auch schlechtere Produkte als diese vier", sagt Wystup, der Sparern den Abschluss einer Riester-Police empfiehlt, allerdings erst nach einem Beratungsgespräch mit einem unabhängigen Experten und der Lektüre von einschlägigen Testberichten.

Wie schwierig es ist, die Höhe der Gebühren zu erfassen, merkte Wystup selbst. "Nach meiner ersten Berechnung erklärte Axa, dass ich nicht die korrekten Daten gehabt hätte", sagt der Wissenschaftler. "Die mir dann gelieferten Gebührensätze, die durch jährliche Gutschriften niedriger ausfallen, werden dem Kunden bedauerlicherweise vertraglich nicht ausdrücklich mitgeteilt", so Wystup. "Dabei trägt die Gebührenstruktur entscheidend zum Anlageerfolg bei."

Die Untersuchung simulierte über einen Anlagehorizont von 35 Jahren die Verteilung des Kapitals, das bei Renteneintritt zur Verfügung steht. Es wurden optimistische, pessimistische und gemischte Szenarien durchgerechnet. Unterstellt wurde ein Monatsbeitrag von 100 Euro bei einem Jahresgehalt von 30.000 Euro. Dazu kommt die jährliche staatliche Zulage von 154 Euro plus 185 Euro für jedes Kind.

Die Studie betrachtete zwei Kundentypen: der eine ist kinderlos, der andere hat ein Kind im Alter von zwei Jahren. Deutlich wurde zum Beispiel, dass die Zulage für das Kind dem Kunden kaum zugute kommt, sondern als Provision abfließen. "Die Kinderzulage finanziert damit im Wesentlichen den Anbieter und kommt nicht dem Sparer zugute", sagt Wystup. Zur Erklärung: Um die Sparer zu unterstützen, gewährt der Staat Zulagen - für den Riestersparer selbst als auch für eventuell vorhandene Kinder.

In dem Fallbeispiel zahlt der Kunde je nach Produkt zwischen 42.000 Euro und 43.830 Euro ein- davon gehen jedoch satte Gebühren an den Anbieter. So kommt es, dass von den 42.000 Euro bei der DWS tatsächlich noch 39.743 Euro in das Produkt fließen. Beim Allianz-Angebot bleiben von 42.549 Euro noch 38.399 Euro, bei der Axa von 42.000 noch 37.292 Euro und bei der Nürnberger schrumpft der Anlagebetrag von 43.830Euro auf 36.890 Euro. Der Quotient aus eingezahltem und verwendetem Kapital schwankt damit zwischen 92,7 Prozent bei der DWS und 83,4 Prozent bei der Nürnberger. Je näher der Quotient bei 100 Prozent liegt, desto weniger Gebühren fallen an.

DWS und Axa schneiden bei Positiv-Szenarien am besten ab

Die Anlagestrategien und hier vor allem die Aktienquoten bei den vier Produkten unterscheiden sich erheblich. Das führt zu sehr unterschiedlichen Kapitalauszahlungen: Unterstellt man für die Laufzeit stark steigende Aktienmärkte ergeben sich Kapitalauszahlungen zwischen 128.000 und 234.000 Euro. Entwickeln sich die Börsen durchschnittlich, schwankt die Auszahlungssumme je nach Produkt zwischen 83000 und 121000 Euro. Würden die kommenden 35 Jahre vornehmlich von fallenden Kursen geprägt sein, dann liegen die Riester-Renten zwischen 61.000 und 69.000 Euro, so das Ergebnis der Studie, die im Internet eingesehen werden kann (http://www.mathfinance.com/wystup/papers/riesterrente_ver20080305.pdf).

DWS und Axa schneiden laut Studie bei den positiven Szenarien am besten ab, bei diesen Riester-Produkten gibt es auch die höchsten Aktienquoten. Das Angebot der Nürnberger ist ebenfalls sehr aktienlastig, die Rendite leide aber unter der hohen Gebührenstruktur.

Das Riester-Angebot der Allianz liegt gut im Rennen, wenn die Börsen schlecht abschneiden. Anleger müssen sich vor ihrer Vertragsunterschrift also für ein Szenario an den Finanzmärkten entscheiden. "Schwarzseher sind bei einem klassischen Versicherungsunternehmen gut aufgehoben", sagt Wystup.

Erst jüngst hatte das Fachmagazin Finanztest berichtet, dass mehr als elf Millionen Sparer lückenhafte und unverständliche Jahresmitteilungen über den Stand ihrer Riester-Verträge erhalten. Überprüft wurden die Jahresmitteilungen von 28 Verträgen. Kosten seien gut versteckt, keine einzige Gesellschaft liste auf, wie viel Geld sie dem Kunden im bisherigen Vertragsverlauf für Abschluss, Vertrieb und Verwaltung insgesamt in Rechnung gestellt hat.

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SZ vom 23.07.2008/hgn
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