Alternative Banken:"Bei uns passiert, was als unmöglich galt"

Lesezeit: 5 min

Ob Ökologie, fairer Handel, Kultur - oder Zinsen: Die weltgrößte Sozialbank Triodos will Ethik und gute Rendite miteinander vereinbaren. Top-Manager Frans de Clerck erklärt wie.

Caspar Dohmen

Die größte Sozialbank der Welt, Triodos, agiert neuerdings auch in Deutschland. Frans de Clerck, lange Vorstandschef und heute für die internationalen Aktivitäten der Bank verantwortlich, erklärt, warum sich ganz normale Banken inzwischen für die alternativen Institute interessieren und wie junge Kunden das Geschäft verändern.

"Wir greifen die Fragestellungen unserer Zeit auf": Triodos fühlt sich einem nachhaltigen Finanzergebnis verpflichtet, auch durch die Förderung erneuerbarer Energien. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Warum entstehen immer mehr Sozialbanken?

De Clerck: Wir greifen die Fragestellungen unserer Zeit auf. Hier fühlen wir uns als Pioniere.

SZ: Welche Fragestellungen meinen Sie?

De Clerck: Die Ökologie zum Beispiel, da ist der Klimawandel das größte Problem. Hinzu kommen Kleinstkredite in Entwicklungsländern, die so genannten Mikrokredite. Außerdem der faire Handel; beim Kaffee beträgt der Marktanteil in einzelnen Ländern fünf bis 15 Prozent. Da braucht man große Summen, um das zu finanzieren. Wir können Geld dafür zur Verfügung stellen. Und Kultur spielt eine wichtige Rolle, ob Musik, Theater, Bildende Künste. Vieles was in der Gesellschaft erneuert wird, findet dort statt, das fördern wir.

SZ: Ist das lukrativ?

De Clerck: Zuletzt lag unsere Rendite bei fünf Prozent. Wir haben die Hoffung, sie auf sieben Prozent steigern zu können.

SZ: Erwarten die Sparer bei Ihnen nicht eine niedrigere Rendite als bei herkömmlichen Banken?

De Clerck: Hmm. Am Anfang war das so. Die soziale Rendite war ihnen genug.

SZ: Und heute...

De Clerck: ... sagen junge Menschen, wir möchten eine gute Rendite und den sozialen Mehrwert. Das ist neu. Wir können das bedauern, aber nicht aufhalten. Wir möchten jeden Kunden zum Nachdenken über die Zinsfrage anregen, aber in der Praxis sehen wir, dass sie Menschen beide Ziele anstreben. Und es ist möglich, eine gute Rendite auf Spareinlagen zu zahlen und unsere Mission als soziale Bank zu erfüllen.

SZ: Wie unterscheidet sich Ihre Bank bei der Kreditvergabe von anderen?

De Clerck: Das erkläre ich am besten mit einem Beispiel. Eines Tages kam Rosas, eine internationale Truppe für modernen Tanz in Belgien zu mir. Die wollten ein industrielles Gebäude kaufen, Studios und eine internationale Schule einrichten. Sie fragten bei verschiedenen Banken an. Die Gespräche bei den traditionellen Banken drehten sich um den Wert des Gebäudes. Bei uns ging es um das, was sie tun wollen. Welche Gedanken machen sie sich über die Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Arbeit? Für uns war das am Wichtigsten, was für die anderen Banken nebensächlich war.

SZ: Wie wird die Bankenlandschaft in zehn Jahren aussehen und wo stehen Sozialbanken dann?

De Clerck: Die Bankenlandschaft ist auf einem Weg zu Größe und Internationalität. Es werden in Europa weitere große internationale Finanzkonzerne entstehen. Wir hoffen, dass diese Unternehmen teilweise Dinge übernehmen, die wir als soziale Banken angewendet haben.

SZ: Können Sie ein Beispiel nennen?

De Clerck: Vor 15 Jahren versuchte ich in Belgien, die Banker der Großbanken zusammenzubringen. Ich wollte über die Gestaltung des ersten ethischen Investmentfonds reden. Sie sagten, das ist unmöglich. Wenn wir einen ethischen Fonds haben, bedeutet das, dass alle anderen unserer Fonds unethisch sind. Heute gibt es in Belgien 51 ethische Fonds.

SZ: Was ist passiert?

De Clerck: Es gab ein allgemeines Interesse der Kunden. Sie wollten wissen, ob ihr Geld in Waffen oder Drogen steckt. All diese Sachen muss man auch untersuchen. So wurde SIRI gegründet. Die Einrichtung arbeitet international und prüft, wie börsennotierte Unternehmen mit sozialen und ökologischen Themen umgehen.

SZ: Wie haben die bewerteten Unternehmen reagiert?

De Clerck: Am Anfang wollten die Manager damit nichts zu tun haben. Aber das hat sich geändert. Pensionskassen, die ethisch investieren wollen, haben unsere Untersuchungen gekauft. Ich schätze, Pensionsfonds halten weltweit 15 Prozent aller Aktien. Damit haben sie gewaltigen Einfluss. Was wir im Kleinen mit Direktinvestitionen selbst machen, können wir auf einer anderen Ebene, über die Untersuchungen, in der übrigen Welt stimulieren. Wenn dann ein Weltkonzern wie Wal-Mart oder General Electric zum Beispiel alle Lkw auf Biobrennstoff umstellt, hat das eine größere Wirkung, als das, was wir mit unserer kleinen Bank bewegen können. Das ist zwar nicht direkt Social Banking, aber der Effekt ist ähnlich.

SZ: Manche sozialen Banken sind sehr klein und fokussiert auf die Kleinkreditvergabe in gewissen Gebieten. Wie wird sich diese Bankenlandschaft entwickeln?

De Clerck: Ich sehe viele Möglichkeiten. Es gibt genug Kunden, Projekte und soziale Unternehmer. Die Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, entwickeln sich und der Staat zieht sich zurück. Die Menschen übernehmen Verantwortung für die Entwicklung. Dafür brauchen sie Geld. Andererseits gibt es Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg viel Geld angesammelt haben. Viele sitzen auf Kapital, das sie 30 bis 40 Jahre lang gesammelt haben und fragen sich, was sie damit machen sollen. Deshalb wird unsere private Vermögensverwaltung wichtiger. Unsere Aufgabe ist es, beide Seiten zusammenzubringen. Zudem hoffe ich, dass die verschiedenen sozialen Banken stärker zusammenarbeiten werden. Trotz unterschiedlicher Wurzeln und Philosophien verbinden sie doch die gleichen Werte.

SZ: Scheuen Sie die Zusammenarbeit mit herkömmlichen Banken?

De Clerck: Nein, die verkaufen teilweise unsere Produkte, beispielsweise ABN Amro unseren grünen Fonds.

SZ: Einige Banken, Versicherungen oder Pensionsfonds sind sogar an Triodos beteiligt.

De Clerck:: Ja, heute liegen 37 Prozent der Anteile in den Händen solcher institutioneller Investoren wie der Rabobank. Dafür haben wir uns entschieden, um unser Kapital zu erhöhen. Aber kein Investor kann uns übernehmen. Unsere Unabhängigkeit ist durch eine holländische Stiftungskonstruktion garantiert.

SZ: Warum sind die institutionellen Investoren eingestiegen?

De Clerck: Bei uns passierte etwas, was sie beispielsweise wegen der Kosten und Risiken für unmöglich gehalten haben. Aber sie halten es wohl für das gesellschaftlich Richtige. Deshalb haben sie sich beteiligt. Es liegt sicher nicht an unserer Rendite.

SZ: Wo steht die Bank im Konkurrenzvergleich?

De Clerck: Wir sind die größte und einzige international arbeitende Sozialbank. Wir haben 320 Mitarbeiter in fünf Ländern, 100.000 Kunden und 10.000 Aktionäre. Neben der Bank gibt es noch die Fonds. Wir wachsen jährlich mit 20 bis 25 Prozent.

SZ: Welche Expansionspläne gibt es?

De Clerck: Wir beteiligen uns an der Gründung der New Ressource Bank of California. Man sagt immer, in Amerika passiert nichts. Wir denken, dort gibt es viele Menschen, die Änderungen wollen. Warum nicht über eine Bank? Kürzlich waren Japaner da, die in ihrem Land einen Ableger der Bank gründen wollen.

SZ: Wie geht es in Europa weiter, nachdem Sie zuletzt in Deutschland eine Niederlassung gründeten?

De Clerck: Wir wollen eine europäische Bank werden. Dahin ist der Weg noch weit. Bisher sind wir in Holland, Belgien, Spanien, Deutschland und Großbritannien. Fast jeden Tag gibt es Nachfragen aus weiteren Ländern. Wir haben aber nicht die Mittel, um alle Länder zugleich aufzubauen.

SZ: Warum ist Ihnen Wachstum so wichtig?

De Clerck: Die Projekte unserer Kunden werden größer, ob im Biohandel oder Energiesektor, aber auch bei den Nichtregierungsorganisationen. Wir folgen. Anfangs haben wir über Kleinkredite gesprochen, heute finanzieren wir je Projekt bis zu 20 Millionen Euro.

SZ: Welches Verhältnis hat Triodos zu den Nichtregierungsorganisationen?

De Clerck: Wir suchen eine stärkere internationale Zusammenarbeit. Wenn wir mit Greenpeace oder Oxfam arbeiten, finanzieren wir nicht nur deren Gebäude, sondern kooperieren strategisch. Wir haben mit beiden Organisationen Sparprodukte entwickelt, bei denen die NGO einen Vorteil hat, wenn sie Geld bei uns anlegt. Sie erhält eine jährliche Kommission. Oder die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Bei einer internen Diskussion über den Umgang mit dem Bankwesen kam sie zu dem Schluss, dass sie eine ethische Bank wollte, um glaubwürdig zu sein. Wer in Belgien Mitglied von Amnesty wird, bekommt einen Brief, in dem vorgeschlagen wird, Geld bei Triodos anzulegen.

SZ: Wie sind Sie selbst Social-Banker geworden?

De Clerck: Ich habe über zwanzig Jahre bei herkömmlichen Banken gearbeitet. Bis der Moment kam, wo ich mir viele Fragen über das übliche Geldwesen stellte. Wie ist es möglich, dass das Geld eingesetzt wird, nur um Profit zu machen? Wie kann es sein, dass Banker nur Techniker sind?

© SZ vom 29.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: