Allianz: Diekmann:"Wir finanzieren gerade die nächste Finanzblase"

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Allianz-Chef Michael Diekmann über Parkuhren in Chicago, globale Gefahren, unerträgliche Boni und die Klagen seines Vaters.

M. Beise, A. Hagelüken und M. Hesse

Die Allianz kauft Parkuhren in Chicago. "Ein ideales Investment", schwärmte Vorstandschef Michael Diekmann den Redakteuren der Süddeutschen Zeitung beim Interview in der Münchner Zentrale vor. Der größte Versicherungskonzern Europas legt Wert auf sichere Anlagemöglichkeiten. Aus dem Kasino-Kapitalismus der vergangenen Jahre hat sich die Allianz frühzeitig verabschiedet. Deswegen ist Diekmann für sein Haus sicher: Altrisiken werden nicht überraschend auftauchen.

Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann: "Diese Verdammung des Aktionärs, zu der wir immer mehr kommen, halte ich für total falsch." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Diekmann, alle Welt schimpft über die Banker. Angenehm, oder? Dabei haben Versicherer wie Sie auch stark von den Bankenrettungen durch die Steuerzahler profitiert.

Diekmann: Wir haben alle davon profitiert, dass viel Geld in den Markt kam. Wir werden auch alle dafür bezahlen.

SZ: Alle? Die Finanzbranche kam doch bei den Rettungsaktionen gut weg und die Steuerzahler tragen die Hauptlast. Wäre nicht eine Sondersteuer für große Finanzkonzerne gerecht?

Diekmann: Jede Zusatzabgabe für die Unternehmen ginge zulasten der Belegschaft und der Kundschaft. Auch Sonderabgaben der Banken würden letztlich nur deren Produkte verteuern.

SZ: Oder den Gewinn verringern. Das wäre den Aktionären doch zumutbar.

Diekmann: Diese Verdammung des Aktionärs, zu der wir immer mehr kommen, halte ich für total falsch. Wir deutsche Unternehmen sind abhängig davon, dass uns Aktionäre Kapital zur Verfügung stellen. Sonst schrumpfen wir, auch zu Lasten der Mitarbeiter und der Bedeutung der deutschen Volkswirtschaft. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass Aktionäre selbstverständlich für unternehmerische Fehlentscheidungen einstehen. Ich kann aber nur davor warnen, pauschal die Aktionäre zu belasten. Kapital wandert sehr schnell.

SZ: Ist es noch so? Hat die Krise nicht gezeigt, dass Deutschland ein relativ sicheres Land ist, während Geld in anderen Teilen der Welt schnell verbrannt ist?

Diekmann: Es gibt unterschiedliche Anlagehorizonte. Wir versuchen stark, langfristige Investoren zu binden. Der Hauptteil des Geldes liegt aber nach wie vor bei kurzfristigen Investoren. Selbst jede Allianz-Aktie wechselt im Schnitt zweieinhalb Mal im Jahr den Besitzer, andere Aktien noch schneller.

SZ: Das heißt doch, dass die Finanzwelt aus der Krise nichts gelernt hat.

Diekmann: Wissen Sie, warum sich nichts geändert hat? Es ist sehr viel billiges Geld dort draußen. Die Investoren können dadurch höhere Risiken eingehen. Wir finanzieren gerade die nächste Finanzblase. Die Banken sollten mehr Risiken im Kundengeschäft eingehen, anstatt mit dem billigen Geld Eigenhandel zu betreiben, der letzten Endes keinen Wert schafft.

SZ: Begünstigt die Politik der Europäischen Zentralbank solches Verhalten?

Diekmann: Ich glaube, dass die EZB die Absicht hat, das zu verhindern, aber die Fakten sind andere. Man sieht ja, dass es für Banken billiger ist, Geld bei der EZB zu leihen als Spareinlagen zu gewinnen. Man muss dafür sorgen, dass auch das Kreditgeschäft für Banken attraktiv ist und nicht nur der riskante Eigenhandel.

SZ: Wie?

Diekmann: Die EZB sollte 2010 langsam die Zinsen erhöhen. Derzeit hört man häufig, dass wir uns auf eine lange Tiefzinsphase einstellen müssen. Das ist die falsche Ansage. Eines ist mir noch wichtig: Blasen entstehen nicht einfach durch anonyme Investoren. Es ist die Renditeerwartung aller Anleger, die die Märkte treibt. Mein Vater ruft mich alle paar Tage an und klagt, die 1,75 Prozent, die er auf seine Anlage mit Tagesgeld und ein paar Unternehmensanleihen derzeit bekommt, seien nicht so doll.

Auf der nächsten Seite erklärt Michael Diekmann, warum Parkuhren ein ideales Investment sind.

SZ: Hat der Anleger Diekmann die Aufwärtsentwicklung am Aktienmarkt dieses Jahr verschlafen?

Diekmann: Ich habe im letzten Jahr in Allianz-Aktien investiert und bin mit der Entwicklung sehr zufrieden.

SZ: Aber Sie haben ein Klumpenrisiko, zu viel auf eine Anlage gesetzt.

Diekmann: Damit kann ich leben, weil ich an den Erfolg der Allianz glaube.

SZ: Wie geht die Allianz als einer der größten globalen Kapitalanleger vor?

Diekmann: Erstens suchen wir sichere Anlagemöglichkeiten mit attraktiven Renditen. Zweitens suchen wir Anlagen, die bilanziell weniger sensitiv auf die aktuelle Kursentwicklung an den Kapitalmärkten reagieren. Deshalb investieren wir verstärkt in alternative Investments wie Immobilien, Private Equity und Infrastruktur im weitesten Sinne. Beispielsweise haben wir einen Vertrag mit Chicago abgeschlossen, wo wir zusammen mit verschiedenen Konsortialpartnern über eine Milliarde Dollar in Parkuhren investieren und dafür über Jahrzehnte stabile Einnahmen erhalten.

SZ: Im Ernst? Sie investieren in Parkuhren statt Aktien?

Diekmann: Ja, das ist ein ideales Investment. Die Verzinsung liegt zwischen sieben und zehn Prozent.

SZ: Wie stehen die Versicherer im dritten Jahr der Finanzkrise da? Gibt es noch Risiken, die wir nicht kennen?

Diekmann: Nein. Die Allianz hat sich rechtzeitig entschieden, geringe Risiken einzugehen und sich von den meisten strukturierten Produkten verabschiedet.

SZ: Ist der Preis für diese stabile Verfassung, dass die Kunden immer weniger Verzinsung bekommen?

Diekmann: Wenn ein Versicherer stark ins Risiko geht und das danebengeht, schlagen alle auf ihn ein. Wenn es an der Börse gut läuft und er den Aufschwung verpasst, wird ihm das auch vorgeworfen. Wir sind ein langfristiger Investor und müssen versuchen, ein ausgewogenes Mittel zu finden. Die Teuerung ist derzeit sehr niedrig, deshalb ist unsere Gewinnbeteiligung von 4,3 Prozent plus Überschussbeteiligung nicht schlecht, finde ich.

SZ: Darüber läßt sich angesichts der hohen Gebühren streiten. Und können Sie das Niveau auch bei dauerhaft niedrigen Zinsen überhaupt halten?

Diekmann: Selbst bei einem langfristig noch niedrigeren Zinsniveau könnten wir beispielsweise in Deutschland unserem Leistungsversprechen für über 15 Jahre nachkommen. Die Regulierungsproblematik ist nun folgende: Wenn wir Ihnen über 50 Jahre ein Zinsversprechen machen, wäre ein höherer Aktienanteil ideal. Aber die diskutierten neuen Bilanzierungsstandards des International Accounting Standards Board (IASB) würden uns zwingen, Aktien bei sinkenden Kursen täglich abzuschreiben, obwohl wir die Aktien lange halten. Damit wären wir immer dann gezwungen, Aktien zu veräußern, wenn die Kurse unter Druck kommen. Das ist genau das prozyklische Verhalten, das wir nicht wollen. In der vorgeschlagenen Form sind die IASB-Regeln kontraproduktiv.

SZ: Was wäre die Folge dieser Regeln?

Diekmann: Die Gefahr ist, dass sich institutionelle Anleger immer mehr aus dem Aktienmarkt zurückziehen werden - gerade jene also, die es sich wegen ihres langfristig ausgerichteten Geschäftsmodells leisten können, in die auf kurze Sicht riskantere Anlageform Aktie zu investieren. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass auch Kredite immer schwerer zu bekommen sind, frage ich mich schon, wo genug Kapital herkommen soll, um die Industrie zu finanzieren.

Auf der nächsten Seite: Michael Diekmann über China und Boni-Exzesse.

SZ: Wie ändert sich die Finanzwelt?

Diekmann: Vor allem auf China sollten wir achten. Wir sehen im Moment eine tektonische Verschiebung der Finanzwelt. Rund die Hälfte der nach Börsenkapitalisierung zehn größten Finanzinstitute der Welt kommen aus China.

SZ: Wir haben den Eindruck, dass sich westliche Banker weniger um die chinesische Konkurrenz kümmern als um ihre eigenen Gehälter. Es gibt die Tendenz zu den alten Exzessen.

Diekmann: Diese Boni-Exzesse sind unerträglich. Aber auch schwer in den Griff zu bekommen, wenn man nicht auch rigoros andere Finanzfirmen wie Hedgefonds kontrolliert. Banker sind sehr mobil. Die Geldhäuser sagen, sie seien aber auf genau diese klugen Köpfe angewiesen und müssen entsprechend bezahlen. Wir brauchen einen Mittelweg.

SZ: Was heißt das?

Diekmann: Das Problem hat zwei Seiten. Allianz-Vorstände verdienen im internationalen Vergleich gar nicht so viel, weil wir uns am deutschen Umfeld messen. Es ist schwierig, ausländische Spitzenkräfte für den Vorstand zu gewinnen.

SZ: Wirklich?

Diekmann: Es gibt Leute bei uns, die bleiben lieber Länderchef, als ihr Gehalt offenzulegen, wie es bei Vorständen Pflicht ist. Das schafft große Probleme im privaten Umfeld. Auf der anderen Seite muss man natürlich verhindern, dass es falsche Anreize gibt. Das Schwierige im Investmentbanking ist ja, dass im Voraus bezahlt wird und sich die Risiken und Verluste erst später zeigen...

SZ: ... die dann der Steuerzahler trägt.

Diekmann: Das gilt ja für staatliche Banken schon immer. Bei den Privatbanken hat die US-Regierung an den Bankenrettungen bisher eher verdient. Auch der deutsche Rettungsfonds Soffin wird wohl dieses Jahr Gewinne machen. Hören wir doch auf mit dieser Polarisierung, die im Moment überall stattfindet.

SZ: Ist das ein Wunder? Manager wie Sie sind doch nur glaubwürdig, wenn sie Exzesse im eigenen Haus beseitigen, ehe sie die Welt verbessern wollen.

Diekmann: Aber die Frage, was ein Exzess ist, ist relativ. Wahrscheinlich finden Sie mein Gehalt auch exzessiv.

SZ: Sie verdienten 2008 brutto 3,8 Millionen Euro - eine stolze Summe. Was würden Sie denn als Exzess bezeichnen?

Diekmann: Die von Ihnen genannte Summe wird in einem Jahr ausgewiesen, verteilt sich dann aber über mehrere Jahre. Zugegeben: es ist ein gutes Gehalt. Exzessiv finde ich, wenn in Amerika manche Banker 100 Millionen Euro Antrittsprämie bekommen. So etwas gibt es in Deutschland nicht. Aber bei manchen Abfindungen fragt man sich, wofür Manager solche Summen bekommen. Das ist nicht zu rechtfertigen.

SZ: Denken Sie an Fälle wie den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der 50 Millionen Euro kassierte?

Diekmann: Ich spreche nicht über einzelne Personen. Aber ich finde es schade, dass die gute deutsche Unternehmenskultur durch ein paar Ausnahmefälle Schaden nimmt und damit alle Manager diskreditiert werden.

© SZ vom 19.12.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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