Es war der vielleicht wichtigste Satz in seinem Leben. "Ich habe furchtbar viele Fehler gemacht", sagte Alan Greenspan 2010 vor einem Kongressausschuss zur Finanzkrise. Nun wird der langjährige Präsident der amerikanischen Notenbank Fed an diesem Sonntag 85 Jahre alt, und im hohen Alter haben viele Menschen den Drang, rückblickend Versäumnisse einzuräumen.
"70 Prozent meiner Entscheidungen waren richtig, die restlichen 30 Prozent haben zu der Finanzkrise beigetragen."
(Foto: REUTERS)Bei Greenspan ist das Eingeständnis dennoch bemerkenswert, man kann es als eine Art Vermächtnis an all diejenigen begreifen, die ihm viele Jahre lang an den Lippen hingen und blind vertrauten: Denn Greenspan galt als Mann, der keine Fehler macht. Und das bedeutete damals: überhaupt keine.
Wer sich die Mühe macht, das Pressearchiv zu durchstöbern, findet ellenlange Elogen auf diesen kauzig wirkenden Notenbankpräsident, die nur einen Schluss nahelegten: Mit diesem Mann am Dollar-Automaten gesundet die Welt. Nun denn, wir wissen, dass es anders kam und Greenspan, der einstige "Magier", sagte "mea culpa", so etwas in der Art zumindest. Denn Eindeutigkeit ist seine Stärke nie gewesen, darum schränkte er ein: "70 Prozent meiner Entscheidungen waren richtig, die restlichen 30 Prozent haben zu der Finanzkrise beigetragen."
Schleusen weit geöffnet
Greenspan hat in seiner Amtszeit von 1987 bis 2006 die Zinsen mal erhöht und mal gesenkt. In den entscheidenden Phasen allerdings hat er die Geldschleusen weit geöffnet. Als die amerikanische Börse im Oktober 1987 an einem Tag 20 Prozent fiel, da versorgte er die Märkte ausreichend mit Geld, um eine Rezession zu verhindern. Die Fed ermutigte die Banken damals auch, die nicht solventen Firmen weiter zu stützen. Anders als etwa die Deutsche Bundesbank und später die Europäische Zentralbank, will die Fed nicht nur den Geldwert stabil halten, sondern auch die Wirtschaft stützen.
Ab Mitte der neunziger Jahre hat Greenspan die Welt meist mit billigen US-Dollar beglückt, und im Zuge der langen Niedrigzinspolitik schien ihm etwas zu gelingen, was eigentlich nicht gelingen kann: Endloses Wirtschaftswachstum, ganz ohne Inflation. Greenspan setzte den Wirtschaftszyklus von Aufschwung und Rezession außer Kraft. In Amerika war fast immer Aufschwung, das führte aber dazu, dass sich manche Firmen am Markt halten konnten, die eigentlich nicht wettbewerbsfähig waren. Das billige Geld ermöglichte jedwede Refinanzierung - oder Überschuldung.
Die niedrigen Zinsen führten auch dazu, dass Kapital an die Finanzmärkte floss. Dort lockten schnelle Renditen, viel schneller zumindest als in der Realwirtschaft, wo der Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens viel Geduld erfordert. Die Inflation verschob sich an die Finanzmärkte, wo die Preise exorbitant anstiegen. Die Geldentwertung in der realen Wirtschaft blieb über die Jahre immer gering. Das lag auch daran, dass der smarte Notenbanker die Warenkörbe immer neu definiert hat - Produkte mit starken Preisschwankungen flogen raus. Das wussten alle, doch kaum jemand störte sich daran. Es waren eben neue Zeiten mit neuen Regeln.
Außerdem galten die niedrigen Inflationsraten als Argument für anhaltend niedrige Zinsen. Das hat aber die amerikanische Schuldenorgie stimuliert. Privathaushalte konnten sich ein Haus kaufen, Unternehmen ihre Expansion finanzieren und der Staat Wahlgeschenke verteilen. Wenn Geld nichts kostet, dann wird es mit großen Händen verteilt.
Greenspan hat den amerikanischen Banken immer signalisiert: "Im Ernstfall rette ich euch". Dieses unausgesprochene Versprechen wurde als "Greenspan-Put" bezeichnet. Der Put ist eine Verkaufsoption - die US-Banken hatten immer die Option, ihre Probleme an die amerikanische Notenbank abzugeben.