AIG: Skandal um Bonuszahlungen:Wehe denen, die nicht Buße tun

AIG-Chef Edward Liddy erklärt im US-Kongress die umstrittenen Bonuszahlungen. Derweil schlägt seinen Mitarbeitern der blanke Hass der Öffentlichkeit entgegen.

M. Koch, New York

Edward Liddy hatte sich seine Argumentation sorgsam zurecht gelegt. Als Treueprämien rechtfertigte der AIG-Chef die Bonuszahlungen, die Amerika seit Tagen in Rage versetzen.

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AIG-Chef Liddy muss vor dem US-Kongress die umstrittenen Bonuszahlungen erklären.

(Foto: Foto: AFP)

Der Konzern müsse seine Finanzspezialisten halten, um ebenso riskante wie komplexe Spekulationsgeschäfte zu entwirren, behauptete Liddy vor dem Kongress. Also seien die Boni letztlich im Interesse der Nation. Wenn sie gezahlt würden, steige die Chance, dass der Staat das Geld zurückbekomme, mit dem er den einst weltgrößten Versicherer vor dem Kollaps bewahrt hatte. Insgesamt 170 Milliarden Dollar hat die Rettung von AIG bis heute gekostet, Tendenz steigend.

Nun kommt heraus: 52 Mitarbeiter, die am vergangenen Freitag auf Kosten der Steuerzahler Prämien für ihre vermeintliche Treue kassierten, haben den Konzern bereits verlassen. Elf davon erhielten zum Abschied mehr als eine Million Dollar. Ein Sturm der Entrüstung braut sich in Washington zusammen.

Liddy war nicht zu beneiden, als er am Mittwoch im Kongress Rede und Antwort stehen musste. Eigene Gier konnten die Abgeordneten ihm zwar nicht vorwerfen. Der Vorstandschef arbeitet seit seinem Antritt im September 2008 für das Symbolgehalt von einem Dollar pro Jahr.

Allerdings muss sich der 64-Jährige ein katastrophales Krisenmanagement vorhalten lassen. Die Brisanz der Boni hatte er offenbar völlig unterschätzt. Vor allem unter den Demokraten wurden Rufe nach seinem Rücktritt laut. Liddy war noch von der republikanischen Vorgängerregierung angeheuert worden.

"Gierige Bastarde"

Das Interesse an Liddys Auftritt war enorm. Die Nachrichtenkanäle kannten kein anderes Thema mehr. An die AIG-Angestellten gerichtet titelte das Boulevard-Blatt New York Post: "Nicht so schnell, ihr gierigen Bastarde."

Liddy zeigte Verständnis für die Empörung: "Ich teile die Wut. Bei AIG wurden Fehler gemacht in einem Ausmaß, das kaum einer für möglich gehalten hatte." Liddy sagte, er habe seine Mitarbeiter aufgefordert, zumindest 50 Prozent ihrer Boni zurückzuzahlen. Der Manager wirkte angeschlagen, fast eingeschüchtert. Er hat schwere Tage hinter sich. Seine Familie erhielt anonyme Drohungen. Aus Sorge um die Sicherheit seiner Mitarbeiter lehnte es Liddy auch ab, die Namen der Bonusbezieher zu nennen.

Finanzminister Timothy Geithner kündigte nun an, AIG zu verpflichten, dem Staat das Geld zurückzuzahlen, das als Boni ausgeschüttet wurde. Darüber hinaus will Geithner die Prämiensumme von einer 30-Milliarden-Dollar-Überweisung abziehen, welche die Regierung erst vor wenigen Wochen beschlossen hatte, um AIG zu stützen. Der Konzern soll für seine Bonuszahlungen also doppelt büßen.

Die Empörung ist deshalb so groß, weil die Prämien ausgerechnet an jene Hasardeure ausgezahlt wurden, die den Konzern in den Abgrund gerissen haben. Im Jahr 2008 verzeichnete AIG einen Verlust von fast 100 Milliarden Dollar, nie zuvor in der globalen Wirtschaftsgeschichte hat ein Unternehmen so viel Geld verloren.

Waghalsige Wetten

Verantwortlich dafür waren waghalsige Wetten der Finanzsparte. Das Unternehmen hatte auf einen stabilen Immobilienmarkt gesetzt, und zwar mit mehr Geld, als es besaß. Doch die Häuserpreise stürzten ab, die Wette ging schief, und nun müssen die Bürger die Zeche zahlen. Seit Liddys Amtsantritt konnte AIG bereits gefährliche Transaktionen im Wert von einer Billion Dollar entschärfen. Dennoch finden sich in den Büchern des Konzerns noch Risiken von mehr als 1,6 Billionen Dollar, die Schritt um Schritt abgebaut werden müssen. Geschäftspartner von AIG waren Investoren in der ganzen Welt. Ein Großteil der Staatshilfen musste der Versicherer daher sogleich an Banken und Hedgefonds weiterreichen.

Eine Kettenreaktion auf den globalen Märkten konnte die amerikanische Regierung mit den Steuermilliarden verhindern. Doch die Bevölkerung honoriert das kaum. Die große Mehrheit der Wähler lehnt Hilfen für die Wall Street ab und insbesondere für AIG. Offener Hass schlägt dem Konzern entgegen. Einzelne Filialen haben Wachen angeheuert.

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