Affäre um Weltbanker:Strauss-Kahn tritt als IWF-Chef zurück

Am Ende wurde der Druck zu groß: Dominique Strauss-Kahn ist als Chef des Internationalen Währungsfonds zurückgetreten. Der Franzose sitzt in New York in Untersuchungshaft, weil er versucht haben soll, ein Zimmermädchen zu vergewaltigen - die Vorwürfe hat er erneut zurückgewiesen. Seine Anwälte starten an diesem Donnerstag einen neuen Versuch, den Weltbanker gegen Kaution freizubekommen.

Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), tritt zurück. Das teilte der IWF am Mittwoch (Ortszeit) in Washington mit. Strauss-Kahn soll versucht haben, ein Zimmermädchen zu vergewaltigen. Er sitzt in New York in Untersuchungshaft. Wie der IWF weiter mitteilte, schrieb Strauss-Kahn einen formalen Brief an den Fonds. Er sei "unendlich traurig", seinen Rücktritt erklären zu müssen, heißt es in dem Brief. "Ich denke in diesem Moment zuerst an meine Frau, die ich mehr als alles andere liebe, an meine Kinder, meine Familie, meine Freunde", so Strauss-Kahn. Er bestreite weiter entschieden alle Beschuldigungen gegen ihn (Strauss-Kahns Erklärung im Wortlaut finden Sie hier).

File photo of IMF chief Dominique Strauss-Kahn appearing in Manhattan Criminal Court during his arraignment in New York

Strauss-Kahn bei einer Anhörung in New York: Nun hat der Franzose seinen Rücktritt vom Vorsitz des Internationalen Währungsfonds erklärt.

(Foto: Reuters)

Strauss-Kahns sitzt seit Montag in Untersuchungshaft auf der Gefängnisinsel Rikers Island in einer Einzelzelle ein. Seine Anwälte unternehmen an diesem Donnerstag einen neuen Versuch, ihren Mandaten gegen Kaution auf freien Fuß zu kommen. Bis zu einem Prozess müsste der Franzose dann aber auf jeden Fall in New York bleiben. "Wir haben Bedingungen zugesagt, die alle Bedenken zerstreuen können, dass Mr. Strauss-Kahn die Stadt verlässt", erklärten die Anwälte. "Und wir hoffen, ihn umgehend von Rikers Island zu holen."

In dem Antrag wird wie im ersten eine Million Dollar Kaution und das Tragen einer elektronischen Fußfessel angeboten. Zudem wird noch Hausarrest vorschlagen: Der 62-Jährige solle im Haus seiner Tochter Camille untergebracht werden, die in New York studiert. Laut Gerichtsunterlagen händigte Strauss-Kahn bereits seinen Pass aus. Über den zweiten Kautionsantrag soll um 14:15 Uhr Ortszeit entschieden werden.

Am Montag hatte Richterin Melissa Jackson abgelehnt, Strauss-Kahn gegen eine Kaution von einer Million Dollar vorerst auf freien Fuß zu setzen. Auch in diesem Antrag hatte Strauss-Kahn versichern lassen, er würde bei seiner in den USA lebenden Tochter bleiben und notfalls eine elektronische Fußfessel tragen. Das Gericht hatte eine Freilassung aber abgelehnt. Bei dem vermögenden und international vernetzten IWF-Chef bestehe Fluchtgefahr.

Unterdessen untersuchen US-Ermittler den Teppich im Hotelzimmer, in dem Strauss-Kahn ein Zimmermädchen zum Oralsex gezwungen haben soll, nach Spermaspuren. Französische Zeitungen berichten, dass ein Überwachungsvideo aufgetaucht sei. Es zeige zuerst das Zimmermädchen, dass offenbar in Panik aus dem Raum stürme. Wenig später verlasse auch Strauss-Kahn das Hotelzimmer, den Angaben zufolge "in Hast". Nur wenig später war der 62-Jährige aus der Ersten Klasse eines Air-France-Flugzeugs geholt worden, das nur Minuten später Richtung Europa abheben sollte.

Mutmaßliches Opfer vor Grand Jury

Die US-Ermittler sagten der Nachrichtenagentur AP, neben der Suche nach DNS-Spuren werde auch die Schlüsselkarte des Zimmermädchens überprüft. Es soll festgestellt werden, ob sie diese gebraucht habe, um das Hotelzimmer zu betreten, und wie lange sie sich in der Suite aufgehalten habe. Mit den Ergebnissen der DNS-Tests sei allerdings erst in einigen Tagen zu rechnen.

Das mutmaßliche Opfer hat am Mittwoch bereits überraschend vor der Grand Jury ausgesagt. Der Fernsehsender CNN berichtete, dass die 32-Jährige abgeschirmt in New York vernommen wurde. Die Grand Jury hat letztlich zu entscheiden, ob es zu einem Prozess gegen den Franzosen kommt. Über die Aussage vor der Kammer wurde zunächst nichts bekannt.

Ursprünglich sollte die Grand Jury an diesem Freitag zum ersten Mal zusammentreten. An dem Tag läuft die Frist für die Staatsanwaltschaft ab, Anklage gegen Strauss-Kahn zu erheben. Das 32-jährige Zimmermädchen aus dem westafrikanischen Staat Guinea ist laut Polizei glaubwürdig. "Natürlich spielt die Glaubwürdigkeit der Klägerin eine Rolle in Fällen wie diesem", sagte Polizeikommissar Raymond Kelly. Die Beamten seien entsprechend ausgebildet.

Spekulationen um Kahn-Nachfolge

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hat den inzwischen erfolgten Rücktritt des IWF-Chefs als alternativlos bezeichnet. "Irgendetwas Unappetitliches" sei an der Affäre dran, was auch immer die wirkliche Story sei, sagte Sinn dem Bayerischen Rundfunk. Sinn erwartet von einer Neubesetzung des Postens auch Auswirkungen auf die Lösung der momentanen Schuldenkrise in Europa. Der IWF habe unter Strauss-Kahn "sehr großzügig" bei Griechenland geholfen.

"Herr Strauss-Kahn wurde in Griechenland als Held gefeiert, weil er das Portemonnaie so weit aufgemacht hat", sagte Sinn. "Und weil er es aufgemacht hat, konnten es die Europäer dann auch tun, da ist eine Verkoppelung." Sinn führte dies auch auf französische Interessen zurück, die künftig weniger einflussreich sein dürften: "Wer auch immer der Nachfolger wird - wenn es nicht gleich wieder ein Franzose ist -, wird da eine restriktivere Politik haben."

Am Mittwoch hatte Strauss-Kahn auch den Rückhalt der USA verloren: US-Finanzminister Timothy Geithner forderte offen eine Übergangslösung für die Spitze des Währungsfonds. Strauss-Kahn sei "offensichtlich nicht in der Lage" den Währungsfonds zu lenken, so Geithner.

In der Frage um einen möglichen Nachfolger hat der niederländische Notenbankgouverneur Nout Wellink EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ins Spiel gebracht. Der Ende Oktober aus dem Amt scheidende Trichet wäre ein "´phantastischer Kandidat", sollte Strauss-Kahn zurücktreten, sagte Wellink im niederländischen Fernsehen.

Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler sprach sich für Ex-Bundesbankchef Axel Weber aus: "Axel Weber wäre als 'Falke' in dieser schwierigen Zeit der richtige Kandidat", sagte das FDP-Bundesvorstandsmitglied der Online-Ausgabe des Handelsblattes. "Geradlinig, ordnungspolitisch sauber und international anerkannt, wäre er ein Glücksfall für dieses wichtige Amt." Die französische Regierung hat ihre Finanzministerin Christine Lagarde als Nachfolgerin ins Gespräch gebracht. Auch ihr schwedischer Kollegen Anders Borg hält die Französin für eine gute Wahl.

Schwellenländer wie China und Brasilien kritisieren derweil die Regelung, dass der IWF-Chef aus Europa kommen muss. China unterstrich den Anspruch der Schwellenländer auf die Spitzenposition: Die Auswahl eines Kandidaten sollte auf Kriterien wie Leistung, Transparenz und Fairness basieren, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums bei einer Pressekonferenz. "Im Prinzip glauben wir, dass Schwellen- und Entwicklungsländer in Spitzenpositionen vertreten sein sollten", sagte sie.

Auch Brasiliens Finanzminister Guido Mantega bekräftigte die Haltung seiner Regierung nochmals. Der nächste IWF-Chef solle auf Grundlage seiner Eignung und nicht seiner Nationalität ausgewählt werden, schrieb Mantega in einem Brief an seine Kollegen in der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer. Er müsse auch eine größere Zahl an Mitgliedsländern repräsentieren und Befürworter einer Reform des IWF sein. Zugleich warnte Mantega davor, die Nachfolge-Diskussion zu hastig voranzutreiben.

Chiles Notenbankchef José De Gregorio forderte Strauss-Kahn dagegen offen zum Amtsverzicht auf. "Ich denke, er sollte zurücktreten", sagte De Gregorio der Financial Times. Auf den nächsten IWF-Chef warten große Herausforderungen. Ein Ende der europäischen Schuldenkrise ist noch lange nicht in Sicht, und auch in den USA verschärft sich die Haushaltslage kontinuierlich. In vielen Schwellenländern dagegen wächst wegen des rasanten Wirtschaftswachstums der Inflationsdruck.

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