Abzocke am Geldautomaten:50 Euro abheben, zehn Euro zahlen

Wer bei einer fremden Bank Geld holt, wird zur Kasse gebeten. Bis zu zehn Euro müssen Kunden zahlen. Für wen es richtig teuer wird - ein Überblick.

Harald Freiberger

Die Gebühren für das Abheben an fremden Geldautomaten schießen in immer irrwitzigere Höhen. Inzwischen gibt es in Deutschland zehn Banken, die von ihren Kunden dafür zehn Euro verlangen, ergab eine Erhebung der FMH-Finanzberatung bei 200 Banken, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt (siehe Grafik). Auch wenn ein Kunde zum Beispiel nur 50 Euro abhebt, werden die Zusatzkosten von zehn Euro fällig.

Abzocke am Geldautomaten: Sehen Sie hier, welche Bank bei ihren Kunden am meisten abkassiert. Bei den angegebenen Gebühren handelt es sich um die Höchstpreise. Beim Abheben von einzelnen Banken können die Gebühren niedriger sein.

Sehen Sie hier, welche Bank bei ihren Kunden am meisten abkassiert. Bei den angegebenen Gebühren handelt es sich um die Höchstpreise. Beim Abheben von einzelnen Banken können die Gebühren niedriger sein.

(Foto: SZ-Graphik: Hartmann, Fotos: Photothek, Quelle: FMH-Finanzberatung)

Vier Bargeld-Pools

Im Durchschnitt stiegen die Gebühren allein seit der letzten Erhebung vor einem halben Jahr um 13 Prozent - von damals fünf Euro auf jetzt 5,64 Euro. "Dieser dramatische Anstieg ist für Bankkunden nicht länger hinnehmbar", sagt Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. Die einzelnen Bankengruppen trügen ihren Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Kunden aus. Pauli kündigte Konsequenzen bis hin zu Abmahnungen und Klagen an, sollten die Banken ihr Gebaren nicht ändern.

Solange ein Kunde beim eigenen Verbund bleibt, ist Geldabheben für ihn kostenlos. Es gibt in Deutschland vier Bankengruppen, die sich zu Bargeld-Pools zusammengeschlossen haben.

Die größte Gruppe sind die Sparkassen mit 25.700 Automaten, die Genossenschaftsbanken verfügen über 18.600 Automaten, die großen Privatbanken wie Deutsche Bank, Hypo-Vereinsbank und Commerzbank bilden einen Pool mit 7000 Automaten, und einige kleinere Privat- und Direktbanken haben sich zu einem Verbund mit 2500 Automaten zusammengetan. Außerdem gibt es die Direktbank ING-Diba mit 1500 eigenen Automaten, die meist an Aral-Tankstellen stehen.

Der Streit zwischen diesen Gruppen um die Bargeldversorgung hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschärft. Im Kern geht es um einen Konflikt zwischen Banken mit vielen Filialen und Geldautomaten wie Sparkassen und Volksbanken auf der einen Seite und den Direkt- und Internetbanken, die kaum über Filialen verfügen, auf der anderen Seite.

Entgelt ohne Limit

Der Sparkassenverband wirft den Direktbanken "Trittbrettfahrerei" vor. Sie könnten für ihre Kunden eine sichere Bargeldversorgung nur mit Hilfe von Wettbewerbern aufrecht erhalten, die ein teures Filialnetz aufgebaut hätten und unterhalten müssten. Den Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist es ein Dorn im Auge, dass Kunden von Direktbanken zu ihnen zum Geldabheben kommen. Andererseits aber verlieren sie bei der Geldanlage viele Kunden an eben jene Direktbanken, weil diese häufig bessere Zinsen bieten - was sie wiederum nur können, weil sie kein teures Filialnetz unterhalten müssen.

Aus diesem Grund sind gerade Filialbanken dazu übergegangen, von Fremdbanken deutlich höhere Preise zu verlangen, wenn deren Kunden an ihren Automaten Geld abheben. Diese sogenannten Interbankenentgelte sind seit 2002 üblich - und gleichzeitig die Wurzel allen Übels. Denn vorher gab es eine Vereinbarung zwischen den Bankengruppen; an jedem Geldautomaten war angezeigt, was das Abheben von Fremdkunden kostet. Über viele Jahre betrug diese Gebühr in Deutschland einheitlich vier D-Mark. Diese Vereinbarung wurde 2002 gekündigt, eine neue kam nicht mehr zustande.

Das Ergebnis war, dass von nun an die einzelnen Banken voneinander Interbankenentgelte ohne Limit eintreiben konnten. Manche Banken, so die Sparkasse Laubach-Hungen oder die Raiffeisenbank Biberach, verlangen dafür heute von anderen Banken 20 Euro - pro Abhebevorgang. Um nicht draufzuzahlen, hoben die Gegenbanken ihrerseits die Gebühren für ihre Kunden an. "Eine Bank holt es sich von der anderen, und diese holt es sich am Ende vom Kunden", kritisiert Verbraucherschützer Pauli. Das sei wie eine Strafgebühr, für die es keinen Gegenwert gebe.

Auf dem Rücken der Verbraucher

"Angesichts der Tatsache, dass die Bereitstellung von Bargeld etwa 60 Cent pro Vorgang kostet, bereichern sich die Banken in erheblichem Ausmaß an den Kunden anderer Häuser", sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. Seiner Ansicht nach ist wegen der verwirrenden Vielfalt der Entgelte und der wucherartigen Margen das Verbraucherministerium gefordert - "möglichst nicht nur mit einem gut gemeintem Appell an die Verantwortung der Banken", sagt er. Die Preise kämen nicht durch Angebot und Nachfrage zustande, das marktwirtschaftliche Gleichgewicht sei massiv gestört, sagt auch Verbraucherschützer Pauli. "Deshalb muss das Kartellamt hier eingreifen und der Preisspirale ein Ende bereiten."

In dem Streit gibt es inzwischen auch eine Reihe von Gerichtsurteilen. Meist klagten Direktbanken dagegen, dass ihrer Meinung nach Sparkassen den Zugang zu Geldautomaten behinderten. Ein sogenanntes Hauptsacheverfahren, das die Angelegenheit grundsätzlich klärt, steht jedoch noch aus.

Manche Direktbanken empfahlen ihren Kunden zuletzt, am Geldautomaten anderer Institute die Kreditkarte zu nutzen. Dafür dürfen die Banken untereinander nur 1,74 Euro berechnen. Doch inzwischen akzeptieren mehr als 80 Sparkassen keine Visa-Karten von bestimmten Fremdkunden mehr, fand die Stiftung Warentest kürzlich heraus. "Der Konflikt muss gelöst werden, es muss einen kostenmäßig vernünftigen Ausgleich zwischen Filialbanken und Direktbanken geben", fordert Verbraucherschützer Pauli. Es könne jedenfalls nicht sein, dass der Streit weiter auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen werde.

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