US-Spitzenpolitiker Frank:"Werden Reiche stärker besteuern"

US-Politiker Barney Frank erklärt, wie er den Haushalt sanieren will - und warum Amerika seine Truppen aus Europa abziehen muss.

Nikolaus Piper

Barney Frank ist einer der einflussreichsten Politiker Washingtons. Der linke Demokrat leitet den Bankenausschuss des Repräsentantenhauses und bereitete in dieser Funktion maßgeblich die Reform der Finanzmarktregulierung in den USA vor - ein Problem, dessen Lösung nun nach der Klage der Börsenaufsicht SEC gegen die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs noch dringender wird. Im SZ-Interview sagt er voraus, dass die Demokraten im Kongress den Widerstand der Wall-Street-Lobby überwinden und der Finanzbranche strengere Regeln aufzwingen werden. Zudem fordert er, dass die Vereinigten Staaten ihre Truppen aus Westeuropa und anderen Teilen der Welt zurückziehen. Nur so lasse sich das amerikanische Haushaltsdefizit begrenzen.

Barney Frank, Foto: AP

US-Politiker Barney Frank fordert, dass die USA ihre Truppen aus Westeuropa und anderen Teilen der Welt zurückziehen sollen.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Congressman Frank, können Sie deutschen Zeitungslesern erklären, warum es unter Amerikanern so viel Hass auf die Demokraten und Präsident Barack Obama gibt?

Barney Frank: Ich wollte, ich könnte Ihnen dafür eine befriedigende Erklärung geben. Es gibt eine starke rechte Gruppe, die aus religiösen Fundamentalismus heraus handelt. Die Leute fühlen sich bedroht. Sie denken, dass dies ihr Land ist und dass sie es verlieren an Schwule, Abtreibungsbefürworter, Leute, die nicht in die Kirche gehen und manchmal auch an Nichtweiße, also an Afroamerikaner und vor allem an Latinos. Die Leute haben Angst vor dem kulturellen Wandel.

SZ: Die Lage der Wirtschaft spielt bei dem Ärger keine Rolle?

Frank: Die Wirtschaftskrise verschärft dies alles. Präsident Obama hatte das Pech, genau in dem Augenblick sein Amt antreten zu müssen, als die Lage am Schlimmsten war. Jetzt wird es allmählich besser, aber die Menschen rechnen es ihm nicht an.

SZ: Die Demokraten müssen im Herbst auf jeden Fall mit einer schweren Wahlniederlage rechnen.

Frank: Wir werden zwar nicht gewinnen, aber wir werden unsere Verluste begrenzen können. Der Arbeitsmarkt bessert sich und im Herbst dürfte das Aktienvermögen der Amerikaner wieder ungefähr so viel wert sein wie vor der Krise. Das wird uns helfen.

SZ: Gibt es in dem aufgeheizten politischen Klima Washingtons überhaupt eine Chance, Konsequenzen aus der Finanzkrise zu ziehen und die notwendige Neuregulierung der Finanzmärkte zu beschließen?

Frank: Ja. Wir werden Ende Mai oder Anfang Juni ein Gesetz im Kongress verabschieden und den Präsidenten zur Unterzeichnung vorlegen. Bei diesem Thema nützt der verbreitete Unmut der Amerikaner über ihre Lage den Demokraten. Das Gesetz verfolgt ja das Ziel, die großen Finanzinstitute zu begrenzen, also jene, die die ganze Misere verursacht haben. Die Republikaner tun momentan noch so, als helfe das Gesetz in Wirklichkeit der Wall Street, aber diese Rhetorik wird nicht verfangen. Die Leute merken ja, dass die großen Banken das Gesetz verhindern wollen. Daher werden genügend Republikaner von der Parteilinie abweichen und mit uns stimmen.

SZ: Was ist der Kern des Gesetzes?

Frank: Wir werden zum Beispiel die Verbriefung von Krediten einschränken. Bis jetzt ist es möglich, Geld zu verleihen und den Kredit sofort komplett weiterzuverkaufen. Deshalb kümmern sich die Banken nicht mehr um die Zahlungsfähigkeit der Schuldner. Künftig werden die Verleiher einen Teil der Kredite in ihren Büchern behalten müssen. Wir werden die Vorschriften für die Kapitalreserven der Banken verschärfen. Es wird eine neue Regelung für den Fall eingeführt, dass eine Bank scheitert. Bisher gibt es nur zwei Alternativen, wenn ein Institut zusammenzubrechen droht: Entweder übernimmt der Staat alle Schulden oder er übernimmt gar keine. Im ersten Fall wird eine gefährliche Abwärtsspirale ausgelöst, im zweiten setzt der Staat falsche Anreize. Die Banker denken, Sie werden immer gerettet und verhalten sich entsprechend. Durch das Gesetz bekommen die Behörden die Möglichkeit, einen Teil der Schulden zu begleichen, aber nur, nachdem die Bank aufgelöst wurde und deren Aktionäre ihr Vermögen verloren haben.

SZ: Gibt es ausreichend internationale Zusammenarbeit bei dem Thema?

Frank: Die Zusammenarbeit mit Europa ist überraschend gut.

SZ: Europa und die USA werden wirklich einen Konsens finden?

Frank: Ja. Heute weiß jeder, was passiert, wenn man die Finanzmärkte nicht vernünftig reguliert. Wenn Sie große Unterschiede in der Regulierung zwischen einzelnen Ländern haben, dann wandert das Kapital dahin, wo es am bequemsten ist. Die Versuchung für ein Land, Wettbewerbsvorteile durch laxe Regulierung zu gewinnen, wird mittlerweile durch das Wissen darüber aufgewogen, dass so die Regulierung überall ausgehöhlt wird.

"Wir müssen Ausgaben kürzen"

SZ: Es gibt aber doch klare Unterschiede. Die Europäer wollen Hedgefonds schärfer regulieren, die Amerikaner und Briten nicht.

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Untergang

Frank: Das stimmt so nicht. Wir werden von allen Hedgefonds verlangen, dass sie sich bei der Börsenaufsicht SEC registrieren. Die SEC kann dann von einem Fonds verlangen, dass er zusätzliches Kapital aufnimmt, wenn sie es für nötig hält. Wir haben bei der SEC den Antrag gestellt, dass exzessive Leerverkäufe durch Hedgefonds eingeschränkt werden.

SZ: Trotzdem hatte die amerikanische Regierung gegen die Pläne der EU für Hedgefonds protestiert.

Frank: Die EU hatte erwogen, ein System für die Regulierung von Hedgefonds aus dem Ausland einzuführen, das sowohl wir als auch Großbritannien als diskriminierend empfanden. Aber die Differenzen sind weitgehend verschwunden.

SZ: Also wird es beim nächsten Treffen der G-20 im Juni in Kanada ein konkretes Ergebnis geben?

Frank: Ja.

SZ: Auf dem G-20-Gipfel wird es auch darum gehen, die Ungleichgewichte in der Welt auszugleichen. Der Beitrag der USA muss darin liegen, ihr Haushaltsdefizit wieder auf ein erträgliches Niveau zu senken. Ist Washington heute noch dazu in der Lage?

Frank: Ja, wir müssen das erreichen. Wir werden Reiche stärker besteuern, und zwar nicht nur Superreiche, sondern Leute, die mehr als 200.000 Dollar im Jahr verdienen. Wir müssen auch Ausgaben kürzen. Dabei werde ich mich auf einen sehr wichtigen Punkt konzentrieren, und das sind unsere überzogenen Militärausgaben. Während des Kalten Krieges war Amerika für 26 Prozent aller militärischen Aktivitäten in der Welt verantwortlich, heute sind es 41 Prozent. Viele reden über die Unverhältnismäßigkeit der USA, aber wir sind nirgends so unverhältnismäßig wie beim Militär. Wenn wir hier kürzen, und unsere Freunde in Europa werden nervös, dann gibt es eine einfache Lösung: Sie können selbst mehr ausgeben. Allerdings glaube ich nicht, dass es dafür einen Grund gibt. Vor wem wollten sie sich fürchten? Ich habe keine Ahnung, weshalb wir antiballistische Raketen in Polen und Bulgarien aufstellen.

SZ: Weil diese Länder sich durch Russland bedroht fühlen und solche Raketen haben wollen.

Frank: Dann sollen sie dafür bezahlen. Aber es gibt ja keine reale Bedrohung. Ich kann den psychologischen Hintergrund verstehen, aber das alles kostet einfach zu viel Geld. Die Europäer wollen eine starke militärische Präsenz Amerikas. Warum? Die EU hat zusammengenommen genauso viel ökonomische Kraft wie die USA. Und sie ist sicher in der Lage, ein paar mehr Kampfjets zu bauen.

SZ: Wir haben wenig Erfahrung mit der Lösung internationaler Konflikte.

Frank: Dann erwerben Sie sich welche.

SZ: Es waren die USA, die den Krieg im früheren Jugoslawien beendet haben.

Frank: Es stimmt, unsere Bilanz auf dem Balkan ist positiv. In anderen Fällen sieht es nicht so gut aus. Ich sehe jedenfalls keine Rolle für amerikanische Truppen in Europa. Die Europäer sagen: Verbündete müssen sich gegenseitig verteidigen. Ich antworte: Dann schicken Sie uns europäische Truppen nach South Dakota. Oder Polizisten nach El Paso, an die Grenze zu Mexiko.

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