Steuervorschlag der SPD:"Populistisches Wahlkampfgetöse"

300 Euro Bonus, und dafür keine Steuererklärung: Warum der SPD-Vorschlag nicht zur Entbürokratisierung taugt und was das wahre Anliegen der Sozialdemokraten ist, erklärt Reiner Holznagel vom Bund der Steuerzahler.

Melanie Ahlemeier

Reiner Holznagel ist Bundesgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler mit Sitz in Berlin.

Steuervorschlag der SPD; Montage: sueddeutsche.de, Fotos: dpa, ddp

Die SPD möchte allen Bürgern einen 300-Euro-Bonus zahlen, die auf eine Steuererklärung verzichten, und die neben ihrem Lohn keine weiteren Einkünfte beziehen.

(Foto: Montage: sueddeutsche.de, Fotos: dpa, ddp)

sueddeutsche.de: Herr Holznagel, die SPD möchte einen Lohnsteuerbonus von 300 Euro gewähren - ist das ein sinnvoller Vorschlag?

Reiner Holznagel: Das ist populistisches Wahlkampfgetöse erster Klasse. Die SPD eröffnet damit das Haschen nach Wählerstimmen über Steuergeschenke. Der Vorschlag macht aus unserer Sicht gar keinen Sinn. Es ist bizarr, wie das Thema lanciert und auf welchem Niveau hier diskutiert wird.

sueddeutsche.de: Das Argument der Sozialdemokraten lautet Entbürokratisierung. Wie viele Anträge auf Einkommensteuererklärung gehen denn jedes Jahr bei den deutschen Finanzämtern ein?

Holznagel: Nach der letzten Lohn- und Einkommensteuerstatistik aus dem Jahr 2004 sind es 26,3 Millionen Anträge, wobei zu beachten ist, dass Ehepaare, die gemeinsam veranlagt sind, auch nur einmal gezählt werden.

sueddeutsche.de: Die Steuerbehörden sollten sich nicht mit denjenigen beschäftigen, die kaum Einkommen hätten, weil sich dort der hohe Verwaltungsaufwand nicht lohne, sagt SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner. Was wollen die Sozialdemokraten mit ihrem Vorschlag in Wirklichkeit erreichen?

Holznagel: Die SPD möchte diesen Vorschlag als Beitrag zur Entbürokratisierung verkaufen. Tatsächlich möchte sie aber den Finanzämtern Kapazitäten freiräumen, damit die Reichen viel intensiver geprüft werden können. Wer für die SPD allerdings als reich gilt, bleibt völlig offen.

Angemerkt sei aber, dass derzeit ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von mehr als 52.000 Euro mit dem Höchststeuersatz besteuert wird. Mit diesem Vorschlag will die SPD jedenfalls keine Vereinfachung des Steuerrechts erreichen. Es geht ihr schlicht und ergreifend darum, dass die sogenannten kleinen Fische, die eh nichts abwerfen, in Ruhe gelassen werden. Die großen Fische sollen hart und intensiv geprüft werden. Das ist eine Ungleichbehandlung, die nicht akzeptabel ist.

sueddeutsche.de: Und so lässt sich mehr Steuergerechtigkeit schaffen?

Holznagel: Nein, dieser SPD-Vorschlag ist dafür nicht geeignet. Er birgt zudem auch viele Schwächen. Zunächst einmal kauft sich der Staat mit einer Prämie in Höhe von 300 Euro von der Verpflichtung zur Prüfung der Steuererklärung frei. Damit kann dem einzelnen Steuerzahler unter Umständen eine Steuerstattung entgehen, die höher als 300 Euro ausfällt. Außerdem sind die Rahmenbedingungen, wer alles betroffen sein könnte, noch völlig offen. Zudem gibt es Steuerzahler, die zu einer Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sind, beispielsweise wenn sie Kurzarbeitergeld beziehen. Diese Steuerzahler sind dann eindeutig benachteiligt.

sueddeutsche.de: Würde sich eine stärkere Prüfung der "großen Fische" für den Staat denn rentieren?

Holznagel: Niemand kann hier belastbare Zahlen nennen. Anscheinend glauben aber einige Vertreter der SPD, wie Herr Stegner, dass Steuerhinterziehung im großen Stil durchgeführt wird. Deswegen wurde ja dieser Vorschlag gemacht, da man glaubt, die sogenannten Reichen noch häufiger prüfen lassen zu können. Mit dieser ungerechtfertigten Unterstellung werden leider alle Steuerzahler unter Generalverdacht gestellt. Das finde ich sehr bedenklich.

sueddeutsche.de: Wie hat sich die Steuermentalität der Deutschen in den vergangenen Jahren gewandelt?

Holznagel: Die Steuerzahler sind ehrlicher geworden. Man muss grundsätzlich sagen, dass die Deutschen zum größten Teil ihre Steuern ehrlich und pflichtbewusst bezahlen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Aber eine Studie hat gezeigt, dass Steuerhinterziehung nicht als Kavaliersdelikt angesehen und in der Bevölkerung auch geahndet wird. Insofern kann man sagen, dass sich die Steuermentalität in den vergangenen Jahren verbessert hat.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie das öffentliche Vorführen prominenter Steuersünder die Steuermoral beeinflusst und warum die Politik mit der Wirtschaftskrise überfordert ist.

Die Hilflosigkeit der Politik im Kampf gegen die Krise

sueddeutsche.de: Inwiefern wirkt sich das öffentliche Vorführen prominenter Steuersünder, wie beispielsweise Klaus Zumwinkel, auf die Steuerehrlichkeit aus?

Steuervorschlag der SPD: Reiner Holznagel: "Der Vorschlag macht gar keinen Sinn."

Reiner Holznagel: "Der Vorschlag macht gar keinen Sinn."

(Foto: Foto: oH)

Holznagel: Das hat mit Sicherheit Auswirkungen. Das Bewusstsein für die Strafen und Konsequenzen, die Steuerhinterziehung mit sich bringt, wurde geschärft. Der Staat hat deutlich gemacht, dass die Justiz gut funktioniert - ganz gleich ob der Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel, Boris Becker oder Lieschen Meier heißt. Allerdings war das mediale Vorführen von Herrn Zumwinkel und die gesamten Prozessumstände inakzeptabel. Auch in Sachen Steuerhinterziehung gilt bis zum Gegenteil die Unschuldsvermutung.

sueddeutsche.de: Die Parteien überbieten sich mit Steuerkonzepten - zeigt das nicht vielmehr die Hilflosigkeit der Politik im Kampf gegen die Wirtschaftskrise?

Holznagel: Steuerkonzepte sind in Zeiten des Wahlkampfes immer populär. Allerdings wird hier häufig nur Kosmetik betrieben. Wir haben gezeigt, dass die sogenannte Mitte seit 1990 in keinster Weise entlastet wurde. Deshalb ist es an der Zeit, eine wirkliche Reform des Einkommensteuertarifs vorzunehmen. Ziel muss die nachhaltige Entlastung der Steuerzahler sein.

Diese Chance hat die Bundesregierung im Zuge der Konjunkturpakete verpasst. Vielmehr hat man sich darauf konzentriert, einzelne Maßnahmen zu entwerfen und Geld zu verteilen. Ich glaube, dass sich die Politik im Kampf gegen die Wirtschaftskrise insgesamt überschätzt. Und zwar in dem, was sie bewegen kann und wie sie der Krise entgegenwirken kann. Die Politik überfordert sukzessive den Steuerzahler. Nicht der Staat zahlt die Zeche, sondern der Steuerzahler der Zukunft. Wir stellen fest, dass der Staat Bedürfnisse zu regeln versucht, ohne ein konzeptionell ganzstaatliches Handeln an den Tag zu legen.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie genau?

Holznagel: Bei der Verzichtsprämie ist es wie mit der Abwrackprämie - es entsteht eine Ungerechtigkeit zu Lasten anderer, die diese Prämien bezahlen müssen. Die Bundesregierung sollte sich lieber auf die Kernkompetenzen des Staates konzentrieren. Das beste Mittel gegen die Krise wären umfangreiche Steuerentlastungen.

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