Schuldenkrise in Europa:IWF soll solide Staaten gegen Ansteckung impfen

Wenn die Europäer es allein nicht packen, muss der Internationale Währungsfonds eine größere Rolle in der Schuldenkrise spielen. Die G20-Länder haben bei ihrem Gipfel nun offenbar beschlossen, dass der IWF neue kurzfristige Kreditlinien vergeben soll, um solide wirtschaftende Staaten vor den Folgen der Krise abzuschirmen. Außerdem soll der Fonds den Aufpasser für Berlusconi spielen.

Europa hilft dem Schuldensünder Griechenland, aber wer hilft den soliden Staaten, die vor der Krise zittern? Offenbar der Internationale Währungsfonds (IWF). Die G-20-Länder haben auf ihrem Gipfel im französischen Cannes beschlossen, dass der IWF künftig kurzfristige Liquiditätskredite ausgeben kann, um Länder vorbeugend vor einer Ansteckung durch Finanzkrisen zu schützen. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur - und bestätigt damit ähnlich lautende Berichte von Financial Times und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

International Monetary Fund President Lagarde gestures as she arrives for the second day of the G20 Summit in Cannes

Kämpft mit den Regierungen der Euro-Staaten gegen die Schuldenkrise: IWF-Chefin Christine Lagarde in Cannes.

(Foto: REUTERS)

Der IWF verfügt bereits über zwei Formen von Kreditlinien, sie laufen allerdings mindestens ein Jahr. Die neue Variante soll nur sechs Monate laufen. Der Financial Times zufolge sollen Zugriff auf die Liquiditätskredite nur Länder haben, die bis auf wenige Schwächen eine gute Wirtschaftspolitik und solide Fundamentaldaten vorweisen können. Das Blatt sieht darin eine Beruhigungspille für Schwellenländer wie Russland oder Brasilien. Sie beschweren sich seit längerem, dass der IWF so viel Geld in EU-Staaten pumpt. Grundsätzlich ist es allerdings so, dass jedes Mitglied des Währungsfonds Kredite in Anspruch nehmen kann - egal aus welcher Weltregion.

Insbesondere Italien soll laut Financial Times aber eben kein Recht auf diese Kreditline haben. Gedacht sei das Programm für bystanders der Krise - das englische Wort bezeichnet eigentlich Unbeteiligte, die zufällig bei einem Verbrechen verletzt oder getötet werden. Im Kontext der Schuldenkise heißt das: Nur solche Staaten sollen die neuen Kreditlinien in Anspruch nehmen können, die solide gewirtschaftet haben, aber dennoch von der Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten betroffen sind. Ansonsten könnten sie nur schwer an frisches Geld kommen. Ein Land wie Italien käme demnach nicht in Frage, weil die Regierung von Silvio Berlusconi als mitverantwortlich gilt für den hohen Schuldenstand des Landes von 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Die FAZ berichtet hingegen, die Liquiditätslinie könnte auch in Ländern des Euroraums Anwendung finden. Regierungen sollen demnach sogenannte Sonderziehungsrechte erhalten - und so an Geld in Höhe von bis zu 500 Prozent ihres Kapitalanteils am Währungsfonds kommen können. Für Italien könnte sich das auf rund 45 Milliarden Euro belaufen, für Spanien auf bis zu 23 Milliarden Euro.

Der nächste Wackelkandidat

Ohnehin wird Italien künftig aber offenbar mehr mit dem IWF zu tun haben: Das Land hat sich Berichten zufolge bereit erklärt, sein Reform- und Sparprogramm künftig auch vom Währungsfonds bewerten lassen. Bislang hatte nur die EU-Kommission den Auftrag, die Reformschritte zu überwachen. Aus italienischen Regierungskreisen hieß es beim Gipfel in Cannes, so solle Vertrauen an den Märkten geschaffen und die Finanzierung der Schuldenlast erleichtert werden.

Italien gilt nach Griechenland, Portugal und Irland als nächster Wackelkandidat in der Schuldenkrise. Wegen des schwachen Wirtschaftswachstums hat Ministerpräsident Berlusconi weniger Geld, um die Schulden abzutragen. Sein persönliches Schicksal hat er mit der Lösung der Krise verbunden: Innerhalb der nächsten zwei Wochen will er dem Parlament die Vertrauensfrage stellen.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters wies ein EU-Vertreter das Gerücht zurück, dass das Land eine der vorsorglichen Kreditlinie benötige. Das sei keine gute Option. Hauptproblem Italiens sei nicht kurzfristig fehlendes Ged, sondern der Mangel an Vertrauen an den Märkten.

Entscheidungen zu weiteren Krediten werden bis Freitagmittag in Cannes erwartet. Dort haben sich die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer versammelt. Erwartet werden nicht nur Reaktionen auf das Regierungschaos in Griechenland, sondern auch Beschlüsse zu Themen wie der strikteren Regulierung der Finanzmärkte, um künftigen Krisen vorzubeugen.

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