Schlechte Beratung:Anleger verlieren Milliarden bei der Altersvorsorge

Ob Riester-Rente oder Lebensversicherung: Verbraucher erleiden mit diesen Anlagen jährlich einen Schaden von mindestens 50 Milliarden Euro, schätzen Experten. Und das sei noch "eher konservativ" gerechnet.

Von Daniela Kuhr

Eine 60-Jährige, die eine Riester-Rente abschließen soll, ein Student, dem eine Lebensversicherung aufgeschwatzt wird, oder ein Familienvater, der in hochriskante Zertifikate investieren soll - durch schlechte Beratung und dubiose Finanzprodukte erleiden Anleger allein in Deutschland jährlich einen Schaden in Höhe von mindestens 50 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Schadenshöhe sei "eher konservativ" geschätzt, meint der Autor der Studie, Andreas Oehler.

Der Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg hatte mehrere vorhandene Untersuchungen zu einzelnen Marktsegmenten zusammengefasst und ausgewertet. Das Ergebnis: Das meiste Geld wird im Bereich des grauen Kapitalmarkts verbrannt, also beispielsweise mit geschlossenen Fonds oder auch stillen Beteiligungen. Die Schäden auf diesem nach wie vor vergleichsweise wenig regulierten Teil des Kapitalmarkts schätzt Oehler auf mindestens 30 Milliarden Euro. Dabei stützt er sich auf Zahlen der Stiftung Warentest, deren Verwaltungsrat der Finanzexperte vorsitzt.

Doch auch mit Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen können Anleger nach Ansicht von Oehler viel Geld verbrennen: Auf jährlich 16 Milliarden Euro schätzt er die Verluste, die den Betroffenen vor allem dadurch entstehen, dass sie die Vertragslaufzeit nicht durchhalten und Verträge vorzeitig kündigen. Mehr als 75 Prozent aller auf 30 Jahre abgeschlossenen Verträge würden vorzeitig beendet, so der Fachmann. Der Durchschnittskunde verliere durch so einen Storno 5275 Euro, hat Oehler anhand von Zahlen errechnet, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft veröffentlicht hat.

Im Vergleich dazu wirken die Schäden, die Anleger durch Riester-Produkte erleiden, fast lächerlich. Oehler schätzt sie auf "mindestens eine Milliarde Euro" - weil Produkte entweder überteuert oder ungeeignet waren oder weil Anleger versäumt haben, die ihnen zustehende Zulage zu beantragen. Auch bei Baufinanzierungen geht Oehler von einem jährlichen Schaden in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro aus - vor allem, weil Möglichkeiten zur vorzeitigen Sondertilgung eines Darlehens nicht genutzt würden.

Der "Masterplan" fehlt

Zwar hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren im Bereich des Anlegerschutzes einiges vorangebracht. So wurden Produktinformationsblätter und Beratungsprotokolle zur Pflicht. Doch kann Oehler keinen "Masterplan" erkennen. Es fehle "ein Bündel aus sinnvoll aufeinander abgestimmten Maßnahmen. Stattdessen wird scheibchenweise gearbeitet - und zwar immer dann, wenn gerade ein spezifisches Problem auftaucht." So würden etwa die Beratungsprotokolle, die Banken ihren Kunden aushändigen müssen, schon deshalb nichts bringen, weil die Kunden gar nicht wüssten, worauf es bei einem Beratungsgespräch ankomme.

Es ärgere sie, sagt Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn. "Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, dass schlechte Finanzprodukte besser erkannt werden und schwarzen Schafen das Handwerk gelegt wird." Dabei seien die Probleme "seit Jahren bekannt".

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