Reaktion auf Wechselkursstärke:Flucht aus dem Euroraum

Der Euro hat kräftig zugelegt und könnte damit die wirtschaftliche Erholung bremsen. Deutsche Firmen überlegen, ihre Produktion nach Asien und in die USA zu verlagern.

In Europa wächst die Furcht, dass der starke Anstieg des Euro einen schnellen Weg aus der Wirtschaftskrise verhindert. Die gemeinsame Währung näherte sich am Montag 1,50 Dollar und hat damit seit Jahresbeginn knapp ein Fünftel zugelegt. Auch gegenüber Handelspartnern wie China, Großbritannien, Schweden oder Staaten in Osteuropa haben sich Waren aus dem Euroraum deutlich verteuert.

Ein weiterer Anstieg könnte die zarten Hoffnungen auf einen Aufschwung in Europa bremsen, glaubt Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker. "Wenn der Euro weiterhin so zulegt wie in den vergangenen Wochen, könnte ich bei einer bestimmten Marke unruhig werden", sagte der Chef der Euro-Finanzminister, die sich am Montagabend trafen. Auch die Bundesregierung ist über die anhaltende Euro-Stärke durchaus besorgt, auch wenn sie offiziell nichts zu dem Thema sagen will.

Scheitern am Widerstand Washingtons

Ihre Befürchtung: Steigt der Kurs der Gemeinschaftswährung weiter, könnte die für 2010 erwartete leichte wirtschaftliche Erholung ins Stocken geraten. Nach Schätzungen von Goldman Sachs hat der Außenwert des Euro gegenüber den anderen Währungen insgesamt um zehn Prozent zugelegt. Dies könnte einen Prozentpunkt Wirtschaftswachstum kosten.

Eine denkbare Reaktion auf die Euro-Stärke wären weltweit koordinierte Devisenmarktinterventionen, wie es sie zuletzt im Jahr 2000 in großem Stil gab. Allerdings haben die USA kein Interesse an einer Stärkung des Dollars. Die vier europäische Mitgliedsstaaten der Gruppe der sieben führenden Industrienationen (G 7) hatten sich schon beim Finanzministertreffen Anfang Oktober in Istanbul bemüht, die übliche Wechselkursaussge im Abschlusskommuniqué zu verschärfen. Damit wollten sie signalisieren, dass sie den Wechselkurs des Euros zum Dollar für unangemessen halten. Sie scheiterten am Widerstand Washingtons.

China erholt sich schneller

Besonders kritisch sehen EU-Politiker die Aufwertung des Euro gegenüber dem chinesischen Yuan. Diese ist künstlich, weil der Yuan an den Dollar gekoppelt ist. Wenn der Kurs frei wäre, wäre derzeit eher eine Aufwertung des Yuan gegenüber dem Euro zu erwarten, weil China sich viel schneller von der Wirtschaftskrise erholt als Europa. Eurogruppen-Chef Juncker, Zentralbankchef Jean-Claude Trichet und EU-Währungskommissar Joaquin Almunia wollen nach Peking reisen, um die chinesische Führung zu einer Aufwertung zu bewegen. Die Bundesregierung unterstützt Reise. Ein ähnlicher Besuch vor zwei Jahren brachte allerdings wenig.

Autoindustrie zieht es in den Dollarraum

Für deutsche Konzerne ist der starke Euro ein Problem. Wer in Deutschland produziert und in den Dollarraum verkauft, zahlt seine Produktionskosten mit teurem Euro und verkauft seine Ware für schwachen Dollar. Dem Luft- und Raumfahrtkonzern EADS entstehen bei einem Wertverlust des Dollars von 10 Cent pro Jahr rund eine Milliarde Euro zusätzliche Kosten.

Besondere Form der Absicherung

Der Autokonzern BMW rechnet dieses Jahr mit Währungsbelastungen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. "Die aktuelle Abwertung könnte dem deutschen Export mehr zusetzen als noch vor vier oder fünf Jahren", warnt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Um große Verluste zu verhindern, investieren viele Konzerne in die Produktion im Ausland.

"Der Dollar in dieser Höhe ist ein Problem. Aber wir wirken dem so gut wie möglich entgegen," sagt ein EADS-Sprecher. Viele Firmen setzen auf eine besondere Form der Absicherung: Sie verlagern Teile der Produktion und des Einkaufs nach USA oder Asien. Wenn der Euro auf seinem hohen Niveau bleibe, sähe sich EADS gezwungen, stärker woanders zu investieren.

In der Autoindustrie erweitern Unternehmen bereits seit einiger Zeit Produktionsstätten im Dollarraum. VW errichtet im US-Bundesstaat Tennessee ein Werk für 650 Millionen Euro. "Der Ausbau der Produktion in China und den USA wird dabei helfen, die Währungsabhängigkeit zu senken", sagt ein BWM-Sprecher. Der Geländewagen X3, der bislang bei Magna in Graz gefertigt wurde, soll künftig im US-Werk in Spartanburg vom Band rollen. Über ein Drittel seiner Autos produziert BMW bereits im Ausland. Wissenschaftler Langhammer hält das für richtig. Es spreche derzeit viel für Direktinvestitionen in Asien, eher noch als in den USA, wo die Nachfrage schwächer ist.

Adidas profitiert vom schwachen Dollar

Der Autohersteller Porsche hält sich nicht an den Rat, ins Ausland zu gehen. Er produziert hauptsächlich in Deutschland. Das Unternehmen setzt lieber auf traditionelle Währungsabsicherung. Für erwartete Dollarumsätze schließt Porsche Gegengeschäfte auf dem Devisenmarkt ab. "Die Verlagerung von Produktion ist nachhaltiger, als sich vor den Wechselkursen abzusichern", heißt es beim Verband Deutscher Automobilhersteller. Die traditionelle Währungsabsicherung könne sehr teuer werden, wenn der Dollarkurs sehr stark schwankt.

Ein schwacher Dollar muss nicht nur negative Effekte haben. Wenn die Konjunktur stark genug ist, kann der positive Einkommenseffekt durch den billigen Dollar den negativen Preiseffekt überwiegen. Denn die europäischen Kunden haben durch den starken Euro mehr Kaufkraft, was auch den deutschen Konzernen zu Gute kommen kann.

Adidas beispielsweise kann das für sich nutzen. "Unsere Beschaffung findet überwiegend in Asien statt und wird größtenteils in Dollar abgerechnet, hier profitieren wir also vom niedrigen Dollarkurs und niedrigen Kosten", so ein Sprecher. Der Sportartikelhersteller kann für günstige Dollar einkaufen und für teure Euro verkaufen, denn den größten Teil seines Umsatzes macht Adidas nicht im Dollarraum. Das Unternehmen profitiert grundsätzlich von einem starken Euro und einem schwachen Dollar.

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