Internationale Kreditkrise:Verschnupfte Großverdiener

Londons Banken knausern bei Prämien - nur 7,4 Milliarden Pfund gibt es in diesem Jahr. Tausende Entlassungen werden befürchtet, hochqualifizierte Banker und Broker könnten nach Asien abwandern

Andreas Oldag

Es ist immer das Gleiche: Wenn die schlichten, braunen Umschläge in diesen Wochen in den Londoner Banken verteilt werden, steigt der Adrenalinspiegel. Banker und Broker erfahren die Höhe ihrer Bonuszahlung. Doch die vorweihnachtlichen Tage werden nur die wenigsten Geldmanager glücklich machen, denn Kreditinstitute und Finanzfirmen knausern mit Extra-Vergütungen. Die internationale Kreditkrise hinterlässt ihre Spuren in der Londoner City, Europas größtem Finanzviertel.

Und nicht nur die Boni sinken. Viele Banken haben bereits Tausende von Jobs abgebaut, seitdem die Turbulenzen die Märkte erschüttern. Personalvermittler erwarten in den kommenden Wochen in besonders schwächelnden Banksparten zusätzliche Entlassungen.

Für die Wirtschaft Großbritanniens hat dies einschneidende Folgen. Knapp zehn Prozent der Wirtschaftsleistung geht auf den Finanzbereich zurück. "Hat die Londoner Finanzindustrie einen Schnupfen, hustet die ganze Insel", warnt ein Berater der Labour-Regierung.

Zu spüren bekommt dies auch Finanzminister Alistair Darling, der damit zu kämpfen hat, ein immer größeres Haushaltsloch zu stopfen. In den vergangenen zehn Jahren trug der boomende Finanzsektor zu etwa 30 Prozent der Unternehmenssteuereinnahmen bei. Hält die Bankenkrise an, wird dies die Budgetprobleme dramatisch verschärfen.

Ein böses Erwachen

Dabei hat es jahrelang Manna in der Finanzbranche geregnet. Bei Jahresgrundgehältern von durchschnittlich 100.000 Pfund pro Jahr, also etwa 140.000 Euro, konnten Investmentberater, Anleihe- und Wertpapierhändler leicht das zehn- bis zwanzigfache durch erfolgsabhängige Leistungen hinzuverdienen. Top-Banker bei Morgan Stanley, JP Morgan und Goldman Sachs kamen sogar auf zweistellige Millionenbeträge.

"Jetzt wird es viele, böse Enttäuschungen geben, schwant Harry Pilkington von der Personalberatung Armstrong International. Die Gesellschaft rechnet damit, dass die Bonuszahlungen in der Londoner City in diesem Jahr im Schnitt um zehn bis 20 Prozent unter denen des vergangenen Jahres liegen werden. Im Bereich Unternehmensfinanzierung und Wertpapierhandel müsse sogar mit einem Rückgang von 50 Prozent gerechnet werden, sagen die Experten.

Verschnupfte Großverdiener

Zudem gehen immer mehr Banken dazu über, den Baranteil der Sondervergütung zugunsten von Aktien und Optionen zu verringern. Dies entlastet die Bilanz. Optionen berechtigen die Mitarbeiter, von einem bestimmten Zeitpunkt an Aktien des eigenen Konzerns zu einem festgelegten Preis zu kaufen und bei einem höheren Börsenkurs wieder zu verkaufen. Derzeit nicht gerade ein lukratives Geschäft: Analysten schätzen, dass Finanztitel in den kommenden Monaten weiter unter Druck stehen und an Wert verlieren werden.

Schnelles Geld in Asien

Es kommt noch schlimmer: Die Summe der Bonuszahlungen, die in diesem Jahr immerhin noch 7,4 Milliarden Pfund erreicht haben nach 8,8 Milliarden Pfund im Vorjahr, wird nach Meinung von Fachleuten 2008 um weitere 15 Prozent sinken. Und das Wirtschaftsforschungs-Institut Centre for Economic and Business Research glaubt, dass im kommenden Jahr mindestens 6.500 zusätzliche Entlassungen anstehen.

Das hat Folgen: "Für London wird es wesentlich schwieriger, sich als internationaler Top-Finanzplatz zu behaupten", meint ein Banker. Werden die Leute in den Unternehmen reihenweise rausgeworfen, geht auch wertvolles Wissen verloren. Gesuchte Finanzfachleute werden die Chance wahrnehmen, zu boomenden Finanzplätzen nach Asien abzuwandern.

Kein Zufall, dass Hongkong und Schanghai zu den heißen Adressen am Jobmarkt für die Bankelite avanciert sind. Dort lässt sich jetzt das Geld für einen neuen Porsche oder Ferrari am schnellsten verdienen - nicht in London und auch nicht an der Wall Street.

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