Immobilien in der Türkei:Von Europa abgrenzen

Türkische Immobilien stehen bei deutschen Sonnensuchern hoch im Kurs. Nun haben türkische Verfassungsrichter aber entschieden, dass kein Land mehr an Ausländer verkauft werden soll.

Von Christiane Schlötzer

Deutsche Sonnensucher kaufen sich Ferienwohnungen in Antalya, syrische Bauern wasserreiches Land im Süden der Türkei, und Griechen erwerben Apartments in Istanbul, der Stadt, aus der sie einst vertrieben wurden. In der Türkei gilt seit Juli 2003 ein Gesetz, das Ausländern den Kauf von Grund und Boden stark erleichtert.

Seither boomt die Branche. 1,34 Milliarden US-Dollar wurden 2004 von Ausländern in der Türkei für Immobilien ausgegeben, das war die Hälfte aller Fremdinvestitionen. Bei der weltweit wichtigsten Messe für Gewerbeimmobilien, der Mipim in Cannes, die soeben zu Ende ging, war Istanbul der neue Star. Die Boomtown am Bosporus präsentierte sich mit einem Stand von gewaltiger Größe.

Nun können die Immobilienhändler statt der Hochglanzprospekte ein Gerichtsurteil verteilen. Das Verfassungsgericht in Ankara hat einen Teil des liberalen, nach EU-Vorbild modellierten Immobilien-Gesetzes für nichtig erklärt - einstimmig.

Geschehen ist dies auf Wunsch der CHP, der sozialdemokratischen Oppositionspartei im Parlament. Die CHP sah "die Einheit des Landes" in Gefahr, weil "Vaterlandserde an Ausländer verschleudert" werde. Die CHP, die gern auf ihre linke republikanische Tradition hinweist, zeigt schon seit einiger Zeit stark nationalkonservative Züge.

Von Europa abgrenzen

Das Urteil soll nicht rückwirkend gelten, aber es tritt drei Monate nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger in Kraft. An der türkischen Ägäisküste sind derzeit Tausende Luxuswohnungen und Villen im Auftrag ausländischer Kunden in Bau. Aus Bodrum und Mugla meldete die türkische Zeitung Posta am Dienstag, nicht nur Hauskäufer seien "irritiert", auch die Bauwirtschaft sei sehr beunruhigt.

Abdurrahman Ariman, angesehener Experte für Auslandsinvestitionen in Istanbul, sieht in dem Urteil einen "klaren Anschlag der Kräfte des Status quo", die sich gegen eine Modernisierung des Landes und eine Öffnung hin zu Europa richteten. Damit hat die Entscheidung auch symbolische Bedeutung, denn sie steht quer zur Reformpolitik, mit der die Regierung das Land reif für den EU-Beitritt machen will.

Das Verfassungsgericht hat seine volle Urteilsbegründung zwar noch nicht veröffentlicht, aber die Richter verwiesen - wie die Kläger - auf Verfassungsartikel, die darauf abzielen, die "Einheit der Türkei" zu schützen. Die pro-europäische Zeitung Radikal nannte das Urteil in ihrer Schlagzeile deshalb die bisher "beschämendste" Entscheidung des Verfassungsgerichts.

Investitionsberater Ariman vertraut nun darauf, dass die regierende AKP von Premier Tayyip Erdogan rasch ein neues Gesetz auf den Weg bringt. Die AKP scheint dazu auch entschlossen zu sein, hat sie doch ihren Ruf als Modernisierungskraft zu verlieren. Ihr Vizefraktionschef Irfan Gündüz sagt: "In einer immer kleiner werdenden Welt ist es unerlässlich, dass auch Ausländer bei uns Land kaufen dürfen."

Über die Panikmacher der CHP, die historische Ängste vor einer "Zerstückelung" der Türkei heraufbeschwören, spottet Gündüz: "Niemand kauft eine Wohnung, um sie in die Tasche zu stecken und wegzutragen." Mit Verboten, sagt der AKP-Politiker, "kommen wir nirgendwohin". Der Mann hat Recht - der Satz lässt sich auch auf den EU-Beitritt anwenden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: