Finanzkrise:Dublin Blues

Gibt es demnächst einen zweiten Griechenland-Fall? An den Finanzmärkten spekulieren Anleger, ob Irland schon bald in den Rettungstopf der Euroländer greifen muss.

Helga Einecke

Irland und Portugal müssen als nächste Euroländer gerettet werden, spekuliert man an den Finanzmärkten. Der Wechselkurs des Euro fiel zurück. Lissabon zahlte bei seiner jüngsten Kreditaufnahme 6,8 Prozent Rendite für zehn Jahre und 6,2 Prozent für sechs Jahre Laufzeit. Die Zinsen für zehnjährige irische Staatsanleihen stiegen weit über acht Prozent. Irland werde als erstes Land den Rettungsfonds der europäischen Länder anzapfen, hieß es. Das sei nur noch eine Frage der Zeit.

Finanzkrise: In diesem Bild ist die Stimmung mies, weil dort gerade die letzte Zigarette in einem irischen Pub geraucht wird. Derzeit ist die Stimmung wegen Irland mies, weil das Land bald Gelder aus dem Notfonds brauchen könnte.

In diesem Bild ist die Stimmung mies, weil dort gerade die letzte Zigarette in einem irischen Pub geraucht wird. Derzeit ist die Stimmung wegen Irland mies, weil das Land bald Gelder aus dem Notfonds brauchen könnte.

(Foto: AP)

Die irische Regierung weist diese Spekulationen zurück. Die Finanzierung des Staatshaushalts sei bis Mitte nächsten Jahres gesichert. Am 7. Dezember muss Dublin den Haushalt durch das Parlament bringen. Neben dem hohen Defizit machen die überschuldeten Banken des Landes Sorgen. Thomas Meißner, Leiter der Rentenmarktanalyse der DZ Bank, sagte: "Irgendwann überlegt sich Irland, was billiger ist, der Rettungsfonds oder der Kapitalmarkt". Billiger wäre der Fonds jetzt schon. Denn die European Financial Stability Facility (EFSF) läuft über drei Jahre und kostet etwa 5,5 Prozent Zinsen, während Irland am Markt 6,5 Prozent bezahlen muss.

Unter Kennern gilt Irland als idealer Eisbrecher für die Nutzung des Rettungsschirms, der nach der Eurokrise im Mai aufgespannt wurde und insgesamt 650 Milliarden Euro umfasst. In den nächsten drei Jahren muss Irland Anleihen über 30 Milliarden Euro umschulden. Hinzu kommen das Staatsdefizit und mögliche Bankenhilfen. Aber der irischen Wirtschaft wird zugetraut, nach drei Jahren wieder auf die Beine zu kommen. Deutlich skeptischer sind die Einschätzungen für Portugal, das seine Schwierigkeiten durch Sparen allein angeblich nicht in den Griff bekommt.

Der Präzedenzfall eines überschuldeten Eurolandes ist Griechenland. Die Hellenen können seit Mai auf Hilfen im Gesamtumfang von 110 Milliarden Euro zurückgreifen, müssen dafür etwa fünf Prozent Zinsen zahlen. 30 Milliarden Euro hat Athen bereits in Anspruch genommen. Die Schwierigkeiten Griechenlands bei der Kreditaufnahme am Kapitalmarkt hatten im Mai eine Krise der Währungsunion ausgelöst und zur Einrichtung eines Rettungsschirms für alle Euroländer geführt. Inzwischen schauen aber Politiker und auch die Finanzmärkte über die drei Jahre hinaus, für die dieser Krisenmechanismus gilt.

Der deutsche Vorschlag, die Gläubiger bei künftigen Staatspleiten anstelle der Steuerzahler in die Pflicht zu nehmen, sorgt für Unruhe. Zwar beziehen sich die Vorschläge eigentlich auf neue Anleihen. Aber viele Händler fragen sich, was mit denjenigen Papieren passiert, die länger als drei Jahre laufen. Deshalb haben sich etliche Anleger von Anleihen aus den so genannten PIIGS-Staaten verabschiedet, wozu neben Portugal und Irland, noch Italien, Griechenland und Spanien zählen. Die meisten dieser Anleihen werden von Banken, Investmentfonds oder Versicherungen gehalten.

"Destabilisierung der Märkte"

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft seit der Eurokrise im Mai Staatsanleihen aus Irland, Portugal und Spanien, um den Markt und die Banken der Länder zu stützen. Nach einer dreiwöchigen Pause griff sie vergangene Woche erneut ein. Sie verfolgt die Pläne der Politiker zum Krisenmechanismus mit Skepsis. EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi fürchtet, "in der Praxis eine Destabilisierung der Märkte und gravierende Folgen für die Volkswirtschaften des Eurogebiets zu haben." Spekulative Investoren könnten auf sinkende Kurse setzen, sobald ein Land als Rettungskandidat eingestuft wird, und normale Sparer könnten das Nachsehen haben.

Volkswirte schließen nicht mehr aus, dass im Euroraum ein Staat einmal einen Teil seiner Schulden nicht mehr zurückzahlt. Meißner schwebt vor, dass dann die EZB oder eine andere Institution Anleihen aufkauft und mit den restlichen Gläubigern dann aushandelt, in welchem Umfang Schulden nicht mehr zurückgezahlt werden müssen.

Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sagte der Börsen-Zeitung, das beste wäre ein einmaliger Schuldenschnitt. Den könne man politisch am besten durchhalten. Den PIIGS-Ländern sagte der Ökonom sieben magere Jahre vorher. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone, wie vor allem in London gerne kolportiert, sieht er nicht. Auch Meißner hält den Euroraum für "extrem attraktiv", auch vor dem Hintergrund der Schwächen anderer Währungszonen.

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