Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Friedrich, der Einsame

Er kannte keine Freundschaften, fand seine Frau zu korpulent und schrieb in seine vier Testamente Merkwürdiges: Friedrich der Große bedachte sogar Diener und Soldaten - und hatte einen befremdlichen Bestattungswunsch.

K. Riedel

Nun findet er also bei Pax seinen Frieden - an Alcestes, Amourettes und Biches Seite. 205 Jahre haben die elf Windhundgebeine dort ohne die Knochen ihres Herrn überdauert: in kleinen Särgen, in die der König seine Liebsten gebettet hatte. Erst als die Diener das fröstelnde Windspiel neben seinem Lehnstuhl zugedeckt hatten, war der Alte Fritz am frühen Morgen des 17. August 1786 eingeschlafen.

Gemälde von Friedrich der Große wird versteigert

Friedrich der Große, gemalt in Öl von Johann Georg Ziesenis (1716 bis 1776).

(Foto: dpa)

Noch bei Theodor Fontane lässt sich nachlesen, dass der König "durchaus bei seinen Hunden begraben sein wollte, weil er die Menschen ... so gründlich verachtete". Kein Wunder, hatte Friedrich doch Zeit seines Lebens nie mit der Ehefrau, aber gern mit seinen Windspielen das Bett geteilt. Warum also nicht auch die letzte Ruhe?

Zehn Mann schieben jetzt, um Mitternacht des 17. August 1991, genau 205 Jahre nach Fritz' Ableben, den schweren Sarkophag mit den Gebeinen Friedrich II. von Preußen in die frisch errichtete Marmorgruft an den Weinterrassen von Sanssouci. Durch ganz Deutschland haben sie die Gebeine gefahren, von der Stammburg der Hohenzollern in Hechingen bis nach Potsdam. In Schwaben haben die königlichen Gebeine seit einer Odyssee am Kriegsende geruht. Nun soll der Alte Fritz zurück nach Preußen.

Weder bei seinen Ahnen wollte er ruhen, noch in einer Kirche, die ihm lebenslang fern war, wie er im zweiten seiner persönlichen Testamente 1769 notierte: "Ich habe als Philosoph gelebt und will als solcher begraben werden, ohne Trauergepränge und Leichenpomp und ohne die geringste Zeremonie." Schon vorher hatte er verfügt: "Man bringe mich beim Schein einer Laterne, und ohne dass mir jemand folgt, nach Sanssouci." Ein letzter Wille, der ihm verwehrt bleiben sollte - 1786 wie 1991.

Frierich hinterließ vier Testamente

Dabei hatte er nicht nur diese letzten Dinge wohl geordnet. Vier umfangreiche Testamente hinterließ der Preuße, und vor allem die privaten erzählen viel über den Menschen Friedrich - auch über wenig menschliche Züge. Akribisch bedenkt er Verwandte (Bruder Ferdinand August: 50.000 Taler, fünfzig Eimer Ungarwein, eine Galakutsche), Diener (500 Taler), selbst jeden einzelnen Soldaten (2 Taler). Das alles soll der Haupterbe aus Friedrichs Privatschatulle auszahlen - als erster Monarch trennt er zwischen Staats- und Privatvermögen. "Die Staatseinkünfte habe ich stets als die Bundeslade betrachtet, die keine profane Hand anzutasten wagte", mahnte er den Nachfolger, Friedrich Wilhelm II.

Seine ererbten und erstrittenen Länder und Kronjuwelen legte der kinderlose alte Fritz nicht in die Hände seiner Ehefrau, Christine von Braunschweig-Bevern, sondern vertraute den Nachlass seinem Neffen an. "Der Königin, meiner Gemahlin, hinterlasse ich das Einkommen, das sie genießt, und das jährlich um 10.000 Taler erhöht werden soll, zwei Fass Wein jährlich, freies Holz und das Wildbret für ihre Tafel" - unter der Voraussetzung, dass die Witwe den neuen König zu ihrem Erben einsetzen sollte.

Ein "böser Mann"

Kalte Worte, die jenen entsprechen, die er ihr nach sieben Jahren Trennung im Krieg entgegnet hatte: "Madame sind korpulenter geworden." Die Ehe, auf die Friedrichs despotischer Vater drängte, wurde wohl nie vollzogen. Frauen, auch nicht die eigene, durften Sanssouci nie betreten, lieber umgab sich der König mit Männern. Doch Freundschaft, berichten Zeitgenossen, habe Friedrich II. nicht gekannt.

Viel dazu beigetragen hatte der Mann, an dessen Seite der Neffe und Thronfolger Friedrich den Großen in der Potsdamer Garnisonskirche beerdigen ließ: der Vater, der "Soldatenkönig". Dieser hatte wenig Freude an seinem Thronfolger. Der Junge interessierte sich weniger für Militär und Staatswesen als für Flötenspiel, Dichtung und Philosophie.

Diesen "Querpfeifer" wollte der Vater brechen, mit Schlägen, mit eherner Disziplin. Und das gelang ihm. Als Friedrich flüchten wollte, richtete der Vater den besten Freund und Fluchthelfer des Sohnes hin. Friedrich musste zusehen.

Ein Döschen voller Opiumpillen

Er fügte sich fortan - und wurde zu jenem zwiespältigen Menschen, der unfähig zu tiefen Beziehungen war, dem Tode manchmal näher als dem Leben. Einer, der als 32-Jähriger in Potsdam Sanssouci erbauen, aber noch vor dem Schloss die Gruft vollenden ließ. Denn "sorgenfrei" könne er nur hier unten sein, sagte er. Stets trug er ein Döschen voller Opiumpillen um den Hals, mit denen er sich leicht ins Jenseits hätte befördern können.

Er tat es nicht. Stattdessen spielte er mit dem Leben, mit dem eigenen und dem seiner Soldaten. Der Philosoph auf dem Königsthron, den er in seiner berühmten Schrift, dem "Anti-Machiavell", als Ideal entwickelte, konnte er selbst nicht sein. Die Kriege, die er führte, um sein Territorium "abzurunden", trugen Friedrich zwar den Beinamen "der Große" ein, aber auch den Ruf als Vabanquespieler, als "böser Mann" (Maria Theresia von Österreich). Die Nationalsozialisten rühmten ihn später als großen Angriffskrieger.

Mit seinen Kriegen, aber auch mit seinen Prachtbauten produzierte Friedrich hohe Staatsausgaben. Zwar beteuerte er in seinem Testament, dass die Kosten seiner Lebenshaltung "nie 220.000 Taler im Jahr überstiegen" hätten. Die Kriegsschäden konnte er damit aber nicht kompensieren - auch wenn er sich selbst immer mehr vernachlässigte. Luxuriös waren nur die mit Brillanten besetzten Dosen, in denen er Tabak verwahrte. Vier oder fünf trug er stets am Mann - und die Reste seines Lasters im Gesicht, das von dunklen Krümeln übersät war, wie auch die Kleidung des Monarchen. "Das mag ekelhaft sein, gestehen Sie es nur, mein Lieber", sagte Friedrich einem Vertrauten, "gestehen Sie, dass ich ein wenig schweinisch aussehe."

Der blaue Soldatenrock war so verbraucht wie der krumme Körper, die Kniehose aus schäbigem Samt, das Hemd geflickt, die Stiefel brüchig. Auf dem ausgemergelten Haupt saß Tag und Nacht ein alter Dreispitz. Die Zähne faulten, der Mund war schief vom vielen Flötenspiel. In vielen feuchten Kriegswintern war ihm die Gicht in den Leib gekrochen. Vereinsamt, aber noch als Schwerstkranker arbeitsversessen, lebte Friedrich II. in vier arg verschlissenen Räumen auf Sanssouci. Dort dirigierte er selbst Kleinigkeiten des Staatswesens - und frönte seiner Leidenschaft, stark Gewürztes zu essen und viel zu trinken. Von Aalpastete und kaltem Kaffee, mit Senf oder Champagner vermischt, erhoffte er sich heilende Wirkung, verschlimmerte aber sein Leiden. Nicht mehr als drei Stunden Schlaf gönnte er sich, bis zuletzt, bis zu jenem 17. August 1786, als er gegen 2.20 Uhr für immer die Augen schloss.

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