Die großen Erbfälle: Geld - Macht - Hass:Alle Macht für Friede

Jeder wollte ein Stück vom Kuchen: Um das Erbe des Verlegers Axel Cäsar Springer wurde lange gestritten, Testamente in Frage gestellt. Am Ende siegte seine Witwe Friede.

Caspar Busse

Kurz vor seinem Tod kritzelte Axel Cäsar Springer noch ein paar Zeilen aufs Papier. "Mein lieber Max", schrieb er und gratulierte seinem Freund und Weggefährten, der Boxlegende Max Schmeling, zum 80. Geburtstag. Der schwerkranke Verleger ("dein alter Axel") bestellte als Geschenk noch zwölf Flaschen Veuve Clicquot. Einen Tag darauf, am 2. September 1985, starb Springer im Berliner Martin-Luther-Krankenhaus, seine Frau Friede war bis zuletzt an seiner Seite. Er wurde 73Jahre alt.

HV Axel Springer AG

Mächtigste Medienfrau Europas: Friede Springer übernahm die Leitung des Axel-Springer-Verlags von ihrem Mann.

(Foto: ag.ddp)

Die Trauerfeier in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und die Beisetzung auf dem Friedhof in Berlin-Nikolassee kam mit 500 Trauergästen, darunter der Bundespräsident und der Bundeskanzler, fast einem Staatsbegräbnis gleich. Springer war einer der größten und zugleich umstrittensten Verleger Deutschlands, er hatte den Konzern mit Bild und Welt zu einem der größten Zeitungsunternehmen Europas gemacht.

An ihm, dem Konservativen, der einst das Springer-Hochhaus in Berlin direkt an der Mauer errichten ließ, und an seinem Konzern hatten sich einst die Studentenproteste entzündet. "Enteignet Springer", lautete damals die Parole.

Trauer und Sorge um die Nachfolge

Heute gilt die Axel Springer AG als ein erfolgreiches Medienhaus in Europa, das zuletzt erstaunlich gut durch die Medienkrise gekommen ist. Der amtierende Konzernchef Mathias Döpfner, 47, erinnert manche in Auftreten und Erscheinung an den jungen Axel Springer. Der Musikwissenschaftler und gelernte Journalist ist inzwischen selbst beteiligt und genießt das volle Vertrauen von Witwe und Mehrheitsaktionärin Friede Springer, 67.

Schon Jahre vor seinem Tod hatte Axel Springer immer wieder darüber nachgedacht, wie er sein Erbe regeln sollte. Er wollte sein Haus bestellen, doch wie? Am Morgen des 4. Januar 1980 wurde auf einer Parkbank am Alsterkanal in Hamburg die Leiche eines Selbstmörders gefunden. Springers ältester und zugleich liebster Sohn hatte sich in der Nacht erschossen, nur begleitet von seinem Labrador. Die Gründe für seinen Freitod sind ungeklärt, Axel Springer jr. hatte als Fotograf unter dem Pseudonym Sven Simon reüssiert und sollte, wäre es nach dem Vater gegangen, irgendwann die Geschicke des Konzerns übernehmen.

Auch deshalb war der Selbstmord des Sohns der größte Schicksalsschlag für Springer, er trauerte tagelang in einem abgedunkelten Zimmer. In seiner Verzweiflung spielte Springer dann viele Szenarien durch, wie es der Historiker Hans-Peter Schwarz in seiner Springer-Biographie beschreibt: vom Verkauf an Bertelsmann bis zur Beteiligung von Burda. Einen Erben fand er nicht.

Schließlich hinterließ der große Verleger ein Testament, nach dem seine Frau Friede 50 Prozent der Verlagsanteile bekommen sollte, sein Enkel Axel Sven, kurz Aggi, und seine Tochter Barbara Choremi jeweils 25 Prozent. Unberücksichtigt blieben Sohn Nicolaus sowie Enkelin Ariane, die wie Aggi ein Kind von Springers verstorbenem Sohn ist.

Doch dann, fünf Wochen nach dem Tod des Zeitungszaren, sah auf einmal alles anders aus. Am 31. Oktober 1985 moderierte der Testamentsvollstrecker Bernhard Servatius, den manche Serva nennen, in der Berliner Residenz der Springers, dass der "tatsächliche" letzte Wille des Verlegers anders ausgesehen habe.

"Du wirst das schon machen, Friede"

Springer habe, entkräftet vom Kampf gegen seine Krankheit, lediglich keine Zeit mehr gehabt, seine neuen Wünsche in die juristisch richtige Form zu bringen. Deshalb, so Servatius, habe er nun eine Erbenvereinbarung aufgesetzt, die den neuen Realitäten Rechnung trage: 70 Prozent für die Witwe, je zehn Prozent für die beiden Kinder Nicolaus und Barbara Choremi sowie je fünf Prozent für die Enkel Aggi und Ariane.

Bilanzpressekonferenz Axel Springer AG

Ein möglicher Nachfolger: Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner erinnert in manchen Zügen an Axel Springer.

(Foto: ag.dpa)

Nur fünf statt 25 Prozent - der damals 19-jährige Aggi Springer akzeptierte trotzdem. Jahre später bewertete er seinen Fall neu, fühlte sich arglistig getäuscht und hatte alles von 2002 an angefochten. Die Sache ging vor Gericht und durch die Instanzen. Das Oberlandesgericht Hamburg hörte Zeugen, rollte vor drei Jahren den Erbfall noch einmal auf, im Gerichtssaal wurden die Ereignisse wieder lebendig.

Vor allem der Auftritt von Ernst Cramer hatte wohl für Überraschungen gesorgt. Der Publizist, ein enger Wegbegleiter des Verlegers Springer, bekundete nach Erzählungen Eingeweihter, die Interessen des Enkels seien wohl nicht optimal vertreten worden. Cramer gab an, das Erbentreffen an jenem 31. Oktober 1985 mit einem schlechten Gewissen verlassen zu haben.

Friede, die Friesin hat sie alle überwunden

Er war früher allem Anschein nach davon ausgegangen, dass Aggi bei der Erbenregelung anwaltliche Hilfe hatte - doch so war es nicht. Aggis Mutter Rosemarie war nicht mit eingeladen gewesen. Und der junge Aggi war direkt von seinem damaligen Internat in Zuoz in der Schweiz nach Berlin angereist.

Viele Ungereimtheiten waren vor drei Jahren vor Gericht zur Sprache gekommen. Zum Beispiel auch die Frage, warum Axel Cäsar Springer sehr wohl in jenen Tagen eine Geburtstagskarte an Max Schmeling schreiben konnte, andererseits aber angeblich so siech war, dass er kein neues Testament unterzeichnen konnte.

Wie auch immer: Aggi Springer, der selbst für den Konzern gearbeitet hatte, unterlag schließlich, nicht nur vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht zu Hamburg, auch in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof im August vergangenen Jahres.

So bleibt es dabei: Friede Springer, geborene Riewerts, eine Friesin von der Insel Föhr, ein ehemaliges Kindermädchen der Familie und fünfte Ehefrau Springers, hat das Sagen. Im Sommer 1965 waren sich die beiden zum ersten Mal begegnet, sie hatten sich sofort verliebt und dann mehr als zehn Jahre lang zusammengelebt. Erst 1978 heiratete Springer Friede. Die neue Frau war die Stütze für den alternden Verleger, ertrug alle Stimmungsschwankungen und alle Krankheiten. Und sie verwaltet heute sein Erbe, führt den Verlag weiter.

Friede kontrolliert direkt und indirekt die Mehrheit der Aktien. Sie hat alle überwunden: Die Burdas, die am Konzern beteiligt werden sollten, Leo Kirch, der sich hinterrücks eingekauft hatte, die anderen Erben, auch den Erbenkrieg und die Deutsche Bank, die seit der Kirch-Pleite mit im Boot sitzt und nun ihre Aktien abgeben will. In einer Friede-Springer-Biographie mit autorisierten Zitaten heißt es: "Sie lebte Springers Leben. Ein eigenes hatte sie nicht mehr, Sie war genauso geworden, wie er sie hatte haben wollen."

Kurz vor seinem Tod soll Springer seiner Frau gesagt haben: "Du wirst das schon machen, Friede." Sie hat es geschafft, das Erbe von Axel Cäsar Springer lebt. Aber wie sie dieses Erbe eines Tages weitergeben will, das ist nicht bekannt.

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