Angst vor dem Flächenbrand:Das Virus ist zurück

Griechische, portugiesische und spanische Staatsanleihen sind die Subprime-Kredite 2010. Haben die global eng vernetzten Banken und Börsen denn überhaupt nichts gelernt?

Martin Hesse

Als im Sommer 2007 in Amerika die Immobilienblase platzte, strauchelte als erstes eine kleine deutsche Bank namens IKB. Man rieb sich damals verwundert die Augen, warum eine Mittelstandsbank in Düsseldorf sich den Keller mit Immobilienkrediten praktisch mittelloser Amerikaner füllte.

Besorgte Händler an der Wall Street, Foto: AP

Besorgte Händler an der Wall Street: Wetten für Spekulanten sollten unattraktiv gemacht werden.

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Unter dem Namen Subprime erlangten diese faulen Hypotheken bald zweifelhaften Ruhm. Banken fielen wie Dominosteine, weil die Banken untereinander so stark verwoben waren, dass einander bald alle misstrauten und sich nach der Pleite von Lehman Brothers gegenseitig den Geldhahn abdrehten. Schließlich stürzten auch die Börsen ab, weil die Geldversorgung der Unternehmen auf dem Spiel stand.

Das alles muss man sich in Erinnerung rufen, um zu verstehen, was sich jetzt in der Eurozone und an den Finanzmärkten abspielt. Die Subprime-Kredite des Jahres 2010 sind griechische, portugiesische oder spanische Staatsanleihen, und sie liegen zum Teil in denselben Banken, die schon am US-Häusermarkt die Realität ausgeblendet hatten.

In Deutschland etwa die Hypo Real Estate, die Commerzbank und einige Landesbanken. Mehr als eine Billion Euro haben deutsche, französische und britische Finanzkonzerne in Anleihen der Wackelstaaten Europas investiert.

Ein Ausfall eines Teils dieser Schulden ist zu einer realen Gefahr geworden. Und ähnlich wie 2007 droht sich die Krise dramatisch zu verschärfen, weil Banken und Börsen global eng vernetzt sind. Heute aber zeigt sich, dass auch die hoch verschuldeten Staaten Teil dieses Netzes sind. Das macht die Lage noch prekärer.

Bis heute wiegeln Banker ab, wenn man sie auf mögliche Verluste anspricht, die Staatsanleihen verursachen könnten. Niemand glaube doch ernsthaft, dass souveräne Staaten ihre Schulden nicht zurückzahlen könnten.

Das sei doch etwas völlig anderes als riskante Investitionen in Subprime-Kredite. Wer so redet, beschönigt die Lage. Hinter faulen US-Hypotheken und griechischen Staatsanleihen verbirgt sich das gleiche Grundproblem: Banken und andere Investoren haben Schuldnern Geld geliehen, die über ihre Verhältnisse lebten.

Die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) haben zugesehen, wie in etlichen Ländern der Eurozone Spekulationsblasen entstanden sind. So wie billiges Geld in den USA den Häusermarkt aufblähte, ermöglichten niedrige EZB-Zinsen und EU-Transfers Bau-Exzesse in Spanien und Portugal, einen Immobilienboom in Irland und einen drastischen Anstieg der privaten Schulden in all diesen Ländern.

Die Banken, vor allem die lokalen Institute, haben diese Übertreibungen finanziert, im besten Einvernehmen mit ihren Regierungen. Das Kreditvolumen der Banken in Großbritannien, Irland und Spanien ist dreimal so hoch wie die jeweilige Wirtschaftsleistung. Gesund ist das nicht.

Die Welt soll aus ihren Problemen herauswachsen

Hinzu kommt, dass viele Staaten die Verschuldung drastisch erhöht haben, um ihre Banken zu retten. Das Kreditgift, das das Bankensystem zu zersetzen drohte, ist noch immer in der Welt und frisst sich jetzt durch die Staaten.

Verlieren Regierungen ihre Kreditwürdigkeit, schlägt das als Erstes auf die Banken des Landes zurück. Griechenlands Banken hängen bereits am Tropf der EZB. Spanien bietet seinen Banken 100 Milliarden Euro Krisenhilfe an, muss sich das Geld aber erst beschaffen. Wenn angesichts der Abwärtsspirale in Griechenland Zweifel an der Stabilität der spanischen Banken aufkommen, wird auch die Regierung in Madrid sich schwertun, Geld aufzubringen. Das Schicksal von Banken und Staaten ist miteinander verknüpft.

Die Krisenstrategie der Regierungen und Notenbanken war bislang darauf ausgerichtet, die Banken kurzfristig mit viel Geld zu versorgen. Sie sollten Zeit gewinnen, um wieder Profite zu erzielen und so ihre Schulden abzubauen.

Ähnlich ist das Kalkül bei den Staatsschulden. Die Welt soll aus ihren Problemen herauswachsen. Solange alle an den Erfolg dieser Strategie glaubten, haben sich Banken und Wirtschaft überraschend schnell erholt. Doch jetzt besteht die Gefahr, dass das Vertrauen schwindet und Investoren erneut aus Risikoanlagen fliehen. Schon deutet sich an, dass sich Banken in einigen Ländern nicht mehr am Markt finanzieren können.

Wie können Regierungen und Notenbanken gegensteuern? Griechenland wird um eine Umschuldung nicht herumkommen. Es wäre besser, dieses relativ kleine Land von einem Teil seiner Schulden zu befreien, als die Probleme in die Zukunft zu verschieben.

Um eine Ansteckung anderer, größerer Staaten zu verhindern, müssen die Notenbanken und der Internationale Währungsfonds jetzt starke Signale senden. Sie sollten zeigen, dass sie bereit sind, Geldengpässe von Staaten genauso entschlossen zu überbrücken wie bei den Banken.

Und die Banken selbst? Kreditinstitute, die auf hohen Beständen von Staatsanleihen sitzen, können derzeit kaum mehr tun, als stillzuhalten. Investoren und Banken aber, die in dieser höchst brisanten Situation auf Staatspleiten wetten, sind zwar nicht Verursacher der Probleme, handeln aber verantwortungslos und sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen.

Es gibt Mittel, solche Wetten für Spekulanten unattraktiv zu machen. Die Regulierer sollten jetzt handeln, um einen Flächenbrand zu verhindern.

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