Militär:Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

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Ukrainische Soldaten gehen in der Nähe der russischen Stellungen in der Region Luhansk durch den Wald. Foto: LIBKOS/AP/dpa (Foto: dpa)

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Kiew (dpa) - Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge einige Erfolge im Kampf bei Bachmut errungen. Es seien Angriffe auf einer Breite von drei Kilometern und einer Länge von 2,6 Kilometern durchgeführt worden, sagte der Gründer des umstrittenen ukrainischen Regiments Asow, Andrij Bilezkyj, in der Nacht zum Mittwoch bei Telegram.

Das Territorium sei komplett frei von russischen Soldaten. Aus Sicht der Nato befinden sich die Streitkräfte Moskaus in der Ukraine generell in einer zunehmend schwierigen Situation. Nach Einschätzung des deutschen Generalinspekteurs Carsten Breuer kommt Kiew dagegen mit den Vorbereitungen für seine Militäroffensive voran.

Söldner-Chef Prigoschin befürchtet Einkesselung bei Bachmut

Der Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner befürchtet eine Einkesselung seiner Einheit in den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut. "Angesichts fehlender Munition droht sich der "Fleischwolf" nun in umgekehrter Richtung zu drehen", schrieb Jewgeni Prigoschin am Mittwochabend auf Telegram. Wegen hoher Verluste habe Wagner den Flankenschutz regulären Einheiten der russischen Armee überlassen müssen, die nach Berichten ukrainischer Militärs vom Mittwoch bis zu zwei Kilometer zurückgedrängt wurden.

"Es besteht jetzt die ernsthafte Gefahr der Einkesselung von Wagner durch den Zusammenbruch der Flanken", schrieb Prigoschin. "Und die Flanken weisen bereits jetzt Risse auf und bröckeln." Nach Prigoschins Einschätzung hat Bachmut "keinen strategischen Wert". Der Kampf um Bachmut sei von russischer Seite nur aufgenommen worden, um nach dem Rückzug russischer Truppen aus anderen Teilen der Ukraine das Potenzial der ukrainischen Streitkräfte zu zermürben.

Nato: "Goliath wankt"

Die Dauer und der Verlauf des Krieges setzen Moskau nach Einschätzung der Nato immer mehr zu. "Russland ist im 15. Monat eines Krieges, von dem es dachte, er würde drei Tage dauern", sagte der Vorsitzende des Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, am Mittwoch in Brüssel. Er fügte hinzu: "Goliath wankt. Und das liegt daran, dass David unterstützt von 50 Nationen aus der ganzen Welt enorme Widerstandsfähigkeit und taktische Brillanz bewiesen hat."

Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet, dass das Bündnis die neuen Pläne zu Verteidigungsstrategie und zum Ausbau der Rüstungsproduktion beim Gipfeltreffen im Juli auf den Weg bringt. "Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber nicht so schnell wie es die gefährliche Welt, in der wir leben, erfordert", mahnte Stoltenberg.

Generalinspekteur: Kampfmoral der Ukraine weiter sehr hoch

Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer hat auf die ungebrochen hohe Kampfmoral der Ukraine hingewiesen. "Ich habe nichts von Kriegsmüdigkeit erlebt, sondern einen nahezu schon unbändigen Willen, diesen Krieg nicht nur zu beenden, sondern auch zu gewinnen", sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur nach einem Besuch vor Ort.

Aktuell seien die Boden-Verhältnisse schwierig. "Der Boden ist immer noch morastig und feucht. Teilweise stehen noch große Seen auf den Feldern. Die Voraussetzungen für eine umfassende Offensive waren in den letzten Wochen noch nicht gegeben", sagte Breuer weiter. Ihm sei in allen Gesprächen aber bedeutet worden, dass Planungen für die ukrainische Offensive liefen.

Tschechien liefert zwei Flugabwehrsysteme an Ukraine

Tschechien überlässt der Ukraine zwei Flugabwehrraketensysteme des sowjetischen Typs 2K12 Kub. Die Lieferung umfasse eine "relativ große Zahl an Raketen", sagte der tschechische Präsident Petr Pavel am Mittwoch in einem Rundfunk-Interview. Die Ukraine könne diese Technik sofort einsetzen, da ihre Soldaten mit ihr vertraut seien. Das System kann etwa zum Schutz von Panzerverbänden vor Angriffen aus der Luft dienen.

Als weitere Möglichkeit brachte der Ex-General Überlegungen ins Spiel, Kiew leichte Kampfjets vom Typ Aero L-159 bereitzustellen. Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine hat Tschechien dem angegriffenen Land unter anderem bereits Kampf- und Schützenpanzer, Hubschrauber, Raketenwerfer und große Mengen Munition zur Verfügung gestellt.

Drohnen attackieren russischen Militärstandort

Zwei Drohnen haben nach offiziellen Angaben einen russischen Militärstandort in der westrussischen Region Woronesch unweit der Ukraine attackiert. Der Angriff sei abgewehrt worden, schrieb der dortige Gouverneur Alexander Gussew am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal. "Eine ist durch die Einwirkung (der Flugabwehr) vom Kurs abgekommen und abgestürzt, die andere wurde durch Beschuss zerstört."

Mehrere Medien berichteten, bei dem Angriff seien mehr als zehn russische Soldaten verletzt worden. Nach Angaben des unabhängigen Internetportals Astra galt der Angriff dem Truppenübungsplatz Pogonowo südwestlich von Woronesch. Wegen der Attacke seien zehn Krankenwagen nach Pogonowo beordert worden, die Zahl der Verletzten liege bei "über zehn".

London ortet angesichts der Moskauer Parade erhebliche Schwächen

Die Parade zum "Tag des Sieges" über Nazideutschland am Dienstag in Moskau hat nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten die Schwächen des russischen Militärs offenbart. Der seit 15 Monaten andauernde Angriffskrieg Russlands in der Ukraine stelle die Russen vor Herausforderungen hinsichtlich Material und strategischer Kommunikation, hieß es im täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London am Mittwoch.

Von den 8000 an der Parade teilnehmenden Militärangehörigen seien die meisten Angehörige von Hilfstruppen und paramilitärischen Verbänden sowie Kadetten gewesen. Die einzigen einsatzbereiten regulären Truppen seien Kontingente der Eisenbahntruppen und der Militärpolizei gewesen.

Russland vor offiziellem Austritt aus Abrüstungsvertrag KSE

Russland bereitet den offiziellen Austritt aus dem Abrüstungsvertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) vor. Das geht aus einer Anordnung von Präsident Wladimir Putin hervor, die der Kreml am Mittwoch veröffentlichte. Dort wird Vizeaußenminister Sergej Rjabkow zum Bevollmächtigten bei der Debatte im Parlament ernannt.

Das Gesetzesprojekt über den Austritt selbst ging noch nicht in der russischen Staatsduma ein. Der KSE-Vertrag legt die Obergrenzen für die Stationierung schwerer Waffen auf dem europäischen Kontinent fest. Dazu zählen Kampf- und Schützenpanzer, schwere Artillerie, Kampfflugzeuge und -hubschrauber. Moskau gehörte 1990 zu den Mitunterzeichnern der Vereinbarung, legte aber bereits 2007 dessen Umsetzung größtenteils auf Eis.

© dpa-infocom, dpa:230510-99-629149/7

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