Geschichte - Erfurt:Holocaust-Gedenken: Marx für jüdische Feiertage

Geschichte - Erfurt: Kerzen stehen auf einem Platz. Foto: Marcus Brandt/dpa/Archivbild
Kerzen stehen auf einem Platz. Foto: Marcus Brandt/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - In einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus hat Thüringens Vize-Landtagspräsidentin Dorothea Marx die Einführung jüdischer Feiertage in Thüringen angeregt. "Denn ich verstehe nicht, warum religiöse gesetzliche Feiertage auf christliche Religionen beschränkt sind", sagte Marx am Freitag im Thüringer Landtag. Das sei ein "ganz persönlicher Vorschlag" von ihr.

Am Rande der Veranstaltung erläuterte sie, dass jüdische Feiertage früher Bestandteil des Alltags in Deutschland gewesen seien. "Da wusste jeder, was los ist an Jom Kippur oder Rosch ha-Schana." Inzwischen sei das aber nicht mehr so, sagte Marx, die auch SPD-Abgeordnete im Parlament ist. Ihrer Meinung nach könnten gesetzlichen Feiertage die Vielfalt der Religionen ausdrücken.

Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, signalisierte Offenheit. "Da müsste ganz in Ruhe darüber gesprochen werden", sagte Schramm. Es stelle sich etwa die Frage, ob es um einen gesetzlichen Feiertag mit oder ohne Arbeit gehe. Man müsse auch generell darüber sprechen, inwieweit die Religionsgemeinschaften in Deutschland berücksichtigt würden. "Ich persönlich würde nicht davon ausgehen, dass das nur auf Juden zutreffen soll, ich könnte mir da schon auch die Muslime mit vorstellen. Und ich weiß auch nicht, ob es dort aufhören muss", sagte Schramm.

Am Freitag erinnerten Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft an vielen Orten in Thüringen an die Opfer des Holocaust. "Würden wir jedem einzelnen der sechs Millionen Opfer des Holocaust heute eine Gedenkminute widmen, nur eine einzige, es wäre elf Jahre still", sagte Marx.

Am 27. Januar 1945 hatten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz im besetzten Polen befreit. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet. Seit 1996 wird das Datum in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen. An vielen Orten wurden am Freitag zur Erinnerung Kränze niedergelegt. Auch in der Gedenkstätte Buchenwald war am Freitag eine Kranzniederlegung geplant.

Erstmals fand die Gedenkstunde zum 27. Januar im Thüringer Landtag ohne die Anwesenheit von Überlebenden statt, wie Marx in ihrer Rede bemerkte. "Wie wollen wir ohne Euch die Erinnerungen wach halten?", fragte sie und versprach: "Wir werden Demokratie und Menschenrechte verteidigen und schützen gegen die Renaissance von Rassismus, Hass und Ausgrenzung."

Sie gedachte auch der im vergangenen Jahr verstorbenen KZ-Überlebenden. Wenige Wochen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine war im März 2022 der Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald, Boris Romantschenko, im Alter von 96 Jahren bei einem russischen Angriff auf sein Wohnhaus in der ostukrainischen Stadt Charkiw getötet worden.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bezeichnete den Schwur von Buchenwald als einen untrüglichen Leitfaden politischen und gesellschaftlichen Handelns. Zugleich wies er darauf hin, dass inzwischen Generationen aufwuchsen, deren Großeltern weder den Krieg noch die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus aus eigener Anschauung erlebt hätten. Die Zeugnisse der Überlebenden seien von entscheidender Bedeutung. "Unsere Erinnerungskultur muss mit einer Kultur des Handelns verknüpft werden, die über rein symbolische Handlungen hinausweist und echte Veränderungen in unserer Gesellschaft bewirkt", sagte Ramelow.

Im Thüringer Landtag wurde am Freitag eine Ausstellung mit dem Titel "Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora" eröffnet. Ramelow sagte, dass das Schicksal der Männer und Frauen, die aufgrund ihrer Homosexualität durch das NS-Regime verfolgt wurden, lange keinen Platz in der Erinnerungskultur gehabt habe. Dies sei beschämend. "Es waren vor allem Schwulen und Lesben selbst, die allen Widerständen zum Trotz ein ehrenvolles Gedenken an diese Opfergruppe sich erstreiten mussten", sagte der Linke-Politiker. Es sei auch ihr Verdienst, dass "unsere Erinnerungskultur zur NS-Diktatur heute vielfältiger ist".

© dpa-infocom, dpa:230126-99-370557/4

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