Obdachlosigkeit - Kiel:Land will Situation von Obdachlosen verbessern

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Kiel (dpa/lno) - In Schleswig-Holstein verschärft sich das Problem der Wohnungslosigkeit. Etwa 11.000 Menschen im Norden sind derzeit nach Regierungsangaben davon betroffen. Es sei beschämend, dass in einem reichen Land wie Deutschland Menschen kein Obdach hätten, sagte Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) am Donnerstag in Kiel. Die Situation sei bedrückend und alarmierend. Die Wohnungslosigkeit müsse viel stärker in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.

Das Land will verschiedene Instrumente noch stärker nutzen, um den Menschen ein Leben in eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Touré sagte, es gebe diverse Projekte, um den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern.

Geplant ist auch die Umsetzung des Konzepts "housing first": Dabei wird Bedürftigen zuallererst eine Wohnung angeboten, dann werden weitere Hilfsmöglichkeiten gesucht. "Menschen in Not sollten erst einmal eine eigene Wohnung haben, bevor sie sich um andere Dinge kümmern müssen", sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). "Wir fördern praktisch alles, was geht."

Sütterlin-Waack denkt auch über einen Fonds für private Vermieter nach, die bereit sind, an Wohnungslose zu vermieten. Mit einer solchen Absicherung könne solchen Vermietern die Angst genommen werden, "dass etwas zu Bruch geht".

Das Allerwichtigste sei aber: "Wir brauchen Wohnungen." Die Ministerin verwies auf ein mit 20 Millionen Euro ausgestattetes Sonderprogramm, mit dem Wohnraum für besondere Bedarfsgruppen zur Verfügung gestellt werden soll. Sie brachte auch die Möglichkeit ins Spiel, Wohnungslose in Tiny Houses, also Mini-Fertighäusern, unterzubringen, auch wenn sie im Blick auf Flächen- und Energieverbrauch "ein bisschen skeptisch" sei. "Wenn wir denn die Grundstücke finden...", meinte dazu die Geschäftsführerin der Stadtmission Kiel, Karin Helmer.

In der Landeshauptstadt steige die Zahl der Wohnungslosen von Jahr zu Jahr. 2019 seien es 1500 gewesen, 2021 fast 2000 und bis zum 1. September habe sich die Zahl zum Vorjahr noch einmal um 20 Prozent erhöht. "Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind vielfältig und wir haben es täglich mit unzähligen Einzelschicksalen zu tun", sagte Helmer. "Trennungen, Krankheiten, Gewalt, Süchte, Jobverlust, zu geringe Renten, zu hohe Mieten, Tod von Angehörigen - Schicksalsschläge, die uns alle treffen können."

Grundsätzlich würden bezahlbare Wohnungen anstatt Notunterkünfte gebraucht, sagte Helmer angesichts des nahenden Winters. Kurzfristig müssten Notunterkünfte aber massiv ausgebaut werden. Infolge der Teuerungen drohten in den nächsten Monaten viele Menschen wohnungslos zu werden. "Die Notunterbringung ist an ihren Grenzen."

Helmer unterstützte die Bemühungen der Landesregierung, aber: "Es dauert zu lange." Es sei zu klären, ob die politischen Maßnahmen von Land und Bund ausreichten, sagte Touré. Sie fürchtet, dass viele Entlastungsmaßnahmen des Bundes für diesen Winter zu spät kommen.

© dpa-infocom, dpa:220915-99-772050/4

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