Geschichte - Essen:Kriegsgräberfürsorge betont Beitrag zur Völkerverständigung

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge NRW die Bedeutung der Völkerverständigung hervorgehoben. "Es ist nicht die große Diplomatie, die wir machen", sagte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Kriegsgräberfürsorge, Thomas Kutschaty, am Donnerstag. Aber es sei immer wieder bewegend, wenn Menschen sich mit kleinstem Einkommen aus Russland auf den Weg etwa nach Stukenbrock-Senne machten, "um einmal am Grab des Bruders stehen zu können", sagte Kutschaty, der auch Landesvorsitzender der NRW-SPD ist. Bis heute wirke das Kriegsleid in der Zivilbevölkerung nach.

In Deutschland gibt es insgesamt 4085 sowjetische Kriegsgräberstätten, auf denen etwa 660.000 Menschen ruhen. Allein in Stukenbrock-Senne in Ostwestfalen sind etwa 65.000 sowjetische Kriegsgefangene bestattet. In NRW gibt es mehr als 2200 Kriegsgräberstätten mit mehr als 330.000 Gräbern, davon mehr als die Hälfte ausländischer Herkunft.

Die Verschlechterung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland hat nach Worten Kutschatys die Arbeit der Kriegsgräberfürsorge verändert. Die Arbeit gehe in Russland zwar voran, aber es seien Verstimmungen bei Gedenkveranstaltungen zu merken. Kürzlich sei etwa bei einer Veranstaltung in Kursk untersagt worden, die deutsche Nationalhymne zu spielen. Nach seinem Gefühl sei das Interesse der russische Seite, Versöhnungsarbeit über den Gräbern zu machen, derzeit "ein bisschen zurückhaltender geworden", sagte Kutschaty. "Es gibt weniger Dialog über die klassische Arbeit hinaus."

Der Volksbund setze vor allem auf die Jugendarbeit. Denn Hass und Antisemitismus seien derzeit in der jungen Generation wieder weit verbreitet. "Wir müssen ihnen deutlich machen, wozu das schon einmal in Deutschland geführt hat." Die Kriegsgräberfürsorge hoffe, dass im Spätsommer trotz Corona noch eine Jugendbegegnung in St. Petersburg stattfinden könne. Der Volksbund plant rund um den Gedenktag zahlreiche Veranstaltungen wie Vorträge, Lesungen und Friedhofsführungen in NRW.

80 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion sei es wichtig, "an diesen menschenverachtenden Angriffs- und Vernichtungskrieg zu erinnern", sagte Kutschaty. Denn die Zeitzeugen würden immer weniger. Mindestens fünf Millionen sowjetische Soldaten seien in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten, drei Millionen hätten sie nicht überlebt. Mehr als 2,7 Millionen deutsche Soldaten und 1,4 Millionen deutsche zivile Arbeitskräfte starben nach Angaben des Volksbundes an der Ostfront. Über drei Millionen deutsche Soldaten gerieten in sowjetische Gefangenschaft oder gelten als vermisst.

Immer noch würden jedes Jahr Tausende Gefallene in Osteuropa umgebettet, sagte Kutschaty - allein 4088 im Jahr 2020. Für dieses Jahr seien trotz erschwerter Bedingungen wegen Corona rund 10.000 Bergungen und Bestattungen vorgesehen. Die Situation sei heute aber auch aus einem anderen Grund anders. "Früher haben Angehörige ihre Kriegsopfer gesucht, heute suchen wir zu den Kriegsopfern, die wir finden, die Angehörigen."

Der Volksbund widmet sich im Auftrag der Bundesregierung der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, und zu erhalten. Er fördert auch die Begegnung junger Menschen an den Ruhestätten der Toten. Die Kriegsgräberfürsorge beantwortet jährlich rund 24.000 Anfragen zum Verbleib der Toten beider Weltkriege.

© dpa-infocom, dpa:210610-99-940617/3

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