Umwelt - Frankfurt am Main:Umweltaktivisten nach Abseilaktionen in U-Haft: Proteste

Deutschland
Ein Gegner des A49-Ausbaus wird von Beamten der Polizei von einer Brücke abgeseilt. Foto: Boris Roessler/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Frankfurt (dpa) - Die umstrittenen Abseilaktionen von Autobahnbrücken im Rhein-Main-Gebiet haben für neun Gegner des Weiterbaus der A49 eine Untersuchungshaft zur Folge. Insgesamt seien gegen elf Aktivisten Haftbefehle erlassen worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Mittwoch. Gegen zwei der Aktivisten seien diese gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Derweil gab es in- und außerhalb Hessens weitere Protestaktionen.

Wie Attac bekanntgab, hängten Aktivisten der Organisation sowie des Künstlerkollektivs "Dies Irae" in der Nacht zum Mittwoch in mehreren hessischen Städten gefälschte Grünen-Plakate auf. Damit protestiere man gegen die geplanten Rodungen im Dannenröder Wald (Vogelsbergkreis) und den Ausbau der A49 in Hessen, der von den Grünen in der Landesregierung mitgetragen werde, hieß es. Auf den Plakaten seien verschiedene Szenen zu sehen, darunter etwa eine riesige Holzernte-Maschine im Einsatz und ein bereits gerodetes Waldstück, darüber stehe der Schriftzug "Grün regiert", so Attac.

Dazu erklärte Jürgen Frömmrich, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, die Grünen hätten sich "immer gegen den Bau der Bundesautobahn 49 ausgesprochen". "An unserer Meinung hat sich gerade angesichts der Klimakrise nichts geändert. Trotzdem müssen wir uns an demokratische und rechtsstaatliche Entscheidungen halten, ohne dabei unsere eigene Position aufzugeben", so Frömmrich. "Uns schmerzt jeder Baum, der im Dannenröder Forst gefällt wird." Vor diesem Hintergrund sei es "fraglich, ob die von Attac gewählte Form der Auseinandersetzung den demokratischen Regeln des fairen Umgangs miteinander entspricht", erklärte der Grünen-Politiker. "Jede und jeder darf jederzeit seine Meinung frei äußern, und wir stehen immer für sachliche Diskussionen bereit - auch nach den unsachlichen Äußerungen von Attac."

Die elf Aktivisten, gegen die Haftbefehl erlassen wurde, sollen sich am Montagmorgen im Berufsverkehr von Brücken an den Autobahnen 3, 5 und 661 abgeseilt haben. Mit den Aktionen hatten sie gegen den Weiterbau der A49 in Mittelhessen protestiert, für den derzeit bereits Bäume im Herrenwald bei Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) gefällt werden. Rodungsarbeiten stehen auch im Dannenröder Forst bei Homberg/Ohm im Vogelsbergkreis an. Die Abseilaktionen hatten für kilometerlange Staus gesorgt, auch zu einem Unfall soll es auf der A661 gekommen sein, ob allerdings ein Zusammenhang mit den Aktionen besteht, stand nach Polizeiangaben zunächst nicht fest. Aus Politik und Wirtschaft kam teils heftige Kritik an den Aktionen.

Die Frankfurter Rechtsanwältin und stellvertretende Vorsitzende des Frankfurter Anwaltsvereins, Waltraut Verleih, hält die Untersuchungshaft gegen die Aktivisten für nicht gerechtfertigt. Zum einen sei der Verkehr wegen der Höhe, in der die Menschen an den Brücken hingen, nicht beeinträchtigt worden. Die Autofahrer seien durch die Demonstranten nicht an der Weiterfahrt gehindert worden, sagte Verleih der Deutschen Presse-Agentur. Zum anderen dürfte eine Prüfung der Beweggründe ergeben, dass keine Verwerflichkeit der Tat vorliege.

Aus Sicht Verleihs sind auch weder Flucht- noch Verdunklungsgefahr als mögliche Haftgründe gegeben: Die Aktivisten hätten ihre Bindungen im Dannenröder Forst, "wohin sollten sie also fliehen?", so die Rechtsanwältin. Zudem gebe es eine Menge Bilder von der Tat, damit sei das objektive Geschehen gesichert und eine Tataufklärung möglich. Durch die Bevollmächtigung von Anwälten sei es zudem wie bei jedem anderen Strafverfahren möglich, die Personen zu erreichen.

Es dränge sich daher eher der Eindruck auf, dass es sich bei der Untersuchungshaft um "eine vorweggenommene Bestrafung" handele, sagte Verleih. "Wie immer, wenn die Politik Proteste nicht in den Griff bekommt, wird mit Mitteln der Repression reagiert."

Derweil machten A49-Gegner mit weiteren Protesten Front gegen das Autobahnprojekt. Am Mittwochmorgen gab es eine Aktion an der Parteizentrale der Grünen in Berlin. Einigen Aktivisten gelang es dabei, mit einer Leiter auf einen Balkon des Hauses zu steigen. Dort entfalteten sie ein Transparent "Autopartei? Nein Danke". Die Grünen sind in Hessen an einer Regierungskoalition mit der CDU beteiligt.

Die Aktivisten forderten den sofortigen Baustopp an der neuen Autobahn. "Wer 2020 eine neue Autobahn bauen will, ignoriert die Grausamkeit der Klimakrise", hieß es in einer Mitteilung.

Unterdessen gab der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel weitere rechtskräftige Entscheidungen rund um die A49-Proteste bekannt. Dabei ging es erneut um die Bildung von Menschenketten auf der künftigen Autobahntrasse. Diese seien zulässig, allerdings nur in bestimmten zeitlichen und räumlichen Grenzen. Der VGH hatte bereits zuvor Entscheidungen zur Bildung von Menschenketten bekanntgegeben.

Die A49 soll nach dem Lückenschluss Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden. Befürworter versprechen sich unter anderem weniger Verkehrsbelastung und eine geringere Unfallgefahr in den Dörfern der Region sowie eine bessere Straßenanbindung für Pendler und Unternehmen. Die Gegner halten das Projekt angesichts der Klimakrise für verfehlt, weil es der Verkehrswende entgegenstehe.

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