Prozesse - Hagen:Mordversuch im Rockermilieu: Sechs Angeklagte schweigen

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Eine Figur der Justitia. Foto: picture alliance/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Hagen (dpa/lnw) - Muskeln, Tattoos und eisige Blicke: Sechs Rocker des Motorrad-Clubs "Bandidos" müssen sich seit Montag vor dem Hagener Schwurgericht verantworten. Der schwerste Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Mordversuch. Nach der Wiedergründung des "Chapter Hagen" im April 2018 sollen die Rocker versucht haben, notfalls auch mit Gewalt Gebietsansprüche durchzusetzen und andere Motorrad-Clubs aus der Stadt zu vertreiben. Bei einem Aufeinandertreffen mit einem Rocker der verfeindeten "Freeway Riders" sollen sie schließlich im September 2018 das Auto des Mannes beschossen haben. Verletzt wurde dabei niemand.

Unter den 22 bis 53 Jahre alten Angeklagten befindet sich laut Anklageschrift die Führungsriege des Bandidos-Chapters Hagen - neben dem Präsidenten auch dessen Vize und der sogenannte "Sergeant at Arms". Schon am Gründungstag sollen die Rocker mit ihren Motorrädern demonstrativ durch Hagen gefahren sein, um allen anderen zu zeigen, dass sie die Stadt für sich vereinnahmen wollten und das alleinige Vertretungsrecht für ihren Club beanspruchten.

Nur wenige Wochen später kam es laut Staatsanwaltschaft zu einer ersten Auseinandersetzung mit einem verfeindeten Rocker. Ein Mann, der in einer Bar ein T-Shirt trug, das ihn als Unterstützer der "Hells Angels" auswies, wurde angeblich so lange mit Pfefferspray besprüht, bis er das Shirt auszog und das Lokal mit nacktem Oberkörper verlies. Im September 2018 sollen schließlich mehrere Angeklagte vor dem Auto eines stadtbekannten Mitglieds der "Freeway Riders" gewartet haben, bis der Mann zu seinem Fahrzeug kam. Nachdem der andere Rocker losgefahren war, sollen mindestens zwei der Angeklagten Schüsse auf das Auto abgegeben haben. Eine Kugel blieb laut Anklage in der Stoßstange stecken.

Die Staatsanwaltschaft wertet diese Tat als Mordversuch. Darüber hinaus werden den fünf Deutschen und einem Spanier noch Drogengeschäfte, Waffendelikte und Körperverletzungen vorgeworfen.

Zu Prozessbeginn ließen alle Angeklagten über ihre Verteidiger erklären, dass sie sich nicht zu den Vorwürfen äußern wollen. Rechtsanwalt Reinhard Peters hielt jedoch eine "Gegenrede zur Anklageschrift", in der er die Historie der Rockerclubs umriss und argumentierte, dass es sich dabei keineswegs von vorneherein um kriminelle Vereinigungen im Sinne des Gesetzes handele. Auch Ultras im Fußballstadion oder Burschenschaften an Universitäten bildeten seiner Ansicht nach Gruppierungen, die ihre eigenen Regeln befolgten.

"Das Verstehen der üblichen Gebräuche der Rockerclubs ist auch ein Stück Gerechtigkeit", sagte Peters. Für den Prozess hat das Hagener Schwurgericht vorerst noch 32 Verhandlungstage angesetzt. Den Zuschauern ist das Tragen von Kleidung, die sie als Unterstützer von Rockerclubs kennzeichnen, untersagt.

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