Polizei - Berlin:Vorgehen gegen extremistische Einstellungen in Polizei

Berlin
Andreas Geisel (SPD), Berliner Innensenator. Foto: Wolfgang Kumm/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Die Berliner Polizei verschärft ihre Maßnahmen vor allem gegen rechtsextremistische Einstellungen bei einzelnen Beamten. Mit einem Elf-Punkte-Konzept sollen künftig sowohl die Vorbeugung als auch das konkrete Vorgehen gegen derartige Probleme verstärkt werden. Das kündigten Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Mittwoch an. Sie sprachen von einem "Konzept zur internen Vorbeugung und Bekämpfung von möglichen extremistischen Tendenzen".

Die wichtigsten der elf Punkte sind:

- ein EXTREMISMUSBEAUFTRAGTER in der Polizeibehörde. Er ist Ansprechpartner für die Führungsetage und die einzelnen Polizisten. Wo die Stelle im Polizeipräsidium angesiedelt wird, steht laut Slowik noch nicht fest.

- ein SYSTEM FÜR ANONYME HINWEISE: So ein System, das über das Internet läuft, gibt es bereits bei der Korruptionsbekämpfung in der Polizei. Nun soll es ausgeweitet werden. Dabei gehe es nicht um Denunziation, sondern um die Durchsetzung der nötigen Einstellung, sagte Slowik.

- eine regelmäßige WISSENSCHAFTLICHE STUDIE zu Einstellungen und Werten der Polizisten. Sie soll alle zwei bis drei Jahre erstellt und dann auch veröffentlicht werden, sagte Geisel.

- ÜBERPRÜFUNG DER EINSTELLUNG BEI NEUEINSTELLUNGEN: Das soll weiterhin durch persönliche Gespräche geschehen. Aber auch der Verfassungsschutz soll künftig zu möglichen Erkenntnissen über die Bewerber befragt werden. Diese Überprüfungen sollen auch später wiederholt werden. Eine Mitgliedschaft in der AfD sei allerdings noch kein Problem, sagte Geisel.

- ein FÜNFSTUFIGES AMPELSYSTEM soll verdächtige Sachverhalte und Disziplinarverfahren besser vergleichbar machen. Bei Rot und Orange sollen die betroffenen Polizisten entlassen werden. Entscheidend sei weiterhin die Prüfung des Einzelfalls.

- in PROBLEMKIEZEN wie Teilen von Neukölln, Wedding, Kreuzberg oder Spandau, wo der Migrationsanteil und die Kriminalität besonders hoch sind, sollen die Führungskräfte besonders geschult werden. Dadurch sollen sie mit Problemen bei ihren eigenen Einstellungen oder denen ihrer Untergebenen besser umgehen könne.

Polizisten, die dort lange arbeiten und bei denen Anzeichen für fremdenfeindliche Einstellungen auftauchen, sollen künftig schneller in anderen Stadtteilen arbeiten können. Slowik sagte, man müsse genau hinsehen, weil manche Polizisten täglich so viel Pöbeleien, Beleidigungen, Leid und Trauer erlebten wie andere Menschen in ihrem ganzen Leben. Hier müsse man systematisch die Abwehrkräfte gegen extremistische Einstellungen stärken.

- Verstärkt werden soll auch die AUS- und FORTBILDUNG. Zudem soll ein regelmäßiger LAGEBERICHT die Erkenntnisse zu dem Thema wiedergeben.

Geisel sagte, aus den vergangenen vier Jahren gebe es derzeit 33 Disziplinarverfahren wegen extremistischer Vorfälle. Bei 25 000 Polizisten und Polizeiangestellten sei das nicht viel. "Aber jeder Fall ist einer zu viel." Es gehe bei rechtsextremistischen Einstellungen in der Polizei auch unter den Kollegen immer wieder um die Frage: "Schaut man hin oder schaut man nicht hin."

Das Konzept sei auf viele Jahre angelegt und diene auch dem "Schutz der aufrechten Polizisten" vor pauschalen Verurteilungen, so der Innensenator. "Es gibt immer wieder einzelne, die den ganzen Berufsstand in Misskredit bringen." Dagegen müsse man vorgehen, gerade weil die Polizei wegen ihrer besonderen Aufgabe "über jeden Zweifel erhaben" sein müsse. Berlin folge damit anderen Bundesländern.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) betonte: "Das sind alles sinnvolle Schritte. Berlins Polizei hat kein flächendeckendes Extremismusproblem, aber es gibt Fälle, vor denen wir die Augen nicht verschließen dürfen." 99 Prozent der Polizisten stünden zu den demokratischen Werten. "Alle unter Generalverdacht zu stellen, wäre falsch."

Die Koalition aus SPD, Linken und Grünen leitete in den vergangenen Monaten bereits weitere Maßnahmen zur Kontrolle der Polizei ein. Künftig wird es einen Polizei- und Bürgerbeauftragten geben, der Beschwerden über die Polizei nachgeht. Außerdem wurde das Antidiskriminierungsgesetz beschlossen. Es ermöglicht Menschen, die sich durch Behörden wie die Polizei etwa rassistisch behandelt fühlen, auf Entschädigung zu klagen.

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