Prozesse - Memmingen:Rechtsstreit um Aufnahme von Frauen in Stadtfischer-Gruppe

Bayern
Teilnehmer des Fischertages stehen während des Ausfischens im Stadtbach. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Memmingen (dpa/lby) - Es geht um etwa 15 Minuten und die Jagd nach der dicksten Forelle. Dürfen Frauen künftig am Höhepunkt des Memminger Fischertags den Stadtbach ausfischen? Zum Auftakt eines Zivilprozesses haben sich die Beteiligten am Amtsgericht Memmingen im Allgäu darüber nicht einigen können.

Die Klägerin, Mitglied im veranstaltenden Verein, sieht in dem Ausschluss von Frauen aus der Stadtfischer-Gruppe per Satzung eine unzulässige Diskriminierung. Der Fischertagsverein beruft sich auf die Wahrung von Traditionen und die Vereinsfreiheit.

Ein Urteil will die Vorsitzende Richterin Katharina Erdt am 31. August verkünden. Doch der Streit dürfte damit noch nicht zu Ende sein. Beide Parteien haben für den Fall einer Niederlage bereits angekündigt, die nächsthöhere Instanz anzurufen.

Es habe sie seit ihrer Jugend gestört, dass Frauen nicht beim Ausfischen des Stadtbachs mitmachen durften, sagte die Klägerin am Montag: "Es besteht kein Grund, mir das zu verwehren." Zwei Mal hatte sie deshalb bei Delegiertenversammlungen des Vereins Änderungsanträge zur Satzung eingereicht, scheiterte aber bei den Abstimmungen jeweils deutlich. Daraufhin klagte sie.

Dabei geht es ausschließlich um das Ausfischen des Stadtbachs, das nach Angaben des Vereinsvorsitzenden Michael Ruppert normalerweise etwa 15 Minuten dauert. Teilnehmen dürfen laut Satzung nur Männer und Buben ab sechs Jahren, die seit mindestens fünf Jahren in Memmingen wohnen und eine Fischerprüfung des Vereins ablegen.

Wer den schwersten Fisch erwischt, darf sich ein Jahr lang "Fischerkönig" nennen. Nach Einschätzung des Fischertagsvereins ist das die höchste Ehre im Leben eines echten Memminger Mannes. Den Frauen bleibt die Rolle vorbehalten, als "Kübelmädle" am Rand Wasserkübel für die gefangenen Fische zu bewachen.

Frauen werde so ein wichtiger Teil des sozialen Lebens der Stadt und eine Möglichkeit zum Netzwerken verwehrt, argumentiert der Verein "Gesellschaft für Freiheitsrechte" mit Sitz in Berlin, der die Klägerin unterstützt und ein Grundsatzurteil erreichen will.

Alle anderen 35 Untergruppen des Fischertagsvereins, wie die der Stadtgarde oder der Theatergruppe beim Fischertag, stünden Frauen offen, argumentierte der Vorsitzende Michael Ruppert. Die Klägerin ist selbst als Gruppenleitung bei einem historischen Festspiel, der alle vier Jahre stattfindenden "Wallensteinwoche", aktiv. "Wir sind ein Familienverein", betonte Ruppert. Rund 1500 der etwa 4500 Mitglieder seien Frauen; diese könnten sich beim Fischertag in zehn von elf Gruppen einbringen.

Mit dem Ausfischen des Stadtbachs werde jahrhundertealtes Brauchtum bewahrt, sagte Ruppert. Dass dies Männern vorbehalten bleibt, begründe sich aus der Historie, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreiche. Der Fischertagsverein wurde zwar erst im Jahr 1900 nach einer Neuorganisation des Fests gegründet. Das Ausfischen des Stadtbachs sei aber immer Männern vorbehalten gewesen, sagte Ruppert.

Zum Auftakt der Verhandlung scheiterte der Versuch einer gütlichen Einigung. "Es gibt wahrscheinlich nur schwarz und weiß in diesem Prozess", sagte ein Anwalt des Vereins. "Wenn es Ihnen das wert ist, hängen wir noch in zehn Jahren an dem Thema", erwiderte die Anwältin der Gegenseite, Susann Bräcklein. Woraufhin auch Richterin Erdt prognostizierte: "Ich denke nicht, dass das mit mir ein Ende findet."

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