Agrar - München:Ein Jahr "Rettet die Bienen": Nachholbedarf

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Ein Imker zeigt während einer Pressekonferenz Bienen, die auf einer Wabe sitzen. Foto: Sven Hoppe/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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München (dpa/lby) - Ein Jahr nach der Umsetzung des bayerischen Artenschutz-Volksbegehrens "Rettet die Bienen" fällt das Fazit von Initiatoren, Staatsregierung und Bauernverband höchst unterschiedlich aus. So monierte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in München, dass quer durch viele Bereiche deutlich werde: "Die Übernahme durch die Regierung erfolgte aus politischem Kalkül und nicht aus Überzeugung." Es fehle oft an einer Datenbasis, die Voraussetzung für Umsetzung und Messbarkeit einzelner Maßnahmen sei.

Als Beispiel nannte Hartmann die sogenannte Bioquote für die Landwirtschaft. Das Gesetz sieht vor, dass mindestens 50 Prozent der in staatlichen Kantinen verwendeten Waren aus biologischer oder regionaler Erzeugung stammen. "Zunächst schienen wir uns alle einig, dass wir den Bioanteil in der Landwirtschaft erhöhen und den Bioabsatz deshalb ankurbeln müssen", sagte Hartmann. Nun scheitere schon dieses Ziel daran, dass die Staatsregierung nicht wisse, wie viel Bio in ihren Kantinen auf den Tisch komme, und daher auch keinen Plan für mehr Bio habe. "Hier fehlt es letztlich am echten Willen, die Herausforderungen anzupacken und zum Besseren zu lösen."

Hartmann bezieht sich in seiner Kritik auf eine Antwort des Agrarministeriums auf eine Parlamentsanfrage zur Verwendung von Bio-Schweinefleisch in Kantinen. Darin heißt es, "derzeit liegen keine aktuellen Daten vor". Gleichwohl bekräftigt die Staatsregierung ihr Ziel, den Anteil regionaler und ökologischer Lebensmittel in staatlichen Kantinen bis 2025 auf 50 Prozent erhöhen zu wollen.

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte dagegen, man habe die gestellte "Mammutaufgabe" entschlossen angepackt und einen Großteil der Maßnahmen bereits umgesetzt oder sei konkret dabei. Sie habe dabei stets größten Wert darauf gelegt, dass die Bauern die strengen Vorgaben auch vernünftig in die Praxis umsetzen könnten. "Die kluge Umsetzung in Bayern hat es ermöglicht, unverständliche, bürokratische und unpraktikable Regelungen zu vermeiden und wirtschaftlichen Schaden für die Landwirtschaft absolut zu minimieren", sagte sie.

Bauernpräsident Walter Heidl beklagte dagegen unter anderem, der zugesagte finanzielle Ausgleich bei den Gewässerrandstreifen fehle nach wie vor. Und die Regelungen zum Walzverbot ab 15. März auf den Feldern und Wiesen seien kompliziert und ungeheuer bürokratisch - hier brauche es noch Korrekturen. Zudem sei noch nicht erkennbar, dass der Schutz der Artenvielfalt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. "Während wir Bäuerinnen und Bauern nun noch mehr für die Artenvielfalt tun, fehlen auch ein Jahr nach der Verabschiedung des Volksbegehrens weiter verbindliche Vorgaben und Regeln für andere Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft", kritisierte Heidl. Artenschutz gehe alle an. "Doch die bisherigen Ergänzungen sind viel zu vage und unverbindlich. Nötig sind konkrete Vereinbarungen."

Am 17. Juli 2019 hatte der Landtag das Volksbegehren "Rettet die Bienen" angenommen und ein Begleitgesetz sowie einen umfangreichen Maßnahmenkatalog beschlossen. Kurz darauf vereinbarte der Trägerkreis des Volksbegehrens, die Umsetzung der Maßnahmen von unabhängigen Wissenschaftlern der Hochschule Nürtingen überprüfen zu lassen. An diesem Donnerstag (12.00 Uhr) wollen die Initiatoren in München Bilanz ziehen.

Das Volksbegehren hatte 2019 eine nie da gewesene Rekordbeteiligung erreicht und damit die schwarz-orange Staatsregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) massiv unter Zugzwang gesetzt. Am Ende forderten 18,3 Prozent der Wahlberechtigten - fast 1,75 Millionen Menschen - mit ihren Unterschriften einen stärkeren Natur- und Artenschutz in Bayern. Um die Kritiker des Volksbegehrens, etwa unter den Landwirten, aber auch in den Reihen von CSU und Freien Wählern, zu beruhigen, hatte Söder zudem einen runden Tisch initiiert, um alle Interessen in Einklang zu bringen.

Mit der Annahme des Volksbegehrens verhinderte die Regierung einen Volksentscheid, dieser hätte sonst auch das Artenschutzgesetz gegen den Willen der Regierung durchsetzen können. Zudem beschloss der Landtag auch ein sogenanntes Versöhnungsgesetz, das finanzielle Ausgleiche für die Bauern vorsieht, sowie einen Maßnahmenkatalog mit Regelungen etwa zur Kartierung von Biotopen.

Die neuen Gesetze sehen strengere Regeln im Umwelt-, Natur- und Artenschutz vor. Unter anderem müssen Biotope besser vernetzt, Gewässerrandstreifen an Äckern und Straßen besser geschützt, der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt und der ökologische Anbau deutlich ausgebaut werden.

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