Parteien - Hamburg:Hamburgs SPD und Grüne einig über künftige Ressortaufteilung

Deutschland
Dirk Kienscherf spricht während einer Sitzung im Rathaus. Foto: Christian Charisius/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - SPD und Grüne haben ihre Koalitionsverhandlungen in Hamburg erfolgreich abgeschlossen. Beide Parteien hätten sich über die Ressortverteilung und deren teilweise neuen Zuschnitt geeinigt, bestätigten SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf und Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. So würden die Grünen statt wie bisher drei künftig vier Senatorenposten besetzen, die SPD entscheide über sieben statt bisher acht Ressorts. Die Einigung war am Freitagabend gelungen, mehrere Medien berichteten. Der Koalitionsvertrag, an dem über Pfingsten nur noch an der Endredaktion gefeilt werden sollte, solle am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sagte Kienscherf.

Die Grünen erhalten die Ressorts Wissenschaft, Justiz, Umwelt und eine neu geschaffene eigenständige Verkehrsbehörde, die von der Wirtschaftsbehörde abgetrennt wird. Diese bleibt bei der SPD und ist weiter zuständig für den Hafen und den Flughafen. Die Gesundheitsbehörde wird aufgelöst. Der Bereich Gesundheit soll bei der von der SPD geführten Sozialbehörde angesiedelt werden. Die SPD verantwortet zudem auch künftig die Ressorts Finanzen, Innen, Schule, Stadtentwicklung sowie Kultur.

Die Grünen nannten in einem Online-Schreiben an ihre Parteimitglieder bereits ihre Senatorenkandidaten: Fraktionschef Anjes Tjarks soll Senator für Verkehr und Mobilitätswende werden. Till Steffen, bisher Justizsenator, will für den nächsten Bundestag für die Grünen kandidieren und gibt die Behörde ab. Nachfolgerin wird die Grünen-Landesvorsitzende und Bürgerschaftsabgeordnete Anna Gallina (36). Die Justizbehörde erhält als neuen Bereich den Verbraucherschutz. Das Ressort wird zuständig für das Kompetenznetzwerk gegen Rechtsextremismus.

Die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung soll bei Katharina Fegebank, der zweiten Bürgermeisterin, bleiben. Die Behörde erhält zusammen mit der Zuständigkeit für Bezirke einen zusätzlichen Staatsrat. Jens Kerstan soll ebenfalls Senator bleiben. Die Behörde für Umwelt und Energie wird erweitert zur Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Landwirtschaft. Hiermit hätten sich die Grünen auch die Zuständigkeit für Fischerei, Jagd und Wald gesichert, heißt es in dem Grünen-Schreiben. Die Behörde erhält zudem das Institut für Hygiene und Umwelt aus der Gesundheitsbehörde.

Die Grünen hatten eigentlich fünf Ressorts angestrebt. Durch die zusätzlichen Bereiche der vier Grünen-Ressorts sprechen Beobachter von einer Einigung "Vier Köpfe, fünf Ressorts".

Über die künftigen SPD-Senatoren verlautete noch nichts. Er rechne damit, dass die Kandidaten am Dienstag bei der Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag vorgestellt werden, sagte Kienscherf am Sonntag.

Klar ist, dass Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks ausscheiden wird. Das hatte die 64-Jährige zwei Tage nach der Bürgerschaftswahl angekündigt. Bislang gehören außer Prüfer-Storcks sechs Senatoren der SPD an: Andy Grote (Innen), Andreas Dressel (Finanzen), Melanie Leonhard (Soziales), Ties Rabe (Bildung), Dorothee Stapelfeldt (Stadtentwicklung) und Carsten Brosda (Kultur). Wirtschaftssenator Michael Westhagemann ist parteilos.

Tjarks und Kienscherf wollten zum Koalitionsvertrag noch nichts sagen und verwiesen auf Dienstag. Im Schreiben an die Parteimitglieder äußerten sich die Grünen aber hoch zufrieden: "Am Ende steht ein Koalitionsvertrag, der Hamburg in unserem Sinne voranbringt." So werde unter anderem der Hafen klimaneutral bis 2040 und Moorburg als Kohlekraftwerk noch in dieser Legislatur Geschichte werden. Das Schnellbahnnetz werde "massiv ausgebaut, unsere Idee von einer autoarmen Innenstadt wird Wirklichkeit".

Die Grünen haben für Samstag einen kleinen Parteitag einberufen, um über den Vertrag abzustimmen. Die SPD plant ebenfalls am Samstag eine Online-Akklamation ihrer Parteitagsdelegierten. Wenn beide Parteien zustimmen, kann Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am 10. Juni von der Bürgerschaft wiedergewählt werden. SPD und Grüne regieren seit 2015 gemeinsam.

Bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar hatten die Grünen ihren Stimmenanteil mit 24,2 Prozent (2015: 12,3) fast verdoppelt. In der Bürgerschaft verfügen sie über 33 Sitze. In der vorherigen Legislaturperiode hatten sie 15. Die SPD blieb mit 39,2 Prozent (2015: 45,6) stärkste Kraft, ihre Fraktion schrumpfte aber von 58 auf 54 Mandate. Zusammen haben beide Fraktionen eine Zweidrittelmehrheit der insgesamt 123 Sitze im Hamburger Stadtparlament.

Zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen am 23. April und gegen Ende am 22. Mai hatte Bürgermeister Tschentscher betont, dass Rot-Grün bei allem immer an die wirtschaftliche Kraft der Stadt denken werde. Eine starke Wirtschaft sei die Grundlage für alles andere, etwa in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur. Zu den Prioritäten in den nächsten Jahren sagte er: "Wir werden die Verkehrsinfrastruktur finanzieren, wir werden uns um den Klimaschutz kümmern, das Bildungswesen wird eine große Rolle spielen."

Die oppositionelle CDU kritisierte die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen massiv. "Mitten in der Pandemie und der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit die Gesundheitsbehörde aufzulösen, die Behörden für Wirtschaft und für Finanzen zu schwächen sowie den Verkehrsbereich der Ideologie der Grünen zu überlassen, ist schlecht für Hamburg", sagte am Sonntag der CDU-Landesvorsitzende Roland Heintze. "Bei der Frage, welche Partei welche Behörde führt und wie diese zugeschnitten werden, hatten Parteiinteressen Vorrang vor Fachkompetenz und Effizienz." Die SPD habe in Schlüsselbereichen "bis zur Selbstaufgabe" verhandelt.

Auch der Hamburger Beamtenbund dbb kritisierte den Ressortzuschnitt. "Aus rein politischen Gründen wird sich der öffentliche Dienst in den nächsten Wochen wieder einmal mit sich selbst beschäftigen müssen", heißt es in einer Mitteilung. Zumindest den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dürfte es sich kaum erschließen, warum beispielsweise "gerade in Corona-Zeiten die koordinierende Gesundheitsbehörde völlig abgeschafft und aufgeteilt wird", eine neue Verkehrsbehörde geschaffen und die Wirtschaftsbehörde derart verkleinert wird.

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