Prozesse - Hamburg:Ex-Polizist gesteht Dosenwurf auf Kollegen bei G20-Demo

Bayern
Polizisten sind bei der Demonstration "G20 Welcome to hell" im Einsatz. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lby) - Fast drei Jahre nach dem G20-Gipfel in Hamburg muss sich ein ehemaliger Polizist aus München wegen eines Dosenwurfs auf seine damaligen Kollegen vor Gericht verantworten. Der 38 Jahre alte Angeklagte und eine mitangeklagte Bekannte räumten am Freitag vor dem Amtsgericht Altona ein, jeweils eine Bierdose auf Polizisten im Einsatz geworfen zu haben. Der 38-Jährige ließ über seinen Anwalt erklären: "Ich wollte zu keinem Zeitpunkt einen Polizisten treffen oder verletzten."

Er habe sich die Demonstration am St.-Pauli-Fischmarkt am 6. Juli 2017 von einer Brücke aus ansehen wollen. Den Polizeieinsatz habe er als komplett unbegründet und unverhältnismäßig wahrgenommen, erklärte der 38-Jährige weiter. Seine 31 Jahre alte Bekannte und Mitangeklagte ließ über ihre Anwältin mitteilen, sie sei "schockiert und wütend" über den Polizeieinsatz gewesen. Auch sie habe niemanden mit der geöffneten Dose verletzten wollen, sonst hätte sie noch eine der vollen Dosen geworfen, die sie damals dabei hatte.

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten versuchte gefährliche Körperverletzung und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vor. Sie belegt ihre Vorwürfe mit Videoaufnahmen der Polizei. Die Sequenzen zeigen beide Beschuldigte in Zivilkleidung.

Zu der Demonstration unter dem Motto "Welcome to Hell" hatten Hamburger Linksautonome aufgerufen. Rund 12 000 Menschen versammelten sich. Die Polizei stoppte den Abmarsch vom Fischmarkt, weil sich nach ihren Angaben mehrere Tausend Teilnehmer vermummt hatten. Als die Beamten versuchten, die Vermummten abzutrennen, sei die Lage eskaliert, erklärte die Polizeiführung später vor einem Ausschuss der Bürgerschaft, dem Hamburger Parlament. Es seien mehr als 700 Straftaten verübt worden.

Auf den Videoaufnahmen, die im Prozess gezeigt wurden, ist von der Eskalation praktisch nichts zu sehen. Mehrere Dutzend Polizisten stehen in Vollschutz vor der Unterführung am Rande des Fischmarkts. Die Demonstranten haben diesen Bereich des Platzes bereits verlassen, nur auf einer Straßenbrücke stehen noch Personen, die die Beamten beobachten und ihnen etwas zurufen. Als ein Trupp Polizisten in die Unterführung läuft, werfen die Angeklagten jeweils eine Bierdose von der Brücke.

Die Verteidiger argumentierten, die Dosen seien nicht gezielt geworfen worden und hätten die Beamten auch gar nicht treffen können. Zumindest eine der Dosen sei so gut wie leer gewesen. Ihre Mandanten hätten eine Verletzung nicht billigend in Kauf genommen, wie die Anklage behaupte. Auf Anregung der Verteidigung untersuchten Kriminaltechniker in einer mehrstündigen Aktion das Flugverhalten von Bierdosen. Sie warfen vom Tatort Dosen mit unterschiedlichem Füllgewicht und zeichneten die Würfe mit Videokameras auf. Bei der Analyse kamen die Kriminalisten laut einem vom Richter verlesenen Vermerk zu dem Ergebnis, dass sich die Flugbahn einer leeren Bierdose deutlich von der Bahn unterscheidet, die die Dosen der Angeklagten nahmen.

Ein Urteil könnte beim Verhandlungstermin am 10. Juni verkündet werden. Der Prozess hatte bereits am 22. Mai beginnen sollen, war dann aber Corona-bedingt abgesetzt worden.

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