Verbände:Nach Missbrauchsklagen: Insolvenz der US-Pfadfinder

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Eine Statue im texanischen Irving stellt einen jungen Pfandfinder dar. Foto: Lm Otero/AP/dpa (Foto: dpa)

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Washington (dpa) - Die US-Pfadfinder sehen sich seit Jahren mit einer Vielzahl an Klagen wegen sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Nun ziehen sie Konsequenzen und haben Insolvenz angemeldet. 

Das Ziel sei, alle Missbrauchsopfer zu entschädigen und die Mission des Verbands auch in Zukunft fortzuführen, teilten die "Boy Scouts of America" (BSA) mit. Opfervertreter riefen Betroffene auf, sich zu melden, sollten sie dies noch nicht getan haben.

Im Zuge eines Missbrauchsskandals hatte 2018 auch der US-Turnverband Insolvenz beantragt, um Ansprüche von Missbrauchsopfern zu bedienen. Laut Mitteilung der US-Pfadfinder handelt es sich um ein Verfahren nach Kapitel 11 des amerikanischen Insolvenzrechts, das auf die Sanierung eines Unternehmens abzielt. Alle Programme und Aktivitäten der Pfadfinder sollten während des Verfahrens "und für viele weitere Jahre" fortgeführt werden, hieß es. Ortsverbände seien von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen.

Opfervertreter riefen Betroffene auf, sich jetzt zu melden. Das Insolvenzgericht werde ein Zeitfenster für die Einreichung von Ansprüchen festlegen - "und dieses Fenster könnte die letzte Chance für Missbrauchsopfer sein, um Gerechtigkeit zu suchen", sagte Andrew Van Arsdale von der Organisation "Abused in Scouting" der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage.

Es sei zu hoffen, dass die Boy Scouts Missbrauchsopfer nicht nur entschädigten, sondern zugleich "maßgebliche Schritte" unternähmen, die erforderlich seien, um Farbe zu bekennen und die Sicherheit der Pfadfinder in Zukunft zu garantieren, sagte Van Arsdale. Dazu gehöre auch, Informationen über die Täter mit den Strafverfolgungsbehörden zu teilen.

Die Zahl der Missbrauchsklagen gegen die BSA geht laut "Abused in Scouting" in die Tausende. Die Vorwürfe waren immer ähnlich: Missbrauch Minderjähriger durch leitende Pfadfinder. Zudem seien Vertuschungsvorwürfe gegen die Organisation laut geworden.

2012 waren Geheimakten über Missbrauch bei den US-Pfadfindern veröffentlicht worden. Darin wurden mehr als 1000 Betreuer und Helfer der Jugendorganisation aufgeführt, die in den Jahren 1965 bis 1985 wegen Missbrauchsvorwürfen von der Gruppe ausgeschlossen worden waren. Die Organisation hatte sich ursprünglich gegen die Freigabe der Dokumente gewehrt.

Der TV-Sender CNN berichtete, dass in einem Zeitraum von 72 Jahren (1944 bis 2016) mehr als 12.000 Pfadfinder Opfer von mehr als 7800 Pfadfinderführern geworden seien. Kinder und Jugendliche seien Pornografie ausgesetzt sowie zum Anal- und Oralverkehr gezwungen worden. Laut CNN übersteigen die Verbindlichkeiten des Verbandes, dessen Mitgliederzahl schrumpft, die Vermögenswerte um ein Vielfaches.

"In gewisser Weise ist dies ein Bekenntnis seitens der Pfadfinder, dass sie dieses gewaltige Problem hatten und dass das Problem so groß ist, dass sie es nicht selbst händeln können", sagte Opferanwalt Michael Pfau der "Washington Post" mit Blick auf den Insolvenzantrag.

"Die BSA sorgt sich sehr um alle Opfer von Missbrauch und entschuldigt sich aufrichtig bei allen, die während ihrer Zeit in der Pfadfinderei Schaden genommen haben", sagte BSA-Präsident Roger Mosby laut Mitteilung. Man sei "empört", dass es Zeiten gegeben habe, in denen Einzelpersonen die Programme ausnutzten, um unschuldige Kinder zu verletzen.

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