Extremismus - Halle (Saale):Politische Aufarbeitung des Terrors beginnt

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Halle/Magdeburg (dpa) - Wenige Tage nach dem Terroranschlag von Halle beginnt die politische Aufarbeitung. So kommen etwa im Magdeburger Landtag heute (10.00 Uhr) die Innenexperten zu einer Sondersitzung zusammen. Sie wollen von der Landesregierung wissen, was inzwischen zu den Ereignissen und den Hintergründen bekannt ist.

Auch zum Polizeieinsatz sind kritische Fragen angekündigt. So wollen die AfD-Abgeordneten von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Antworten zur Reaktionsgeschwindigkeit der Polizei am Tattag. Fragen dürfte es auch zum bisherigen Schutz der Jüdischen Gemeinde in Halle geben.

Am Wochenende hatte sich der Präsident des Zentralrats der Juden erneut zu Wort gemeldet und Stahlknecht widersprochen. Der Innenminister hatte betont, die Polizei sei der Bitte um Schutz stets nachgekommen. Diese Aussage sei unzutreffend, entgegnete Schuster. Inzwischen werden alle jüdischen Einrichtungen und zwei Moscheen in Sachsen-Anhalt permanent von der Polizei bewacht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte kurz nach der Tat angekündigt, mit seinen Länderkollegen über einen besseren und einheitlichen Schutz von Synagogen und Jüdischen Gemeinden sprechen zu wollen. Zu diesem Zweck soll es ein Sondertreffen der Innenministerkonferenz geben. Angepeilt ist sie für Freitag in Berlin, ganz sicher war der Termin zuletzt allerdings noch nicht.

Bereits an diesem Montag will die CDU-Spitze ein Eckpunktepapier verabschieden, in dem es um Maßnahmen für eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden geht. Auch die Präventionsarbeit soll gestärkt werden. "Wir brauchen klare Antworten der Gesellschaft und des Staates auf Menschenhass und Terror und wirksame Instrumente gegen deren Akteure und Netzwerke", heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Beschlussentwurf.

In der großen Koalition wird unterdessen nach einem Bericht des "Handelsblatts" (Montag) über die Überwachung von Messengerdiensten gestritten. Auslöser sind Forderungen der Union, den Sicherheitsdiensten mehr Befugnisse im Internet zu gewähren. "Wenn unsere Sicherheitsbehörden im digitalen Zeitalter effektiv arbeiten wollen, benötigen sie auch die entsprechenden Instrumente", sagte der CDU-Sicherheitspolitiker Patrick Sensburg. Dies stoße in der SPD auf Widerstand. "Wer eine bewusste Schwächung der Kommunikation fordert, nimmt in Kauf, Schäden für unbescholtene Nutzerinnen und Nutzer herbeizuführen", sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann.

In Berlin soll zudem das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages zusammenkommen, um sich mit dem Anschlag zu befassen. Das Gremium soll die Arbeit der Geheimdienste kontrollieren. Bisher hieß es, die Sicherheitsbehörden hätten den verhafteten 27-Jährigen nicht auf dem Schirm gehabt.

Der gebürtige Sachsen-Anhalter hat gestanden, den Anschlag aus rechtsextremen und antisemitischen Motiven begangen zu haben. Am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, in die mit mehr als 50 Gläubigen besetzte Synagoge zu gelangen. Als das scheiterte, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin und kurz darauf einen 20 Jahre alten Mann in einem nahen Dönerladen. Auf seiner Flucht verletzte der Schütze ein Ehepaar schwer. Er konnte nach bisherigen Angaben knapp 90 Minuten nach Bekanntwerden der Tat festgenommen werden. Der 27-jährige Deutsche sitzt in Untersuchungshaft.

In Halle gehen die Trauer und das Gedenken an die Opfer des Anschlags auch fünf Tage nach der Tat weiter. Für Montagabend (ab 17.00 Uhr) haben Vertreter der Kirche zu einem Ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche eingeladen. Zu dem Gedenken wird auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erwartet.

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