Kunst - Berlin:Polit-Inszenierung zum Auftakt von Kunstfest Weimar

Weimar (dpa/th) - Schwingende Röcke, steife Hüte und historische Redebeiträge: Zum Beginn des Kunstfests Weimar haben neben Schauspielern des Deutschen Nationaltheaters (DNT) auch Politiker und Laien das Publikum auf Zeitreise geschickt. In einer Inszenierung von Regisseur Nurkan Erpulat (Maxim-Gorki-Theater Berlin) trugen die Darsteller politische Debatten und parlamentarische Redebeiträge aus der Zeit der Weimarer Republik (1919-1933) vor.

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Weimar (dpa/th) - Schwingende Röcke, steife Hüte und historische Redebeiträge: Zum Beginn des Kunstfests Weimar haben neben Schauspielern des Deutschen Nationaltheaters (DNT) auch Politiker und Laien das Publikum auf Zeitreise geschickt. In einer Inszenierung von Regisseur Nurkan Erpulat (Maxim-Gorki-Theater Berlin) trugen die Darsteller politische Debatten und parlamentarische Redebeiträge aus der Zeit der Weimarer Republik (1919-1933) vor.

Auf der Bühne stand dafür am Mittwochabend unter anderem Gregor Gysi. Der Präsident der Europäischen Linken interpretierte eine Rede einer Abgeordneten der linken Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) in der Weimarer Nationalversammlung. Seine Vortragsweise erinnerte an Gysis eigene Reden. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schlüpfte vor mehreren Hundert Zuschauern für seine Rede in die Rolle des früheren SPD-Reichskanzlers Gustav Bauer.

Nicht jeder der Laiendarsteller war textsicher, andere ergänzten die Reden mit eigenen Kommentaren zu aktuellen politischen Fragen, wie der Flüchtlingssituation im Mittelmeer.

Es gehe darum, Bewusstsein für historische Entwicklungen zu schaffen, sagte der künstlerische Leiter Rolf C. Hemke vor Beginn über die Inszenierung. Zwar sei die Zeit heute mit der damaligen nicht vergleichbar, aber Parallelen könnten mit Einschränkungen gezogen werden. Als Beispiel verwies er etwa auf die damals wie heute aktuelle Diskussion um Gesetzesparagrafen zur Abtreibung. Es ist das erste Kunstfest unter Hemkes Leitung.

Das Publikum ging in der rund dreistündigen und in ihrer Darstellung reduzierten Vorstellung mit. Es quittierte die Inhalte der historischen Redebeiträge wie das Parlament vor 100 Jahren mit Buhrufen und Applaus. Überhaupt war viel Bewegung im Publikum, so dass zuletzt einige Sitze im Theater leer wurden. Informationen zu den Reden wurden auf schwarze, rote und goldfarbene Vorhänge projiziert.

Vor Beginn der Vorstellung stellten die Beteiligten historische Fotoaufnahmen von der letzten Sitzung der Weimarer Nationalversammlung vor exakt 100 Jahren nach. Die Abgeordneten verließen am 21. August 1919 offiziell das Theater in Weimar, wo sie zuvor über mehrere Monate die Verfassung für die erste parlamentarische Demokratie Deutschlands erarbeitet hatten.

"Lassen Sie uns gemeinsam eine neue Nationalversammlung bilden", rief Hemke den Teilnehmern und Zuschauern zu. Der künstlerische Leiter des Festivals war selbst kostümiert und trug einen Zylinder. Frauen erschienen in Fransenkleidchen und mit Federbändern im Haar, wie es in der Zeit der Weimarer Republik beim Charleston-Tanz üblich war.

Die "Reichtags-Reenactment" genannte Inszenierung soll an diesem Donnerstag fortgesetzt werden. Auch dafür haben sich weitere Politiker angekündigt, unter anderem die Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, und Thüringens CDU-Chef Mike Mohring.

"Es war Netzwerkarbeit, und meine Netzwerke reichen weniger zu Herrn Höcke", erklärte Hemke, warum sich vor allem Vertreter von Linken, SPD und Grünen auf der Bühne wiederfanden. Björn Höcke ist der Landeschef der AfD.

Das Kunstfest Weimar gilt als eines der größten für zeitgenössische Kultur in Ostdeutschland. In diesem Jahr stehen unter anderem 22 szenische Projekte mit Ur- und Erstaufführungen auf dem Programm. Das Festival endet am 7. September. Dann wird der international gefeierte Maler Georg Baselitz ein Bild erstmals öffentlich vorstellen. Dabei trägt der Opernsänger und Kunstfest-Botschafter Matthias Goerne ein Programm vor.

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