Justiz - Kiel:Untersuchungsausschuss: SPD droht mit Verfassungsgericht

Kiel (dpa/lno) - Über den Umgang mit nicht-öffentlichen Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss zur Rockeraffäre in Schleswig-Holstein ist juristischer Streit entbrannt. Die SPD will Zeugen damit konfrontieren - vorausgesetzt es handelt sich um keine Geheimnisse. "Im Zweifelsfall muss man das vor dem Verfassungsgericht klären", sagte SPD-Obmann Kai Dolgner am Montag. Es gehe um Abgeordnetenrechte und einen Verfassungsgrundsatz.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Kiel (dpa/lno) - Über den Umgang mit nicht-öffentlichen Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss zur Rockeraffäre in Schleswig-Holstein ist juristischer Streit entbrannt. Die SPD will Zeugen damit konfrontieren - vorausgesetzt es handelt sich um keine Geheimnisse. "Im Zweifelsfall muss man das vor dem Verfassungsgericht klären", sagte SPD-Obmann Kai Dolgner am Montag. Es gehe um Abgeordnetenrechte und einen Verfassungsgrundsatz.

Laut Landesgesetz entscheidet der Ausschuss "über Art und Umfang von Mitteilungen an die Öffentlichkeit aus nichtöffentlichen Sitzungen". Die Abgeordneten trafen am Montag aber noch keine Entscheidung über den SPD-Antrag. Eine ursprünglich für den Vormittag geplante Befragung eines ehemaligen stellvertretenden Leiters der Soko Rocker wurde abgesagt.

"Das Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es nicht, möglichst viel zu verheimlichen, sondern möglichst viel öffentlich zu machen", sagte Dolgner. Ihm sei unverständlich, warum er nicht zitieren dürfe, "wenn ein Staatsanwalt eine interessante Rechtsauffassung äußert, wie es zu einem unwahren Vermerk gekommen ist oder Polizeibeamte sich über Merkwürdigkeiten äußern, die weder Dritte gefährden noch Staatsgeheimnisse betreffen". In anderen Fällen dürften die Abgeordneten dagegen teilweise vertrauliche Unterlagen öffentlich wiedergeben.

Der FDP-Obmann im Ausschuss, Jan-Marcus Rossa unterstützt Dolgners Wunsch, diese Aussagen in die öffentliche Beweisaufnahme einfließen zu lassen "im Prinzip". "Ich will das in der Beweisaufnahme verwendet haben", sagte der Jurist. Das Untersuchungsausschuss-Gesetz des Landes sei jedoch nicht eindeutig in der Frage, wie diese Aussagen n öffentliche Sitzungen des Gremiums einfließen können. "Der Wortlaut des Gesetzes ist an der Stelle nicht eindeutig genug."

Rossa setzt deshalb "über die Koalition hinaus" auf einen breiten Konsens in dieser Frage. "Wir untersuchen Behördenfehler in diesem Ausschuss und wollen uns selber nicht vorwerfen lassen, dass wir am Ende auch Fehler gemacht haben", sagte Rossa. "Ich kann Herrn Dolgner aber verstehen. Er ist der Initiator dieses Untersuchungsausschusses."

Auch Grünen-Obmann Burkhard Peters nennt die bisherige Gesetzesregelung nicht befriedigend. "Wir müssen einen Weg finden, um aus diesem Dilemma rauszukommen." Gerade weil der Ausschuss untersuche, ob andere Behörden korrekt gehandelt hätten, dürften die Abgeordneten "nicht Fünfe gerade sein lassen". Einen Fall für das Landesverfassungsgericht sieht er darin nicht. Dolgners Antrag würde er "vom Herzen her am liebsten unterstützen". Es müsse aber geprüft werden, ob das rechtlich korrekt sei.

"Es sind juristische Probleme aufgetaucht, die im Vorfeld so noch nicht erkennbar gewesen sind", sagte CDU-Obmann Tim Brockmann. Wer in nicht-öffentlicher Sitzung ausgesagt habe, verlasse sich ein Stück weit darauf, dass diese Äußerungen nicht-öffentlich gefallen seien. Er stellte klar: "Wir kriegen keinen Druck und es geht auch nicht darum, irgendjemanden zu schützen."

Die Deutsche Polizeigewerkschaft sprach von einem weiteren unrühmlichen Kapitel bei der Klärung der Vorwürfe. Dass die Landtagsverwaltung, offenbar mit den CDU-Abgeordneten im Ausschuss, bestimmte Fragen und Aussagen der SPD in öffentlicher Sitzung verhindern wolle, sei schwer nachvollziehbar und "hat das Geschmäckle einer weiteren vermeidbaren Verzögerung", kritisierte der stellvertretende Landeschef Thomas Nommensen. Es wäre ein "völlig falsches Signal", wenn künftig ausnahmslos alle in nicht-öffentlicher Sitzung getätigten Aussagen und zitierten Schriftstücke später im öffentlichen Teil nicht mehr verwandt werden dürften.

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss will mögliche Fehler bei Ermittlungen gegen Rocker in früheren Jahren im Norden aufklären. Es geht dabei um Vorwürfe der Aktenmanipulation, Fehler beim Umgang mit V-Leuten und Mobbing.

Vor allem der Umgang von Polizei und Staatsanwaltschaft mit entlastenden Hinweisen, die ein V-Mann-Führer nach einem Rockerüberfall 2010 im Schnellrestaurant Subway in Neumünster erlangte, wirft reichlich Fragen auf. Damals hatten Mitglieder der "Bandidos" Rocker der "Red Devils" angegriffen und zwei Männer schwer verletzt. Die Hinweise eines Informanten, wonach ein damals noch in Untersuchungshaft sitzender Verdächtiger gar nicht am Tatort gewesen sei, gelangten erst auf Druck von zwei Ermittlern zu den Akten. Beide wurden später gegen ihren Willen aus der Soko Rocker abgezogen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: