Süddeutsche Zeitung

Zustelldienste:Wenn die Samwers zweimal klingeln

Bislang bestellt kaum jemand Lebensmittel im Netz. "Shopwings" soll das ändern. Der Dienst startet an diesem Montag in München. Dahinter stecken die Zalando-Macher.

Von Mirjam Hauck

Viele bestellen sich Bücher im Internet. Schuhe sind mittlerweile zumindest so gut im Netz gefragt, dass die Betreiber von Zalando sich mit ihrem Shop an die Börse wagten. Aber Äpfel, Nudeln und Schokolade? Das trauen sich erst wenige. "Dass frische oder zu kühlende Lebensmittel gut zu Hause ankommen, glauben viele Verbraucher nicht", sagt Lars Hofacker, Leiter des Forschungsbereichs E-Commerce am EHI in Köln. Auch achte der Deutsche penibel auf den Preis und ist kaum bereit, für eine Lieferung zu zahlen. "Zudem gibt es hierzulande mit der hohen Supermarkt- und Discounterdichte eine sehr gute Versorgung."

Diese ebenso knauserigen wie verwöhnten Kunden will nun ein neuer Anbieter für seinen digitalen Lebensmittelladen gewinnen: Shopwings, ein Unternehmen unter dem Dach der Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet, startet an diesem Montag in München. Gelingt die Sache, sollen auch Kunden in anderen Großstädten oder Ballungsräumen den Dienst nutzen können: Wer keine Lust oder keine Zeit hat, selbst in den Supermarkt zu gehen, wählt über die Internetseite die Lebensmittel aus, die er haben möchte. Sogenannte Shopper gehen dann für ihn einkaufen und liefern die Produkte innerhalb von zwei Stunden an den gewünschten Ort. Zahlen muss der Kunde vorher über die Website, die Lieferzeiten richten sich nach den Öffnungszeiten der Supermärkte.

Anders als bei einem Online-Shop der großen Supermarktketten, kann der Kunde bei Shopwings zwischen vielen verschiedenen Supermärkten auswählen, vom Discounter über Bio bis zu Delikatessen, verspricht Gründer Florian Jaeger. Noch aber ist es nicht so weit: Bislang kann man über Shopwings nur aus dem Angebot von Lidl und V-Markt wählen. "Wir stehen nicht in Konkurrenz zum Einzelhandel, die Umsätze werden nach wie vor im Supermarkt generiert", betont Jaeger. Er braucht die Supermärkte. Auch deshalb gibt er sich diplomatischer als Oliver Samwer, Chef von Rocket Internet und damit einer der wichtigsten Geldgeber von Jaeger. Der hat den stationären Handel bereits für tot erklärt.

Die Zielgruppen: Familien, Berufstätige, ältere Menschen

Nur etwa 500 Millionen Euro setzte der deutsche Einzelhandel im vergangenen Jahr mit Nahrungsmitteln im Netz um. Das sind nicht einmal 0,3 Prozent dessen, was die Deutschen jährlich insgesamt für Obst, Fleisch und Brot ausgeben. Dabei versuchen sich die großen Supermarktketten bereits an Onlineshops und Lieferdiensten, zudem gibt es reine Online-Händler wie Lebensmittel.de, Food.de und Mytime. Und auch die Deutsche Post drängt mit dem Online-Supermarkt Allyouneed.de in diesen Bereich, dem manch einer eine vielversprechende Zukunft vorhersagt. Das Beratungsunternehmen Ernst & Young geht davon aus, dass im Jahr 2020 zehn Prozent des Branchenumsatzes von dann etwa 200 Milliarden Euro im Online-Lebensmittelgeschäft gemacht werden. Vor allem Familien, Berufstätige und ältere Menschen könnten für diese neuen Angebote gewonnen werden.

Wer bei Shopwings bestellt, muss allerdings mehr bezahlen, als wenn er die Mühen eines Einkaufs auf sich nimmt und sich selbst an die Kassenschlange stellt. Die Lieferung kostet 4,90 Euro und auch die Preise sind etwas höher als vor Ort. "Wir machen unsere eigenen Preise", sagt Jaeger. Denn natürlich müssen auch die Shopper bezahlt werden. Bis zu 20 Euro in der Stunde sollen die Shopper für ihre Dienste bekommen. Pro Bestellung gibt es für sie einen festen Betrag, die weitere Bezahlung richte sich dann beispielsweise nach der Größe des Warenkorbs - und danach, wie schwer die Tüten sind, die sie schleppen müssen.

Für den Start hat Shopwings vor allem Studenten rekrutiert und auch die eigenen Mitarbeiter des Start-ups müssen zunächst mit ausliefern. "Wir wollen und müssen alle Arbeitsabläufe kennenlernen", sagt Jaeger. Botendienste wie sie Shopwings anbietet, hält Handelsforscher Lars Hofacker für eine originelle Idee. Zurzeit versuchten sich viele, mit Boten ebenso wie mit Tiefkühlboxen an bestimmten Standorten an der Lieferung. Der Einzelhandel sei in der Experimentierphase, in der von den Supermarktketten bis zum Nischenanbieter alle noch ihren Platz finden können.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2014
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