Zukunft der Arbeit:Die Revolution hat längst begonnen

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Künstliche Intelligenz Cimon soll Astronauten unterstützen

Künstliche Intelligenz ist bereits Alltag: Der smarte Assistent Cimon soll Astronauten auf der ISS unterstützen.

(Foto: dpa)

Künstliche Intelligenz stapft nicht in ferner Zukunft als Roboter in unser Leben. Sie ist längst da. Wir müssen uns mit der neuen Technologie vertraut machen - jetzt.

Von Helmut Martin-Jung

Stell dir vor, es ist Revolution, und die Leute merken es kaum. Nun, sie sieht eben nicht aus wie Arnold Schwarzenegger, diese Revolution. Und sie erfüllt auch nicht die Klischees vieler anderer Hollywoodfilme zum Thema. Stimmt schon, im "Terminator", dieser fiktiven menschenähnlichen Maschine, steckt, was die Revolution antreibt: Künstliche Intelligenz (KI). Doch ob man solche Maschinen je wird bauen können, ist nicht die Frage. Das Problem ist: Viele machen sich ein völlig falsches Bild von dieser Technik und schätzen daher ihre eigene Rolle falsch ein.

Unterdessen ist der wahre Umsturz längst im Gange.

Und wirft wichtige Fragen auf: Was bedeutet künstliche Intelligenz, so wie sie hier und heute Einzug in unser aller Leben hält, für uns Menschen? Für das gesellschaftliche Zusammenleben, für unsere Jobs? Ist die Hälfte davon in Gefahr, wie manche vermuten? Oder führt KI zwar zu Turbulenzen, schafft in Summe aber sogar mehr Jobs - so wie das bei vorangegangenen technischen Umwälzungen auch war? Womöglich auch noch solche Jobs, die erfüllender sind als viele heutige?

Das Dumme ist nur: Man kann darüber viel spekulieren, seriös beantworten lassen sich all diese Fragen nicht. So schnell wie sich die computerisierte Welt weiterentwickelt, ist es mittlerweile schon schwierig geworden, auch nur einige Jahre vorauszublicken. Das Einzige, das man mit einiger Gewissheit sagen kann, ist, dass sich gerade etwas Bedeutendes entwickelt, etwas mit enormem, mit grundstürzendem Potenzial. Es wird sehr darauf ankommen, damit richtig umzugehen.

Aber tun wir das?

Bei einer groß angelegten Umfrage der Meinungsforscher von Gallup und der Northeastern University in den USA zeigte sich zwar, dass diese Erkenntnis mittlerweile bei den meisten angekommen ist. Große Auswirkung werde die KI haben, viele Jobs kosten, antworteten die Befragten. Aber nicht den eigenen, da war sich die große Mehrheit auch einig. Ähnlich, wenn auch etwas differenzierter, das Ergebnis einer weltweiten Befragung von Ipsos im Auftrag von Gamma, einer Tochter der Boston Consulting Group (BCG): Während im Schnitt 58 Prozent der gut 7000 Befragten glaubten, KI werde ihren Job niemals ersetzen können, waren es in Frankreich 69 und in Deutschland 67 Prozent - die beiden höchsten Werte.

China ist in Sachen KI weit voraus

Das ist deshalb so spannend, weil in China weniger als ein Drittel der Meinung waren, sie seien unersetzlich. Der große Unterschied mag zum Teil an der unterschiedlichen Mentalität und an unterschiedlichen Jobs liegen, doch der Hauptgrund ist ein anderer: In China sind schon wesentlich mehr KI-Systeme im täglichen Einsatz als in Frankreich und Deutschland. Deshalb ist auch ein weiterer Vergleich aus der Gamma-Studie so interessant: Über alle Ländergrenzen hinweg stufen die Menschen das Potenzial von KI umso höher ein, je mehr sie damit schon in Berührung gekommen sind.

Das aber könnte zu einer gefährlichen Entwicklung führen. Dann nämlich, wenn Politik und Gesellschaft in Europa so weiterwursteln wie bisher und nicht auf Wissenschaftler, Experten und Unternehmer hören. Die fordern völlig zu Recht, die Förderung der KI in Wissenschaft und Industrie, vor allem von Start-ups aus diesem Bereich, müsse in drastischem Maß erhöht werden, ebenso die Aus- und Weiterbildung. Passiert dies nicht, könnten viele ihre bisherigen Jobs verlieren, wären aber nicht fit für die neuen. Und die Innovationen kämen aus China und aus den USA, so wie das heute schon bei den großen Plattformen wie Google, Facebook, Amazon oder Tencent der Fall ist.

Was aber ist an dieser KI eigentlich so weltbewegend? Wieso glauben so viele, dass diese Technik Menschen auf vielen Gebieten Konkurrenz machen kann? Schließlich mühen sich Forscher auf der ganzen Welt schon seit Jahrzehnten damit ab, intelligente Software-Systeme zu erschaffen, die menschenähnliche Leistungen erbringen können.

Nach anfänglicher Euphorie erlebten sie aber, beginnend in den 1970er-Jahren, eine Reihe von Rückschlägen. Für die KI-Forschung floss nur noch wenig Geld, vom KI-Winter war die Rede. Sogar der Begriff KI selbst geriet in Misskredit, noch im neuen Jahrtausend nannten Firmen und Forscher KI-Anwendungen lieber anders. Doch nun, seit einigen Jahren, kommt kaum ein IT-Start-up, erst recht keine Branchenkonferenz mehr ohne das Zauberwort KI aus.

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