Zensus 2011: Reaktionen im Netz:Datenkraken überall

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Eine Massenbewegung gegen die Volkszählung hat sich über das Netz nicht entwickelt - dennoch geben Blogger bereits erste Hinweise auf mögliche Pannen bei der Bürgerbefragung.

Johannes Kuhn

Mit Hilfe der aktuellen Einwohnerzahlen könne der Bedarf an Kindergartenplätzen, Schulen oder Altenheimen geprüft werden.

Volkszählung 2011: Keine Massenbewegung, doch Kritik und Berichte Betroffener. (Foto: dpa)

Die Zensus-Gegner hingegen haben ein Problem damit, dass eine Anonymisierung nicht gewährleistet sei und der Staat mehr Daten als nötig sammle, zum Beispiel zu Migrationshintergrund und Verhalten bei der Arbeitssuche. Der Rat: "Lassen Sie die Volkszähler/-innen nicht in Ihre Wohnung!"

Trotz aller Rhetorik: Eine Polarisierung wie bei der letzten Volkszählung im Jahr 1987 ist bei der aktuellen Gegenbewegung nicht zu erkennen. "Im Vergleich dazu ist das, was wir machen harmlos", gibt auch Michael Ebeling vom AK Zensus zu, dessen Kern sich aus dem Umfeld der Bewegung für digitale Bürgerrechte zusammensetzt.

Bis vor wenigen Wochen stand man sogar in regem Kontakt mit dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden, um Antworten auf die drängendsten Fragen zu erhalten. Nachdem bei einem Flyer-Wettbewerb auf den Seiten der Organisation Motive auftauchten, die den Zensus 2011 in den Zusammenhang mit den Volkszählungen der NS-Zeit 1933 und 1939 brachten, brach der Dialog jedoch ab.

Wenig Protestpotential

Zwar hat das Thema Zensus in den vergangenen Wochen eine Renaissance erlebt, doch ist der Protest Ebeling zufolge derzeit weder mit dem der achtziger Jahre, noch mit der Netzbewegung gegen Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren vergleichbar. Nur zehn Prozent der Bevölkerung erhalten überhaupt einen Fragebogen. "Wer nicht direkt betroffen ist, entwickelt auch kein Protestpotential", stellt Ebeling ernüchtert fest.

Soziologen würden wahrscheinlich auch den Zeitgeist verantwortlich machen: Das Internet als Medium der Gegenwart, könnte man argumentieren, hat uns längst zu ständigen Datenproduzenten gemacht, die Informationen über das nähere Umfeld ganz freiwillig preisgeben.

Die allwissende Datenkrake ist nicht mehr alleine der Staat, auch Internetkonzerne sind als Staubsauger für persönliche Informationen identifiziert - allerdings ohne die Konsequenz, dass sich die Nutzer merklich um Datensparksamkeit bemühen würden.

Kommt die Debatte noch?

Sollte es einen Bewusstseinsmangel geben, ist er zumindest nicht flächendeckend: In verschiedenen deutschsprachigen Blogs finden sich nicht nur abstrakte Einschätzungen, sondern auch ganz konkrete Kritikpunkte am Zensus: Der Blogger Timm Hofmann berichtet über schlampige Zustellungsmethoden; der IT-Blogger Jan Schejbal warnt vor einer vermeintlich unsicheren Online-Übermittlung wegen einer fehlenden Verschlüsselung; Jost Behre berichtet, dass die Fragebögen für Immobilienbesitzer offenbar veraltetet sein können, Probleme mit den Immobilienfragen scheinen sich auch anderswo zu bestätigen.

Werden Hinweise auf Fehler und Probleme die Deutschen davon abbringen, die Volkszählungsfragebögen auszufüllen? Wer sich weigert, muss mit einem Ordnungsgeld rechnen, das jedoch nicht von der Mitteilungspflicht an die Behörden entbindet. "Jedem ist selber überlassen, ob er den Zensus boykottiert", sagt deshalb AK-Zensus-Mann Ebeling. Er selbst will die Fragen der Behörden nicht beantworten - ob er allerdings gegen den Zensus klagen wird, weiß er noch nicht.

Mehr Anrufe, kaum Proteste: Lesen Sie, wie der erste Zensus-Tag verlief.

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