Hatespeech-Debatte:Youtube verschärft Upload-Regeln

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Die Videoplattform Youtube will künftig stärker gegen Hassinhalte vorgehen. (Foto: dpa)
  • Youtube hat angekündigt, strenger als bisher Inhalte zu löschen, in denen die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen propagiert wird.
  • Auch Holocaust-Leugnung und NS-Propaganda soll global verschwinden.
  • Die Verschärfung steht im Zeichen anhaltender Diskussionen über den Umgang der Plattform mit problematischen Inhalten.

Von Johannes Kuhn

Auf den ersten Blick geht es Youtube blendend. Die Videoseite erreicht als größtes Bewegtbildmedium der Welt jene Zielgruppen, die sich von linearen Medien längst verabschiedet haben. Die Plattform ist ein kultureller Treiber und Ideenverbreiter. Und die generierten Werbeumsätze tragen wohl maßgeblich dazu bei, dass der Mutterkonzern Alphabet seinen Aktionären weiteres Wachstum versprechen kann.

Und doch geriet Youtube zuletzt immer wieder in die Negativschlagzeilen: Automatisierte Empfehlungen, die trotz gegenteiliger Versprechen zu Verschwörungstheorien und Desinformation führen. Algorithmen, die Heimvideos von Kindern Pädophilen zuführen. Die Debatte, ob ein Netzwerk rechtsreaktionärer Polit-Influencer die Aufmerksamkeitsmechanismen der Seite ausnutzen konnte, um zur Radikalisierung der politischen Atmosphäre beizutragen.

Die kalifornische Firma justierte häufig nach; begrenzte für einige Kategorien Empfehlungen, schaltete die Kommentarfunktion ab oder priorisierte Inhalte etablierter Nachrichtenquellen. Dabei zog sie aber die Kritik auf sich, man reagiere nur.

Das könnte sich nun ändern. Am Mittwoch kündigte Youtube an, die Hausregeln zum Umgang mit "Hassrede" in diesem Jahr global zu verschärfen. Künftig seien Videos verboten, die andere Gruppen nach Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Rasse, Kaste, Religion oder sexueller Orientierung ausgrenzten, um die eigene Gruppe als überlegen darzustellen.

Beispiele, die aus der Firmenzentrale in San Bruno angeführt werden, sind Videos mit Botschaften wie "Homosexualität ist eine Geisteskrankheit". Zudem löscht Youtube nun weltweit Videos, in denen der Holocaust oder andere geschichtliche Ereignisse geleugnet werden. Damit reagiert die Plattform auch darauf, dass bei größeren Gewalttaten und Terrorangriffen binnen Minuten Verschwörungsvideos online gehen.

Druck von verschiedenen Seiten

Auch die Software, die in den USA seit Januar Probleminhalte herunterpriorisiert, soll im Lauf des Jahres in weiteren Ländern ausgerollt werden. Dem Vernehmen nach rechnen die Verantwortlichen damit, dass es in den kommenden Monaten zu lebhaften Diskussionen darüber kommt, was aus welchen Gründen im Filter hängenbleibt. "Youtube ist nicht zu beneiden", sagt Chris Stokel-Walker, der den Aufstieg der Plattform in seinem Buch Youtubers beschreibt: "Wären sie früher eingeschritten, hätten weniger drastische Maßnahmen genügt, um das Thema einzudämmen. Aber sie sind jahrelang untätig geblieben und waren relativ naiv, wie die Plattform genutzt werden könnte."

Youtube steht inzwischen von verschiedenen Seiten unter Druck. Werbekunden wollen ein Umfeld ohne extreme Inhalte und lassen bei Kontroversen durchblicken, ihre Budgets zurückhalten zu können. Youtuber beklagen dagegen, dass das Portal die Schwelle, ab der die Videoproduzenten an der Werbung mitverdienen, erhöht hat und mittlerweile Prominente wie Will Smith bevorzugt.

Konservative in den USA warnen vor Einmischung

In verschiedenen Ländern denken Politiker zudem laut darüber nach, ob die Seite ähnlich wie mit dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz reguliert werden kann. Und im Heimatmarkt USA warnen konservative Politiker unverhohlen: Je stärker Youtube Inhalte bevorzugt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, künftig als Medienunternehmen reguliert zu werden - und damit für jeden einzelnen Inhalt verantwortlich gemacht zu werden.

"Youtube will Verantwortung übernehmen, aber ohne Haftbarkeit", beschreibt Stokel-Walker die Strategie der Selbstregulierung. Inzwischen soll eine fünfstellige Zahl von Menschen damit beschäftigt sein, gemeldete oder vom Algorithmus gefundene Probleminhalte zu prüfen. Die neuen Hausregeln könnten die Debatte, welchen Einfluss die Plattform damit global nimmt, allerdings eher befeuern als beenden.

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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