Süddeutsche Zeitung

T-Series gegen PewDiePie:Kampf um Youtubes Platz eins eskaliert

  • Seit Ende August steht das indische Musiklabel T-Series kurz davor, den Schweden Felix Kjellberg, besser bekannt als "PewDiePie" als meistabonnierten Youtube-Kanal abzulösen.
  • Bisher ohne Erfolg: Kjellbergs Kanal steht seit fünf Jahren ununterbrochen an der Spitze der Video-Plattform.
  • Bisher ist es seinen Fans gelungen, den Wechsel zu verhindern. Dabei schrecken einige weder vor immensen Kosten noch vor illegalen Aktionen zurück.

Von Caspar von Au

Auf den letzten Metern haben die Fans von Felix "PewDiePie" Kjellberg das Schlimmste gerade noch verhindert. Am Montag kam das indische Musiklabel T-Series dem - noch - meistabonnierten Youtuber bedenklich nahe. Der Unterschied betrug für kurze Zeit weniger als 16 000 Abonnenten - ein hauchdünner Vorsprung angesichts von jeweils mehr als 73 Millionen Abonnenten insgesamt. Kjellberg selbst schrieb auf Twitter vom "Anbruch des letzten Tages". Am Wochenende dann die Trendwende: Bis Dienstagmittag war der Abstand wieder auf 500 000 Abonnenten angewachsen. Die Fans des amtierenden Youtube-Königs atmeten durch.

Die erbitterte Verfolgungsjagd, die sich T-Series und PewDiePie liefern, verursacht im gigantischen Youtube-Universum seit mehr als drei Monaten Aufruhr. Bisher mit dem besseren Ende für den 29-jährigen Schweden, der seit Weihnachten 2013 ununterbrochen an der Spitze der Youtube-Stars steht - so lange wie niemand anderes in der Geschichte der Videoplattform. Beliebtheit erlangte PewDiePie mit Let's Plays, vor allem von Horrorspielen. Mittlerweile zeigen viele seiner Videos, wie er vor laufender Kamera auf Internet-Meme reagiert. Seine Fans schätzen den albernen, bisweilen auch obszönen oder politisch unkorrekten Humor des Youtubers. 2017 schmiss Disney Kjellberg raus, weil er in mehreren Videos antisemitische Witze gemacht hatte. Auch zahlreiche andere Partner kündigten ihm damals.

Am Time Square lief Werbung für PewDiePie

Bei dem Wettrennen geht es um mehr als um die Person Kjellberg. Es geht darum, wer Youtube inoffiziell regiert: ein Einzelkämpfer wie PewDiePie oder ein Unternehmen wie T-Series. Das größte indische Musiklabel lädt täglich mehrere Musikvideos im Bollywood-Stil hoch. In der Kategorie Videoaufrufe hat das Unternehmen den Youtube-Star schon vor fast zwei Jahren überholt. Aktuell wächst der Anteil der Inder, die Zugriff auf das Internet bekommen, besonders rapide. Das führt dazu, dass einige PewDiePie-Fans dem Label vorwerfen, Bots für ihr Wachstum zu nutzen, und anti-indische Hasskommentare veröffentlichen. Von denen hat Kjellberg sich distanziert.

Dass es am Wochenende doch nicht zu dem erwarteten Wechsel an der Spitze Youtubes gekommen ist, liegt auch an den anderen Youtube-Stars, die in den letzten Tagen und Wochen eine Kampagne für PewDiePie gestartet hatten. Der US-amerikanische Youtuber Jimmy "MrBeast" Donaldson etwa filmte sich selbst dabei, wie er 100 000 Mal hintereinander "PewDiePie" sagt. Offenbar Grund genug für einige Nutzer, den Kanal des Schweden tatsächlich zu abonnieren. Für ein anderes Video mietete Donaldson diverse Werbetafeln in seinem Heimatort im Bundesstaat North Carolina. Wohl davon inspiriert ließ Youtuber Justin Roberts eine eigens dafür entworfene PewDiePie-Werbung am Time Square in New York laufen - so stellt er es zumindest auf Youtube dar. Kjellberg selbst produziert derzeit fast nur noch Videos, in denen es um seine Abonnenten-Schlacht mit T-Series geht.

Den Nutzern geht es um Youtubes altes Motto: "broadcast yourself"

Fans verbreiteten seine Botschaft auch jenseits der Youtube-Kanäle: Ein Hacker unter dem Pseudonym "Thehackergiraffe" hat nach eigenen Angaben rund 50 000 Drucker weltweit gekapert und sie Werbung für PewDiePie ausdrucken lassen, wie das Tech-Portal The Verge berichtet. Der Angreifer sagt, um die Drucker zu finden, habe er die Suchmaschine Shodan genutzt, über die sich mit dem Internet verbundene Geräte finden lassen. Es sei ihm auch darum gegangen, auf diese Weise auf IT-Sicherheit aufmerksam zu machen. Auf den ausgedruckten Seiten hat er unten einen Hinweis hinzugefügt. Auf Englisch steht da sinngemäß: "Ihr Drucker ist ungeschützt mit dem Internet verbunden. Bitte beheben."

Viele Nutzer wollen mit ihrer Unterstützung für Kjellberg demonstrieren, dass für sie vor allem das ursprüngliche Motto der Plattform zählt: "broadcast yourself". Es ist offenbar der Wunsch vieler, dass Youtube eine Bastion der Kleinen bleibt, auf der die großen Konzerne nichts zu sagen haben. Mit einem ähnlichen Argument hatte Youtube-Chefin Susan Woijcicki Anfang November die Community dazu gebracht, gegen Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform zu protestieren.

T-Series wird PewDiePie trotz aller Bemühungen bald überholen

Dieses Gefühl eines Aufstandes für den "kleinen Nutzer" basiert aber auf einem Mythos, den PewDiePie bewusst fördert. Er ist alles andere als ein kleiner Youtuber, der in seinem Schlafzimmer private Videos produziert. Laut Berechnungen des Wirtschaftsmagazins Forbes hat er 2018 mit seinen Videos rund 15,5 Millionen US-Dollar verdient. Wesentlicher Bestandteil seines Geschäftsmodells ist sein eigener Online-Shop, in dem er wie viele andere Top-Youtuber Kapuzenpullis, T-Shirts und Jogginghosen verkauft. Und doch nehmen ihn die Nutzer als einen von ihnen wahr, als Gegensatz zu Unternehmen wie T-Series, die sich nach ihrem Empfinden unberechtigt breitmachen, weil sie mehrmals täglich neue Musikvideos hochladen und so viel schneller Klicks generieren als ein einzelner Videokünstler.

Am Ende profitieren mit ziemlicher Sicherheit sowohl T-Series als auch PewDiePie von der zusätzlichen Aufmerksamkeit, die sie weltweit erfahren. Auch dürften die Youtuber kein Verlustgeschäft gemacht haben, die die Gunst der Stunde ausnutzten, um sich auf einer der beiden Seiten zu positionieren (meistens auf der Kjellbergs).

Doch das alles wird ihm nicht helfen. Sobald die aktuelle Welle der Aufmerksamkeit zurückgeht, wird T-Series an PewDiePie vorbeiziehen und den König der Youtuber entthronen. Der indische Kanal wächst durchschnittlich einfach schneller, Stand Mittwochnachmittag ist der Abstand wieder auf rund 400.000 Abonnenten geschrumpft. Social Blade, ein Portal das Statistiken sozialer Medien analysiert, prognostiziert den Wechsel an der Spitze aktuell auf Mitte Februar. Wer live dabei zusehen möchte, findet Dutzende Livestreams, die die Abonnentenzahlen der beiden Kanäle rund um die Uhr übertragen.

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