Süddeutsche Zeitung

YouTube als Karrierekiller:Was guckst du?

Ablenkung mit Folgen: Ein australischer Investmentbanker hat kurzzeitig mal Lust auf andere Kurven - dumm nur, dass live aus seinem Büro gesendet wird.

Martin Zips

Dass sich jetzt die ganze Welt für die traurige Episode aus dem Leben des bislang gänzlich unbekannten Australiers David Kiely interessiert, ist absolut verständlich. Schließlich verweist der Fall auf eines der ältesten Probleme der Menschheit, das Körper-Geist-Problem, welches von Plato bis hin zu Kant schon allerlei Denker beschäftigt hat.

David Kiely ist Anlageberater bei der Macquarie Bank in Sydney. Während der Bürozeiten darf sein Arbeitgeber von ihm zu Recht volle körperliche und geistige Anwesenheit erwarten. Die Deutung mathematischer Kurven ist etwas, das von niemandem leichtfertig betrieben werden sollte!

Um so schlimmer wiegt es, dass Kielys Geist am Arbeitsplatz nun offenbar von der Körperlichkeit überrumpelt wurde. Über das Internet weltweit verbreitete Fernsehbilder eines australischen Senders belegen, dass der Mann im Großraumbüro seiner Bank gleich mehrere Fotos einer dürftig bekleideten Dame auf seinem Rechner betrachtet hat.

Der Investmentbanker hatte dabei wohl vergessen, dass wieder einer dieser TV-Finanzplapperer mit einem Mikrofon hinter ihm stand, um live von steigenden und fallenden Zinsen zu berichten.

Kiely wähnte sich unbeobachtet und widmete sich den Kurven des australischen Models Miranda Kerr, 27. Diese dürfte sich über das weltweite Interesse an dem Vorfall nun weitaus mehr freuen als Investmentbanker Kiely. Während der TV-Übertragung nämlich hatte dieser sich blöderweise umgedreht, war damit also von Freunden und Kollegen zu identifizieren.

Ist Kiely ein Mobbingopfer?

Sein Arbeitgeber prüft jetzt den "sehr ernsten Vorgang" und erinnerte seine Angestellten daran, dass für die Nutzung hauseigener Computer strenge Vorschriften gelten. Betriebswirte sprechen hier von "Compliance", also der Einhaltung klarer, auch moralischer Regeln zum Wohle der Firma.

Kiely kann sich jetzt höchstens noch darauf herausreden, dass ihm die Bilder von anderer Stelle übermittelt wurden. In Dateien, deren Brisanz ihm erst nach dem Öffnen offenbar wurde. Ist Kiely ein Mobbingopfer? Hat sich ein ekelhafter E-Mail-Verfasser einen Spaß daraus gemacht, ihm aufreizende Bilder zu schicken? Dank modernster Technologien haben Denunzianten heute ja ein allzu leichtes Spiel.

"Das, was der Seele durch die Sinne zukommt", betonte bereits Descartes in seinem Traktat "Die Leidenschaften der Seele" von 1649, "bewegt sie viel stärker als das, was ihr durch die Vernunft vorgestellt wird". Scharping, Berlusconi, Woods - vielen wurde das zum Verhängnis. Andererseits: So ein Investmentbanker hat es in seinem Großraumbüro ja auch nicht leicht. Tag für Tag immer nur Zahlen, Zahlen, Zahlen. Wo bleibt da der Mensch?

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Quelle:
SZ vom 04.02.2010/joku
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